Im Rahmen von Leiharbeitsverhältnissen, bei denen Leiharbeitnehmer für eine gewisse Dauer an Entleiher zur Erbringung von Arbeitsleistung überlassen und in deren Betrieb weisungsgebunden eingesetzt werden, stellt der sog. „Equal Pay“-Grundsatz eine der wichtigsten Voraussetzungen dar. Dieser besagt, dass Leiharbeitnehmern ein Anspruch auf Vergütung in gleicher Höhe wie die der vergleichbaren Stammbelegschaft des Entleihers zusteht.
Dennoch werden Leiharbeitnehmer tariflich in der Regel schlechter bezahlt als die fest angestellten Arbeitnehmer des Entleihers. Nun hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 31.05.2023 (Aktenzeichen: 5 AZR 143/19) bestätigt, dass eine geringere Bezahlung von tarifvertraglich beschäftigten Leiharbeitnehmer zulässig ist. Mit dieser Entscheidung hat sich das BAG nun der Sichtweise des EuGH (Urteil vom 15.12.2022, C-311/21) angeschlossen.
BAG: Kein Anspruch auf Zahlung der Differenz zu Vergütung der Stammbelegschaft
Dem BAG lag folgender Sachverhalt vor: die Klägerin war bei der Beklagten, einer Zeitarbeitsfirma, als Leiharbeitnehmerin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Tarifvertrag über Zeitarbeit der iGZ und ver.di anwendbar.
Im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses wurde die Klägerin von Januar bis April 2017 für ein Einzelhandelsunternehmen als Kommissioniererin zu einem Stundensatz von 9,23 Euro/Stunde eingesetzt. Vergleichbare Arbeitnehmer, welche direkt bei dem Entleiher beschäftigt waren, erhielten dagegen einen Lohn von 13,64 Euro/Stunde.
Daher erhob die Klägerin gegen ihre Arbeitgeberin (die Verleiherin) Klage vor dem Arbeitsgericht, welche auf die Auszahlung der Differenz zu der höheren Vergütung der Stammbelegschaft gerichtet war. Die Klägerin stützte sich hierbei auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG).
Nachdem die Klage in den Vorinstanzen ohne Erfolg blieb, wies das BAG nun auch die Revision der Klägerin als unbegründet zurück. Zuvor hatte das BAG die Frage, ob der Tarifvertrag insoweit gegen die europarechtlichen Vorgaben der Leiharbeits-Richtlinie verstößt, dem EuGH vorgelegt. Dieses hatte bestätigt, dass eine tarifvertragliche Ungleichbehandlung unter bestimmten Voraussetzungen europarechtlich zulässig ist.
Schlechterstellung im Gehalt im Gegenzug für andere Ausgleichsvorteile
Nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz müssen die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Arbeitnehmers mindestens denen entsprechen, welche für die im Betrieb des Entleihers fest beschäftigten und vergleichbaren Arbeitnehmer gelten. Der Gesetzgeber will Leiharbeitnehmer damit vor Ungleichbehandlung schützen.
Eine Zeitarbeitsfirma muss dem Leiharbeitnehmer allerdings nur das tariflich geschuldete Gehalt zahlen, welches auch geringer sein kann als das Gehalt der Stammbelegschaft bei dem Entleiher. Dass hierdurch eine schlechtere Behandlung von Leiharbeitnehmern ermöglicht wird, widerspricht auch nicht den europarechtlichen Vorgaben, solange hierbei „[…] der Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer“ beachtet wird, so das BAG in Anlehnung an den EuGH.
Deswegen könnten Tarifverträge Ungleichbehandlungen im Hinblick auf einzelne Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen vornehmen. Ein Gesamtschutz könne dennoch gewährleistet sein, wenn der Tarifvertrag zudem andere Ausgleichsvorteile vorsieht, wie etwa die Fortzahlung der Vergütung in verleihfreien Zeiten. Denn diese gewähre einen Vorteil, der die Ungleichbehandlung an anderer Stelle wieder ausgleicht – unabhängig davon, ob es sich um befristet oder unbefristet beschäftigte Leiharbeitnehmer handelt.
Vergütung muss Lohnuntergrenzen einhalten
Außerdem ist tarifvertraglich sichergestellt, dass die Vergütung von Leiharbeitnehmern die gesetzlichen Schutzvorschriften beachtet. Dazu gehört, dass die Vergütung etwa Regelungen über den Mindestlohn sowie weitere Lohnuntergrenzen einhält.
Eine weitere gesetzliche Vorgabe, die speziell den Schutz von Leiharbeitnehmern wahren soll, ist einerseits, dass die Zeitarbeitsfirma in Deutschland das Betriebsrisiko für verleihfreie Zeiten ohne Ausweichmöglichkeit zu tragen hat. Andererseits ist die Möglichkeit einer schlechteren Vergütung – in Abweichung vom Gleichbehandlungsgrundsatz – grundsätzlich auf neun Monate zeitlich beschränkt.
WINHELLER berät zu Arbeitnehmerüberlassung und Vergütung von Leiharbeitnehmern
Sowohl Unternehmen, die bereits gewerbliche Arbeitnehmerüberlassung betreiben oder betreiben wollen, als auch solche, die als Entleiher Leiharbeiter beschäftigen, müssen neben dem Gleichbehandlungsgrundsatz zahlreiche weitere formelle und rechtliche Anforderungen beachten. In diesem Bereich können Fehler schnell zu wirtschaftlichen Nachteilen führen. Denn hier besteht ein erhöhtes Risiko von Busgeldern, Schadensersatzansprüchen sowie der ungewollten Begründung von Arbeitsverhältnissen mit dem Entleiher.
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