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Kleinanlegerschutzgesetz: Weitreichende Ausnahmen für Crowdfunding und gemeinnützige Körperschaften

Der Bundestag hat am 23. April 2015 das Kleinanlegerschutzgesetz beschlossen. Das Gesetzespaket bringt eine Reihe von Änderungen verschiedener Gesetze mit sich, die nach Aussage der Bundesregierung die Transparenz von Finanzierungsprodukten erhöhen sollen. Reguliert wird auch das Crowdfunding. Außerdem enthält das Gesetz diverse Erleichterungen für Dritte-Sektor-Organisationen. Sofern der Bundesrat nicht Einspruch gegen das Gesetz einlegt, dürfte es größtenteils Mitte des Jahres 2015 in Kraft treten.

Änderungen am Vermögensanlagengesetz

Das Gesetz bringt vor allem Änderungen des Vermögensanlagengesetzes (VermAnlG) mit sich, das künftig insbesondere auch die für das Crowdfunding wichtigen Finanzierungsformen des partiarischen Darlehens und des Nachrangdarlehens reguliert. Im Vergleich zum ursprünglichen Gesetzesentwurf hat die nun beschlossene Gesetzesfassung allerdings noch diverse Änderungen erfahren. Der Gesetzgeber kommt damit vor allem den Forderungen von Unternehmensgründern entgegen, die befürchtet hatten, dass die ursprünglich vorgesehenen Regelungen Gründungen übermäßig erschwert hätten, weil sie die Kapitalbeschaffung zu stark einschränkten.

Waren im Gesetzesentwurf z.B. noch umfassende Werbebeschränkungen für Crowdfunding-Projekte im öffentlichen Raum und im Internet vorgesehen, entfällt dieses Verbot im verabschiedeten Gesetz weitgehend. Der Anbieter der Anlagen hat aber nach wie vor dafür zu sorgen, dass in der Werbung für öffentlich angebotene Vermögensanlagen ein vom Gesetz vorgegebener Warnhinweis steht, der über die Risiken des Investments aufklärt.

Crowdfunding-Anlagen von über 2,5 Millionen Euro erfordern Prospekt

Im Vergleich zum Gesetzesentwurf wurde außerdem die Grenze angehoben, ab der Anbieter von Crowdfunding-Anlagen einen Prospekt erstellen müssen, der über die Vor- und Nachteile des Investments informiert: Gemäß dem neuen § 2a VermAnlG beträgt die Grenze nunmehr 2,5 Millionen Euro statt zuvor noch 1 Million Euro (zusätzlich sind allerdings weiterhin gewisse Höchstgrenzen für die Einzelanlagen der Anleger zu beachten). Werden die vorgenannten Grenzen eingehalten, ist ferner eine Abschlussprüfung des Jahresabschlusses des Emittenten entbehrlich; eines Lageberichtes bedarf es dann ebenfalls nicht.

Verzicht auf Abschlussprüfung des Jahresabschlusses nur wenn keine Provisionen fließen

Für den dritten Sektor besonders interessant sind die neuen Vorschriften der §§ 2b und 2c VermAnlG: § 2b VermAnlG betrifft soziale Projekte, d.h. Emittenten, die sich in ihrer Satzung einer „sozialen Zielsetzung“ verpflichten – was das genau bedeuten soll, bleibt allerdings unklar. Der Begriff muss jedenfalls weiter zu verstehen sein als der der gemeinnützigen Zweckverfolgung, da für letztere der neue § 2c VermAnlG einschlägig ist, der ausdrücklich gemeinnützige Projekte von Körperschaften im Sinne des § 52 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) und Vermögensanlagen von Religionsgemeinschaften regelt. Sowohl für § 2b als auch für § 2c VermAnlG gilt jedenfalls: Die Befreiung von der Prospektpflicht und von der Pflicht zur Abschlussprüfung des Jahresabschlusses sowie die Entbehrlichkeit des Lageberichts greifen nur, wenn für den Vertrieb der Anlagen keine Provisionen fließen, die Emission einen Betrag von 2,5 Millionen Euro nicht übersteigt und der versprochene Zinssatz nicht über der marktüblichen Rendite von Hypothekenpfandbriefen gleicher Laufzeit liegt. Gemeinnützige Projekte und Religionsgemeinschaften sind dann übrigens noch weitergehend von den Regelungen des VermAnlG befreit als sonstige Crowdfunding- oder soziale Projekte: Sie müssen z.B. nicht einmal das sog. Vermögensanlagen-Informationsblatt erstellen, das dem Anleger in möglichst wenigen und klaren Worten die Vermögensanlage und deren Risiken näherbringen soll. Darüber hinaus sind sie bei kleinen Emissionen von bis zu 250.000 Euro auch von den besonderen Rechnungslegungspflichten des VermAnlG befreit.

Der neu gefasste § 2 VermAnlG befreit schließlich Genossenschaftsanteile und gewisse Vermögensanlagen, die von Genossenschaften emittiert und ausschließlich den Mitgliedern angeboten werden, sehr umfassend von den Vorgaben des VermAnlG, sofern für den Vertrieb der Anlagen keine Provisionen gezahlt werden.

Unklarheiten über Regelung zur „sozialen Zielsetzung“

Unglücklich ist, dass das Gesetz den Begriff der „sozialen Zielsetzung“ einführt, aber unklar bleibt, was genau darunter zu verstehen ist. Ebenfalls wenig überzeugend ist, dass gemäß § 2c VermAnlG n.F. die Befreiungen von den Vorgaben des VermAnlG nur für gemeinnützige Körperschaften im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 AO gelten sollen. Denn: Was ist mit denjenigen gemeinnützigen Körperschaften, die über die Öffnungsklausel des § 52 Abs. 2 Satz 2 AO Eingang in die Gemeinnützigkeit gefunden haben oder finden? Und warum müssen sich steuerbegünstigte Körperschaften, die mildtätige Zwecke im Sinne des § 53 AO verfolgen – also geradezu im Kern gemeinnützig sind –, nun offenbar auf die Regelung des § 2b VermAnlG („soziale Zielsetzung“) stützen statt auf die umfassendere Befreiungsvorschrift des § 2c VermAnlG („gemeinnützige Projekte“)?

Gemeinnützige Körperschaften werden von Bürokratieaufwand befreit

Ansonsten gilt es zu konstatieren, dass die Befreiungen im VermAnlG gemeinnützige Körperschaften von erheblichem bürokratischem Aufwand in Bezug auf ihre Crowdfunding-Projekte entlasten, dass aber trotzdem Vorsicht geboten ist. Denn je nach Projekt sind ggf. sonstige bankaufsichtsrechtliche Vorgaben zu beachten. Fehler in Bezug auf diese Vorgaben können schnell gravierende Folgen wie die Strafbarkeit der Verantwortlichen und/oder den Entzug der Gemeinnützigkeit auslösen.

Bundestags-Drucksache 18/4708 vom 22.04.2015

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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