Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit einem Urteil vom 18.10.2023 entschieden, dass sog. Schutzgebühren aus der Vermittlung von herrenlosen Tieren durch gemeinnützige Vereine dem ermäßigten Umsatzsteuersatz für Zweckbetriebe nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG unterliegen.
Verein versteuert Schutzgebühren als Umsätze aus Zweckbetrieb mit ermäßigtem Steuersatz
Ein Verein vermittelte in den Streitjahren Tiere aus dem EU-Ausland nach Deutschland. Die inländischen Interessenten zahlten dafür abhängig von Tierart, Rasse, Alter und Gesundheitszustand eine Schutzgebühr in Höhe von rund 300 Euro. In Summe kamen in den beiden streitgegenständlichen Jahren auf diese Weise Schutzgebühren von 39.701 Euro sowie 45.600 Euro zustande. Der Verein versteuerte sie als Umsätze aus einem Zweckbetrieb mit dem ermäßigten Steuersatz.
Das Finanzamt vertrat im Rahmen einer Außenprüfung die Auffassung, dass die Umsätze aufgrund des Wettbewerbs zu gewerblichen Tierhändlern im Rahmen des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs angefallen und daher dem regulären Steuersatz von 19% zu unterwerfen seien. Hiergegen klagte der Verein vor dem Finanzgericht (FG) Nürnberg, welches diesem auch Recht gab. Das Finanzamt legte gegen dieses Urteil Revision zum BFH ein.
Voraussetzungen eines Zweckbetriebs gem. § 65 AO
Ein Zweckbetrieb gem. § 65 AO ist gegeben, wenn die folgenden drei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Er dient in seiner Gesamtrichtung dazu, die steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke der Körperschaft zu verwirklichen (§ 65 Nr. 1 AO).
- Die Zwecke können nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb erreicht werden (§ 65 Nr. 2 AO).
- Der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb tritt zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art nicht in größerem Umfang in Wettbewerb, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist (§ 65 Nr. 3 AO).
BFH: Verein betreibt steuerbegünstigten Zweckbetrieb
Der BFH gab dem Verein Recht und bestätigte damit das Urteil des FG Nürnberg. Zwar unterhalte der Verein einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb i.S.d. § 14 AO, dieser sei jedoch als Zweckbetrieb i.S.d. § 65 AO ausgestaltet. Die Vermittlung herrenloser Tiere habe der Verwirklichung des in der Vereinssatzung genannten Zwecks i.S.d. § 65 Nr. 1 AO gedient, in Not geratene Tiere in gute Hände zu vermitteln sowie Hilfestellung bei der Vermittlung von ausländischen Tieren ins Inland zu geben.
Die Erreichung dieser Zwecke sei weiterhin nur durch einen solchen Geschäftsbetrieb möglich gewesen (vgl. § 65 Nr. 2 AO). Aus Sicht des BFH war die Vereinnahmung von „Schutzgebühren“ hierbei unerlässlich, um sicherzustellen, die in Not geratenen Tiere „in gute Hände“ zu vermitteln. Einerseits sei durch die Vereinnahmung von Schutzgebühren der Kostenbeitrag für die entstandenen Ausgaben des Klägers gewährleistet worden, um die herrenlosen Tiere für eine inländische Vermittlung bereitzuhalten. Andererseits diente sie auch dazu, im Sinne des Tierwohls ein Minimum an Verlässlichkeit und Ernsthaftigkeit des Erwerbers bei der Vermittlung des jeweiligen Tiers zu gewährleisten.
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Auch sei der Verein mit seinem Geschäftsbetrieb nicht zu steuerpflichtigen Betrieben derselben oder ähnlicher Art in größerem Umfang i.S.d. § 65 Nr. 3 AO in Wettbewerb getreten, als es bei Erfüllung der steuerbegünstigten Zwecke unvermeidbar ist. Ein Wettbewerb zu gewerblichen Tierhändlern sei im gegebenen Fall nicht denkbar, da der Verein regelmäßig Hunde vermittele, die bisher nicht von kommerziellen Züchtern oder Haltern angeboten werden. Das Finanzamt verkenne entsprechend, dass herkömmliche Tierhändler nicht mit herrenlosen Tieren ohne verlässliche Herkunft und Zuchtlinie handeln würden. Vielmehr handelten solche Tierhändler insbesondere mit (reinrassigen) Jungtieren, deren artgerechte Aufzucht lückenlos nachverfolgt werden könne.
Aus diesen Gründen seien die vereinnahmten Entgelte in Gestalt der Schutzgebühren aufgrund der Leistungen innerhalb eines Zweckbetriebs gem. § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7% zu unterwerfen. Der BFH stellte hierzu klar, dass sich die Anwendung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG auf alle Zweckbetriebe i.S.d. §§ 65–68 AO erstrecke.
Neuerung des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG
Im gegebenen Fall prüfte das Gericht – entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung – die Wettbewerbsklausel innerhalb des § 65 Abs. 3 AO und nicht noch zusätzlich im Rahmen des § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a UStG. Damit wurde einer Regelung des am 22.03.2024 im Bundesrat beschlossenen und am 27.03.2024 im Bundesgesetzblatt verkündeten Wachstumschancengesetzes vorgegriffen, wonach § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG, und damit verbunden eine umsatzsteuerliche Wettbewerbsprüfung für Zweckbetriebe, künftig nur noch für besondere Zweckbetriebe nach den §§ 66–68 AO gilt. Bei Leistungen von Zweckbetrieben nach § 65 AO findet künftig hingegen keine umsatzsteuerrechtliche Prüfung der Wettbewerbsrelevanz dieser Leistungen statt. Denn bei Zweckbetrieben i.S.v. § 65 AO wird dem Wettbewerbsgedanken bereits durch die Definition des Zweckbetriebs in § 65 AO hinreichend Rechnung getragen. Diese Regelung gilt seit dem 28.03.2024.
BFH, Beschluss v. 18.10.2023, XI R 4/20
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