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Wann dürfen Musikvereine Spendenbescheinigungen für Mitgliedsbeiträge ausstellen?

Spendenbescheinigungen für Mitgliedsbeiträge

Das Finanzgericht (FG) Köln hat kürzliche die Frage entschieden, unter welchen Voraussetzungen Musikvereine Spendenbescheinigungen für die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen ausstellen dürfen. Diese Frage ist wichtig, da bisher viele Musikvereine aufgrund der strengen Praxis der Finanzämter keine Spendenbescheinigungen für Mitgliedsbeiträge ausstellen durften.

Musikverein stellt Spendenbescheinigungen auch für Mitgliedsbeiträge aus

Der Fall vor dem FG Köln betraf einen gemeinnützigen Musikverein, dessen Zweck die Förderung der Volksbildung, der Erziehung und Ausbildung sowie der Kunst im Bereich der Bläsermusik ist. Um diesen Zweck zu verwirklichen, unterhält er ein sinfonisches Blasorchester, fördert die musikalische Aus- und Weiterbildung seiner Musiker und führt Konzerte auf. Bis zum Jahr 2013 durfte der Verein Spendenbescheinigungen unbeschränkt sowohl für Spenden als auch für Mitgliedsbeiträge ausstellen. 

Finanzamt ändert seine Meinung

Im Freistellungsbescheid für die Jahre 2014 bis 2016 hieß es jedoch plötzlich, dass der Verein keine Spendenbescheinigungen mehr für Mitgliedsbeiträge ausstellen dürfe. Das Finanzamt begründete seine Auffassung damit, dass der Verein kulturelle Betätigungen fördere, die in erster Linie der Freizeitgestaltung dienen, sodass die Mitgliedsbeiträge gemäß § 10b Abs. 1 S. 8 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden dürfen. So stelle etwa das Musizieren bei Auftritten und Proben eine Form der Freizeitgestaltung der Mitglieder dar, so das Finanzamt. Zwar bilde der Verein seine Mitglieder auch musikalisch aus, was offensichtlich keine Freizeitgestaltung sei. Allerdings reiche es für die Anwendung des § 10b Abs. 1 S. 8 Nr. 2 EStG aus, dass der Verein neben der Ausbildung der Mitglieder auch kulturelle Aktivitäten fördere, die der Freizeitgestaltung der Mitglieder dienten. 

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Mit anderen Worten: Es komme nicht darauf an, welche Aktivität (Freizeit vs. Ausbildung) letztendlich im Verein überwiege. Allein die Tatsache, dass der Verein Freizeitaktivitäten fördert, führe dazu, dass die Mitgliedsbeiträge insgesamt nicht mehr abziehbar seien. 

Klage gegen Freistellungsbescheid erfolgreich

Nachdem der Einspruch des Vereins gegen den Freistellungsbescheid erfolglos geblieben ist, reichte der Verein schließlich Klage beim FG Köln ein – mit Erfolg. Denn das FG Köln entschied, dass der Verein weiterhin Spendenbescheinigungen für die Beiträge seiner Mitglieder ausstellen darf. Der Grund: § 10b Abs. 1 S. 8 EStG basiere auf einer Gesetzesänderung aus dem Jahre 2007, deren Ziel es u.a. war, den Sonderausgabenabzug für Mitgliedsbeiträge an Kultureinrichtungen zu verbessern. Die Norm sei daher weit auszulegen, sodass es für die Abzugsfähigkeit der Mitgliedsbeiträge ausreiche, wenn der Verein zumindest einen Zweck verfolgt, der nicht der Freizeitgestaltung der Mitglieder dient und auch keine untergeordnete Rolle im Verein spielt. Dagegen würde die enge Auslegung der Norm durch das Finanzamt dazu führen, dass der ursprüngliche Wille des Gesetzgebers nicht effektiv umgesetzt werde, so das Gericht. 

Ausbildung von Musikern spielt keine untergeordnete Rolle

Im konkreten Fall sei § 10b Abs. 1 S. 8 Nr. 2 EStG daher nicht auf den Verein anwendbar, so das Gericht. Denn die Aus- und Weiterbildung der Mitglieder spiele beim Verein keine untergeordnete Rolle, da zum einen der Satzungsweck des Vereins u.a. die Ausbildung von Musikern im Bereich der Bläsermusik sei. Zum anderen bilde die Aus- und Weiterbildung der Musiker im Verein einen eigenständigen Bereich, der organisatorisch abgetrennt vom Orchesterbetrieb sei und separat von ihm betrieben werde. Ferner setze der Verein jährlich rund 25% – 50% seiner finanziellen Mittel allein nur für seine Ausbildungsaktivitäten ein. Die Ausbildung der Musiker spiele daher nicht nur eine untergeordnete Rolle. Der Verein dürfe daher auch weiterhin Spendenbescheinigungen für Mitgliedsbeiträge ausstellen. 

Richtige Entscheidung des FG Köln

Wir halten die Entscheidung des FG Köln für richtig. Das Gericht hat zu Recht entschieden, dass sich das Finanzamt nicht über den ursprünglichen Willen des Gesetzgebers hinwegsetzen darf, indem es eine Norm strenger anwendet, als es tatsächlich vom Gesetzgeber gewollt war.

Freistellungsbescheide sollten überprüft werden

Von dieser Entscheidung können nicht nur Musikvereine, sondern auch alle anderen NPOs profitieren, deren Aktivitäten nicht ausschließlich der Freizeitgestaltung ihrer Mitglieder dienen. Der Fall zeigt zudem, dass sich NPOs nicht blind auf ihre bisherigen Freistellungsbescheide verlassen dürfen. Denn nach jeder Steuererklärung droht die Gefahr, dass das Finanzamt seine bisherige Auffassung – wie hier – zum Nachteil der NPO ändert. Zum anderen zeigt der Fall auch, dass NPOs Änderungen in ihrer bisherigen steuerlichen Behandlung nicht einfach hinnehmen sollten und sich – notfalls auch vor Gericht – erfolgreich dagegen wehren können. Zwar hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen (Az. X R 7/21). Allerdings darf auch der BFH den klaren gesetzgeberischen Willen nicht ignorieren, sodass der BFH mit hoher Wahrscheinlichkeit das Urteil des FG Köln bestätigen wird.

FG Köln, Urteil v. 25.02.2021 – 10 K 1622/18

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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