Ob die Arbeit eines Übungsleiters im sozialversicherungsrechtlichen Sinn als selbständige Tätigkeit oder als abhängige Beschäftigung einzustufen ist, beurteilt sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten und seit langem bekannten Grundsätzen unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Die nur relativ geringfügige Vergütung (ein paar hundert Euro pro Monat) führt jedenfalls nicht per se zur Einstufung als selbständige und damit sozialversicherungsfreie Tätigkeit. Das hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 30. Juli 2014 klargestellt.
Aus jedem Beschäftigungsverhältnis entwächst eine Versicherungspflicht
Die Rentenversicherungsträger prüfen mindestens alle vier Jahre, ob die Arbeitgeber ihren sozialversicherungsrechtlichen (Beitrags-) Pflichten nachkommen. Das Sozialgesetzbuch schreibt nämlich vor, dass aus jedem Beschäftigungsverhältnis eine Versicherungspflicht erwächst – und zwar zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung. Die Beitragspflicht besteht nur dann nicht bzw. nur in pauschalierter Höhe, wenn es sich bei der Beschäftigung um ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt („Mini-Job“ bzw. „450-Euro-Job“).
Aber was ist ein Beschäftigungsverhältnis überhaupt? Nach § 7 Abs. 1 S. 1 des Sozialgesetzbuches IV (SGB IV) ist eine Beschäftigung eine nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Das sagt noch nicht viel aus. Die Rechtsprechung hat aber diverse Kriterien für die Abgrenzung zwischen selbständigen und nichtselbständigen Beschäftigungen entwickelt. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass bei einem nichtselbständigen Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Das ist regelmäßig der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb des Arbeitgebers eingegliedert ist und den Weisungen des Arbeitgebers hinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung unterliegt. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet, so das LSG. Hinzu komme, dass jemand, der selbständig tätig ist, das Unternehmerrisiko trage, bei wirtschaftlichem Misserfolg Kapital zu verlieren und umgekehrt im Fall des Erfolgs Gewinne zu erwirtschaften.
Übungsleiter und Trainer sind selten selbstständig beschäftigt
Auch die Tätigkeiten von Übungsleitern und Trainern in einem Sportverein seien anhand dieser Maßstäbe abzugrenzen, urteilte das LSG. Einem Übungsleiter, der an die Trainingszeiten und die Hallenbelegungspläne des Vereins gebunden ist, sei eine völlig freie Gestaltung seiner Tätigkeit gerade nicht möglich. Natürlich sei dabei das Trainingsangebot auch vom Konsumverhalten der Vereinsmitglieder und deren Wünschen nach Zeit, Ort und Dauer des Trainings abhängig. Dies ändere aber nichts daran, dass die einzelnen Sportangebote ja vom Verein festgelegt werden. Auch dass der Übungsleiter für die Anzahl der Kursteilnehmer nicht verantwortlich ist und unabhängig davon vergütet wird, spreche gegen ein unternehmerisches Risiko und für eine nichtselbständige, d.h. sozialversicherungspflichtige Beschäftigung.
Eigenverantwortung könne man dem Trainer allenfalls bei der Ausgestaltung des Kursinhalts zusprechen. Doch bediene sich der Verein nur deshalb eines qualifizierten Übungsleiters, weil er dessen Kenntnisse und Fähigkeiten zur Gestaltung des Vereinsangebots nutzen will. Für eine selbständige Tätigkeit des Trainers spreche dies mithin nicht.
Übungsleiterfreibetrag gewährt Steuerfreiheit
Das Stichwort „Übungsleiter“ führt im Übrigen damit nicht automatisch zur Sozialversicherungsfreiheit. Im Gegenteil: Ein typischer Sporttrainer dürfte dem Urteil des LSG Baden-Württemberg zufolge in aller Regel der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Besonders wichtig dabei ist, dass das Gericht auf die Höhe der Vergütung nicht abstellt. Die in der Praxis häufig anzutreffende „Daumenregel“, bei einer geringfügigen Vergütung von ein paar hundert Euro pro Monat könne man grundsätzlich von einer selbständigen und damit sozialversicherungsfreien Tätigkeit ausgehen, ist also falsch. Soweit sich die Vergütung im Rahmen des Übungsleiterfreibetrags bewegt (2.400 Euro pro Jahr, vgl. § 3 Nr. 26 EStG), greift aber natürlich die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit.
Die Handball- und Baseballtrainer im vom LSG Baden-Württembergs zu entscheidenden Fall waren alle sozialversicherungspflichtig. Die Beitragsnachforderungen beliefen sich auf knapp 9.500 Euro. Vor allem Sportvereine sollten deshalb prüfen, ob sie ihre Trainer versichern müssen – insbesondere dann, wenn der Trainer, wie üblich, an Hallenbelegungspläne und Trainingszeiten gebunden ist. Das Problem betrifft aber natürlich auch andere Berufsgruppen: So zum Beispiel Lehrer, die nebenberuflich an gemeinnützigen Bildungseinrichtungen tätig sind. Auch Honorarärzte, die nebenberuflich in einem Krankenhaus arbeiten, können versicherungspflichtig sein.
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 30.07.2014 – Az. L 5 R 4091/11
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