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Politische Zwecke = gemeinnützige Zwecke?!

Die hessische SPD setzt sich für die Erweiterung des Gemeinnützigkeitskatalogs ein und will politischen Körperschaften den Gemeinnützigkeitsstatus ermöglichen. Ob dieser Vorstoß Früchte tragen wird, ist zweifelhaft.

Forderung nach Erweiterung des Gemeinnützigkeitskatalogs

Der Attac Trägerverein e.V. befindet sich mit dem Finanzamt seit über zwei Jahren im Clinch. Dem Finanzamt ist Attac zu politisch; 2014 entzog es dem Verein daher die Gemeinnützigkeit. Mitte des letzten Jahres wurde als Reaktion darauf die Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ ins Leben gerufen, die eine Änderung der gemeinnützigen Vorschriften zum Ziel hat. Die hessische SPD hat nun offenbar darauf reagiert. Sie möchte den bisher 25 Zwecke umfassenden Katalog des § 52 AO um sieben weitere als gemeinnützig anzuerkennende Zwecke erweitern. Anerkennung sollen demnach in Zukunft auch die folgenden gemeinnützigen Zwecke finden:

„26. Förderung der Wahrnehmung und Verwirklichung von Grundrechten,
27. Frieden,
28. Soziale Gerechtigkeit,
29. Klimaschutz,
30. Informationelle Selbstbestimmung,
31. Menschenrechte,
32. Gleichstellung der Geschlechter“

Änderungen des § 58 AO und des AEAO

Des Weiteren soll nach den Vorstellungen der SPD § 58 AO geändert werden. Die Beteiligung an der politischen Willensbildung soll in einem neuen Unterpunkt des § 58 AO als steuerlich unschädliche Betätigung eingestuft werden, sofern damit keine parteipolitische Unterstützung verbunden ist. Auch der AEAO soll angepasst werden. AEAO Nr. 15 Satz 2 zu § 52 AO soll künftig wie folgt lauten: „Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen, aber nicht parteipolitischen Zielsetzung verbunden ist.“ Bisher lautet die Vorschrift noch: „Eine politische Tätigkeit ist danach unschädlich für die Gemeinnützigkeit, wenn eine gemeinnützige Tätigkeit nach den Verhältnissen des Einzelfalls zwangsläufig mit einer politischen Zielsetzung verbunden ist und die unmittelbare Einwirkung auf die politischen Parteien und die staatliche Willensbildung gegenüber der Förderung des gemeinnützigen Zwecks weit in den Hintergrund tritt.“

Vorgeschlagene Zwecke schon heute gemeinnützig

Über den Katalog gemeinnütziger Zwecke in regelmäßigen Abständen nachzudenken, ist richtig – die Lebensumstände ändern sich und das Recht sollte sich entsprechend weiterentwickeln und anpassen. Ob die skizzierten Vorschläge der SPD allerdings schon vollständig durchdacht sind, muss bezweifelt werden. Letztlich würde die vorgeschlagene Erweiterung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke nämlich kaum etwas am bisherigen Zustand ändern: Die Förderung des Klimaschutzes ist z.B. schon heute Teil der „Förderung des Umweltschutzes“.

Auch die Zwecke der Förderung der sozialen Gerechtigkeit und des Friedens dürften heute schon gemeinnützig sein („Wohlfahrtswesen“ gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 9; „Völkerverständigung“ gemäß § 52 Abs. 2 Nr. 13 AO). Die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter wäre hingegen eine in der Tat zeitgemäße Weiterentwicklung des bisherigen Zwecks der Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und würde erstmals insbesondere auch transsexuelle Menschen ansprechen.

Schrankenlose Gestattung politischer Betätigungen?

Wenn nach dem Vorschlag der SPD zur Anpassung von § 58 AO jede Beteiligung an der politischen Willensbildung, gleich welchen Umfangs und unabhängig von der Verfolgung der satzungsmäßigen Zwecke, zulässig wäre, würde das letztlich darauf hinauslaufen, dass generell die „Beteiligung an der politischen Willensbildung“ gemeinnützig wäre. Es ist fraglich, ob das nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit (Parteispendenaffäre in den 1980er Jahren) wirklich sinnvoll sein kann und von der SPD auch tatsächlich so gewollt ist.

Eine gewisse Rückkoppelung an die eigentlichen gemeinnützigen Zwecke der Körperschaft sollte daher im Gesetzestext erkennbar sein und für die meisten gemeinnützigen Körperschaften, die sich anlässlich ihrer gemeinnützigen Zwecke auch politisch äußern, wäre das auch unschädlich. Zumindest dem SPD-Vorschlag zur Änderung des AEAO ist eine solche Rückkoppelung auch zu entnehmen.

SPD-Vorschlag vernünftige Diskussionsgrundlage

Der Antrag der hessischen SPD ist lediglich als Impuls zu verstehen, die hessische Regierung anzuhalten, sich auf Bundesebene für die Änderung der Gemeinnützigkeitsvorschriften einzusetzen.  Unter Berücksichtigung der oben angebrachten Kritik dürfte der SPD-Vorschlag in der Tat eine vernünftige Diskussionsgrundlage darstellen. Ob er zu Gesetzesänderungen führen wird, ist allerdings zweifelhaft: Der hessische Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) hat bereits verlauten lassen, dass er gemeinnützigen Körperschaften, die sich politisch betätigen wollen, empfehle, sich in zwei Körperschaften – eine gemeinnützige und eine nicht-gemeinnützige – aufzuspalten. Dem eigentlichen SPD-Anliegen, auch gemeinnützigen Körperschaften eine Mitwirkung am politischen Willensbildungsprozess zu gestatten, würde das freilich nicht gerecht werden.

Die Empfehlung des Finanzministers lässt zudem ein fehlendes Problembewusstsein erkennen, da es gerade um die Frage geht, wie „politisch“ die Aktivitäten gemeinnütziger Organisationen im Rahmen ihrer Zweckverwirklichung sein dürfen. Viele Aktivitäten großer gemeinnütziger Organisationen haben Berührungspunkte mit politischen Themen und es dürfte nicht im Sinne des Gemeinnützigkeitsrechts sein, all diese Aktivitäten als vermeintlich politische Betätigungen auszulagern.

Antrag der Fraktion SPD im Hessischen Landtag (Drs. 19/3360)

Weiterlesen:
Beteiligung an Volksinitiative als schädliche politische Betätigung?
Aberkennung der Gemeinnützigkeit – Folgeprobleme und Lösung

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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