Die Arbeit des Vorstands einer großen NPO ist anspruchsvoll und vielen Haftungsfallen ausgesetzt. Das Steuer- und Sozialversicherungsrecht sind da keine Ausnahme. Je nach Ausgestaltung der Vorstandstätigkeit ist die Vergütung einkommensteuer- und/oder umsatzsteuerpflichtig und die Tätigkeit als solche sozialversicherungspflichtig. Zwar gibt es zwischen dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht viele Überschneidungen. Wenig hilfreich ist jedoch, dass sich die Finanz- und Sozialgerichte in der Praxis auf keine einheitliche Linie einigen können und häufig Entscheidungen treffen, die sich widersprechen. Worauf NPO-Vorstände daher achten sollten, welche Sanktionen ihnen drohen und welche präventiven Maßnahmen sie ergreifen können, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.
Vergütung eines NPO-Vorstands ist einkommensteuerpflichtig
Die Vergütung eines NPO-Vorstands ist normalerweise einkommensteuerpflichtig, entweder als Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (§ 19 EStG). Zwischen diesen beiden Einkunftsarten bestehen hauptsächlich Unterschiede in Bezug auf die Erhebungsform der Einkommensteuer. Während Selbstständige jährlich eine Steuererklärung für ihre Besteuerung abgeben müssen (sog. Veranlagung), werden Nichtselbstständige im Rahmen des Lohnsteuerabzugs besteuert. Auf die finale Einkommenssteuerschuld hat die Unterscheidung in selbstständig oder nichtselbstständig jedoch keine Auswirkung.
Wann unterliegt die Vergütung der Umsatzsteuer?
Im Umsatzsteuerrecht ist die Unterscheidung zwischen selbstständiger oder nichtselbstständiger Vorstandstätigkeit jedoch wichtig. Das Kriterium der Selbstständigkeit entscheidet mit darüber, ob die Vorstände aus umsatzsteuerlicher Sicht Unternehmer sind und ihre Vergütungen damit umsatzsteuerpflichtig sind. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das Kriterium der Selbstständigkeit näher konkretisiert: Eine Selbstständigkeit liege vor allem dann vor, wenn die betreffende Person ein wirtschaftliches Risiko trage.
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Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn die Person eine Festvergütung erhält, da es in diesem Fall an einem Vergütungs- und damit wirtschaftlichen Risiko fehle. Die Folge: Die Umsatzsteuerpflicht von Vorstandsvergütungen kann durch die Vereinbarung von Festvergütungen ohne jegliche variable Vergütungsbestandteile vermieden werden. Zwar ist die Entscheidung des EuGHs zu einem Aufsichtsrat ergangen. Das Finanzgericht (FG) Hamburg hält jedoch in seiner Entscheidung vom 08.09.2020 die Übertragung dieser Grundsätze auch auf NPO-Vorstände für möglich.
Gibt es umsatzsteuerliche Erleichterungen?
Gemäß § 4 Nr. 26 Buchstabe b Umsatzsteuergesetz (UStG) ist die Vergütung von der Umsatzsteuer befreit, wenn diese lediglich in einem Auslagenersatz und einer angemessenen Entschädigung für Zeitversäumnis besteht. Für die Finanzbehörden ist eine Entschädigung angemessen, wenn die jährliche Vergütung nicht höher als 17.500 Euro und der umgerechnete Stundenlohn nicht mehr als 50 Euro beträgt. Alternativ können die Vorstände die sog. Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG nutzen. Nach dieser Regelung wird keine Umsatzsteuer erhoben, wenn die Vergütung im Vorjahr weniger als 22.000 Euro betragen hat und im laufenden Jahr nicht mehr als 50.000 Euro betragen wird.
Welche steuerlichen Haftungsrisiken drohen?
Im Rahmen von Betriebsprüfungen kann es vorkommen, dass das Finanzamt feststellt, dass die bisherige Besteuerung der Vorstandsvergütung fehlerhaft war. Das kann unterschiedliche Folgen haben:
- Lohnsteuerhaftung: Wurde der Vorstand bisher einkommensteuerlich als Selbstständiger behandelt und stellt das Finanzamt fest, dass der Vorstand stattdessen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit bezogen hat, drohen hohe Lohnsteuernachzahlungen. Hierfür haften die NPO und der Vorstand gesamtschuldnerisch. Unsere Erfahrung aus der Praxis zeigt allerdings, dass sich die Finanzämter häufig zuerst an die Arbeitgeber, in diesem Fall also die NPO, zur Begleichung der Lohnsteuerschuld wenden. Da es sich bei der Lohnsteuer jedoch nur um eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer handelt, können die NPO und der Vorstand sich die bereits gezahlte Einkommensteuer des Vorstands auf den Nachzahlungsbetrag anrechnen lassen. Wie hoch die Differenz zwischen dem Nachzahlungsbetrag und der bereits gezahlten Einkommensteuer des Vorstands ausfällt, ist einzelfallabhängig und wird insbesondere von den einkommensteuerlichen Umständen des Vorstands beeinflusst.
