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Ausländische Einrichtungen: Englisches College in Deutschland steuerbefreit

Seit den EuGH-Urteilen Persche und Stauffer ist klar: Maßstab der Gemeinnützigkeit auch ausländischer Einrichtungen ist allein das nationale deutsche Recht. Eine gemeinnützige Einrichtung aus England muss daher auch alle Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit in Deutschland erfüllen, wenn sie hierzulande durch das Gemeinnützigkeitsrecht von der Körperschaftsteuer befreit werden will. Das hat das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 24. Juli 2014 hervorgehoben und dabei an die Formulierungen in der Satzung der Einrichtung keine hohen Anforderungen gestellt.

Muss eine gemeinnützige Stiftung Körperschaftsteuer zahlen?

Ein englisches College – in der Rechtsform einer Stiftung englischen Rechts – erwarb in Deutschland mehrere Grundstücke und ein Geschäftshaus, welche es verpachtete und vermietete. Für die daraus generierten Einnahmen zog das deutsche Finanzamt das College zur Körperschaftsteuer heran. Dagegen erhob das College Einspruch mit der Begründung, dass es in Großbritannien als gemeinnützige Körperschaft anerkannt und steuerfrei gestellt sei.

Es beachte insbesondere die Vorgaben des § 51 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO), der einen sog. strukturellen Inlandsbezug voraussetzt: Werden steuerbegünstigte Zwecke im Ausland verwirklicht, ist danach Bedingung für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit, dass die Tätigkeit der Körperschaft deutschen Steuerpflichtigen zugutekommt oder aber zum Ansehen Deutschlands im Ausland beitragen kann. Zweck des Colleges sei es, akademische Forschung und Lehre für Studenten zu betreiben. Durch seine Kurse in deutscher Sprache und Literatur fördere es das Ansehen Deutschlands; zudem studierten viele Deutsche an dem College. Eine Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des deutschen Körperschaftsteuergesetzes (KStG) sei daher zu bejahen.

Vermögensbindung ist Kriterium für Steuerbefreiung

Auch das FG Berlin-Brandenburg sah die Voraussetzungen der Steuerbefreiung als erfüllt an. Im Zuge seiner Prüfung stieß das Gericht zwar auf das Problem, dass die Satzung des Colleges nicht sämtliche Regelungen, die das deutsche Gemeinnützigkeitsrecht verlangt, enthielt. Die Satzung war immerhin vor Jahrhunderten, als das College gegründet worden war, entworfen worden. So war beispielsweise nicht geregelt, was mit dem Vermögen im Falle der Auflösung des Colleges geschehen sollte; die Satzung des Colleges ging einfach vom „ewigen“ Bestehen der Einrichtung aus. Nach Ansicht des Finanzgerichts sei eine solche Nichtregelung aber deswegen unschädlich, weil das College der staatlichen englischen Stiftungsaufsicht unterlag. Nach Art. 97 § 1f des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung (EGAO) i.V.m. § 62 AO a.F. ist eine solche Aufsicht für bis zum 18. Dezember 2006 errichtete Stiftungen ausreichend; die Vermögensbindung muss dann nicht explizit in der Satzung geregelt werden.

Satzung muss Zwecke der gemeinnützigen Körperschaft enthalten

Außerdem, so das Gericht, liege auch kein Verstoß gegen § 59 AO vor. Danach ist Voraussetzung für die Steuerbefreiung, dass sich aus der Satzung ergibt, welchen Zwecken die Körperschaft dient und dass diese ausschließlich und unmittelbar verfolgt werden. Die vorliegende Satzung bestimmte, dass das College als „immerwährendes Kollegium des Studiums der Wissenschaften, der heiligen Theologie, der Philosophie und der guten Künste“ errichtet wurde. Diese Aussage genügte dem Gericht, um die Gemeinnützigkeit zu bestätigen.

Ausschlaggebend sei, dass die aufgelisteten Zielsetzungen keinen Zweifel aufkommen ließen, dass sie der Verwirklichung des Stiftungszwecks dienten. Zwar stehe nicht wortwörtlich in der Satzung, dass die Zwecke selbstlos verfolgt werden. „Wortklauberei“ sei bei der Auslegung von Satzungen aber zu vermeiden, so das FG. Der Satzung könnten an keiner Stelle Hinweise entnommen werden, die gegen die Gemeinnützigkeit der Stiftung sprächen. Nach Überzeugung des Gerichts bestanden deshalb keine Bedenken, die Einnahmen des Colleges aus Vermietung und Verpachtung auch hierzulande von der Körperschaftsteuer zu befreien.

Im Ausland gemeinnützig – gleichzeitig auch in Deutschland gemeinnützig?

Das FG Berlin-Brandenburg legt die englische Satzung äußert großzügig aus. Der Entscheidung bleibt zu wünschen, dass sie der Beginn einer neuen Denkweise zumindest in formeller Hinsicht ist. In der Tat ist schwer verständlich, warum Deutschland eine Stiftung, die nach britischem Recht als gemeinnützig anerkannt ist und von der britischen Stiftungsaufsicht kontrolliert wird, nicht auch hierzulande als gemeinnützig anerkennen sollte. Im Waren- und Dienstleistungsverkehr des europäischen Binnenmarktes besagt das Herkunftslandprinzip zum Beispiel, dass eine Ware in jedem anderen Mitgliedsland auf den Markt gebracht werden kann, wenn sie nur nach den Rechtsvorschriften eines europäischen Mitgliedsstaates ordnungsgemäß hergestellt wurde. Jeder Mitgliedsstaat verlässt sich also auf den Standard der anderen Mitgliedsstaaten. Warum sollte das nicht auch im Gemeinnützigkeitsrecht gelten? Ob die Reise aber tatsächlich in diese Richtung geht oder ob das FG Berlin-Brandenburg doch wieder ausgebremst wird, wird nun der BFH zu entscheiden haben.

Nicht zu vergessen ist, dass ausländische Einrichtungen zusätzlich zur ordnungsgemäßen Satzungsgestaltung selbstverständlich auch belegen müssen, dass sie ihre gemeinnützigen Zwecke im Rahmen ihrer tatsächlichen Geschäftsführung unmittelbar und ausschließlich fördern (vgl. § 63 AO); dieser Punkt war im vom Finanzgericht entschiedenen Fall allerdings unproblematisch gewesen.

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24.07.2014 – Az. 4 K 12276/11 (Revision eingelegt, Az. des BFH: I R 54/14)

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Steuerberatung für Stiftungen

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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