- Umsatzsteuer: Sollte das Finanzamt feststellen, dass der Vorstand nicht als Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne gilt, drohen hohe Umsatzsteuernachzahlungen. Denn im Regelfall hat der Vorstand Vorsteuerabzüge geltend gemacht, etwa für seine Bürokosten oder seine IT-Ausstattung, die im Nachhinein unberechtigt gewesen sind. Im umgekehrten Fall, also wenn das Finanzamt feststellt, dass die Vergütungen des Vorstands der Umsatzsteuer unterfallen, sind ebenfalls hohe Steuernachzahlungen zu befürchten. Allerdings kann der Vorstand in diesem Fall Vorsteuerabzüge geltend machen und somit seine eigene Umsatzsteuerlast verringern. Für die NPOs ist die Unternehmereigenschaft des Vorstands jedoch finanziell nachteilig. Denn die Tätigkeit als Vorstand gehört zum ideellen Bereich einer NPO, der jedoch von der Umsatzsteuer befreit ist. Die NPOs können somit selbst keinen Vorsteuerabzug aus der Vergütung geltend machen, sodass die von der NPO gezahlte Umsatzsteuer final ist und somit einen echten Kostenfaktor darstellt.
Wann ist die Tätigkeit sozialversicherungspflichtig?
Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) besteht eine Sozialversicherungspflicht, also die Pflicht zur Entrichtung von Beiträgen zur Renten-, Kranken-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung, wenn die Tätigkeit des NPO-Vorstands, mit Ausnahme des Vorstands einer gAG, eine Beschäftigung darstellt. Eine Beschäftigung ist eine nichtselbstständige Tätigkeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Organisation des Weisungsgebers.
Es kommt nicht darauf an, was die NPO und der Vorstand konkret vertraglich vereinbart haben, sondern ob die Vorstandstätigkeit aus objektiver Sicht eine Beschäftigung darstellt. Hierfür ist eine umfassende Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen.
Verhältnis von Repräsentations- zu Verwaltungsaufgaben entscheidend
Da es sich bei Vorständen um Organe der NPO handelt, haben die Sozialgerichte mehrere Kriterien aufgestellt, die eine Einordnung der Tätigkeit erleichtern sollen. Demnach kommt es maßgeblich darauf an, ob der Vorstand mehrheitlich Repräsentationsaufgaben nach außen (Öffentlichkeitsarbeit) oder innen (Teilnahme an Sitzungen) oder mehrheitlich verwaltende bzw. operative Aufgaben übernimmt. Übernimmt der Vorstand mehrheitlich repräsentative Aufgaben, ist seine Tätigkeit nicht sozialversicherungspflichtig, da er hiermit lediglich seine mitgliedschaftlichen Pflichten erfüllt und damit auch weisungsfrei handelt. Dagegen ist seine Tätigkeit sozialversicherungspflichtig, wenn die administrativen und operativen Tätigkeiten des Vorstands überwiegen, da diese Tätigkeiten eher der Tätigkeit eines angestellten Geschäftsführers ähneln und eher für eine Eingliederung in die Organisation der NPO sprechen.
Vergütungsrisiko kann wichtiges Kriterium sein
Die konkrete Einordnung der Tätigkeit ist jedoch stets vom Einzelfall abhängig und es können weitere Kriterien hinzugezogen werden. So hält etwa das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 21.01.2020 auch das Vergütungsrisiko für einen wichtigen Indikator. Liegt ein hohes Vergütungsrisiko vor, sei eher von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, während ein geringes Vergütungsrisiko eher für eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung spreche. Ein hohes Vergütungsrisiko liegt beispielsweise vor, wenn die Vergütung des Vorstands von seiner Teilnahme an Sitzungen abhängt. Ein geringes Vergütungsrisiko liegt dagegen vor, wenn er eine Festvergütung erhält, die unabhängig von seiner Teilnahme an Sitzungen gezahlt wird.
Ausnahmen von der Einkommensteuer- und Sozialversicherungspflicht
Beträgt die Vergütung für NPO-Vorstände jährlich nicht mehr als 720 Euro (sog. Ehrenamtspauschale) bzw. 2.400 Euro (sog. Übungsleiterpauschale), ist die Vergütung gemäß § 3 Nr. 26 und 26a Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei und die Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 16 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sozialversicherungsfrei. Zu beachten ist, dass die Übungsleiterpauschale nicht für rein repräsentative Tätigkeiten gewährt wird.
Welche Haftungsrisiken drohen bei der Sozialversicherung?
Nicht nur im Steuerrecht, sondern auch im Sozialversicherungsrecht führen die zuständigen Behörden Betriebsprüfungen durch. Stellt der Prüfer fest, dass die Tätigkeit des Vorstands sozialversicherungspflichtig ist, jedoch in der Vergangenheit keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden, ist mit hohen Nachzahlungen und ggf. sogar mit strafrechtlichen Ermittlungen zu rechnen:
- Nachzahlungen: Neben den Sozialversicherungsbeiträgen, die bis zu vier Jahre rückwirkend eingefordert werden können, setzen die Behörden zusätzlich noch Säumniszuschläge fest, die effektiv mit 12% p.a. verzinst werden. Eine fehlerhafte sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Vorstandstätigkeit ist daher mit erheblichen finanziellen Folgen für die NPO verbunden.
- Strafrechtliche Ermittlungen: NPOs, die bisher keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt haben, obwohl eine Pflicht dazu bestand, erfüllen zumindest den objektiven Straftatbestand des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gem. § 266a Strafgesetzbuch (StGB). Falls diesbezüglich Ermittlungen von der Staatsanwaltschaft eingeleitet werden, erfolgen diese gegen die Verantwortlichen der NPO, also oft gegen den Vorstand selbst.
- Kein Vertrauensschutz: Auch wenn in früheren Betriebsprüfungen die bisherige sozialversicherungsrechtliche Einordnung der Vorstandstätigkeit nicht beanstandet wurde, besteht dennoch ein hohes Haftungsrisiko, da es diesbezüglich keinen Vertrauensschutz gibt. Bei der nächsten Betriebsprüfung können die Behörden daher ihre bisherige Auffassung jederzeit ändern.
Wie können NPOs und ihre Vorstände Haftungsrisiken vermeiden?
Um die zahlreichen steuerlichen Haftungsrisiken zu vermeiden, sollte eine verbindliche Auskunft beim zuständigen Finanzamt beantragt werden. Im Sozialversicherungsrecht bietet sich die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens an. Die Behörden stellen im Rahmen der verbindlichen Auskunft bzw. des Statusfeststellungsverfahrens fest, ob aus ihrer Sicht die Vergütung steuer- bzw. die Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist. An ihre Einschätzung sind die Behörden rechtlich gebunden, sodass diese Verfahren Rechtssicherheit schaffen können. Beide Verfahren stehen jedoch nicht mehr zur Verfügung, wenn der entsprechende Sachverhalt bereits verwirklicht worden ist. Die Beantragung einer verbindlichen Auskunft sowie die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahren sind daher nur vor der Aufnahme einer Vorstandstätigkeit oder vor der Änderung der Vergütungsordnung der NPO möglich.
Widersprüchliche Rechtsprechung
Obwohl sich das Steuer- und Sozialversicherungsrecht ähneln, kommt es in der Praxis häufig zu widersprüchlichen Gerichtsentscheidungen, in denen etwa für denselben Fall aus Sicht der Bundefinanzhofs (BFH) eine selbstständige Tätigkeit und damit eine umsatzsteuerbare Vergütung vorliegt, aus Sicht des Bundessozialgerichts (BSG) jedoch eine unselbstständige und damit sozialversicherungspflichtige Tätigkeit.
Die Bundesgerichte zeigen sich dabei wenig kooperativ: Obwohl sie widersprüchliche Entscheidungen treffen, rufen sie nicht den gemeinsamen Senat der obersten Bundesgerichte an, der in solchen Fällen zuständig wäre und für eine einheitliche Rechtsprechung sorgen könnte. Zu begrüßen ist jedoch, dass sich zumindest die Gerichte der unteren Instanzen in ihren jüngeren Entscheidungen angenähert haben. Hier ist insbesondere das Kriterium des Vergütungsrisikos zu nennen, das bisher vom FG Hamburg und vom LSG Baden-Württemberg einheitlich angewendet wurde.
Der Beitrag zeigt, dass sich die Frage, wann die Vergütung von NPO-Vorständen steuer- und ihre Tätigkeit sozialversicherungspflichtig ist, nicht pauschal beantworten lässt. Hilfe von den Gerichten können die NPOs und ihre Vorstände nicht erwarten: Anstatt für Rechtssicherheit zu sorgen, tragen sie durch ihre uneinheitliche Rechtsprechung zur komplizierten Rechtslage bei.
Steuer- und Sozialversicherungspflicht prüfen
Um sich vor hohen Haftungsrisiken zu schützen, sollten sich NPOs und ihre Vorstände daher an einen Experten für Steuer- und Sozialversicherungsrecht wenden. Dieser kann überprüfen, ob die geplante steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Behandlung des Vorstands rechtskonform erfolgt und bei Fehlern geeignete Gegenmaßnahmen ergreifen, bevor die nächste Betriebsprüfung ansteht. Ebenfalls kann er bei der Beantragung einer verbindlichen Auskunft und der Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens unterstützen, um Haftungsrisiken präventiv zu vermeiden.
LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 21.01.2020 – L 11 BA 1596/19
FG Hamburg, Urteil v. 08.09.2020 – 6 K 131/18
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