Der Bundesgerichtshof hat sich in einem Urteil vom 09.01.2024 zum Rechtsschein der Eintragung eines abberufenen GmbH-Geschäftsführers geäußert. Hierbei ging es insbesondere um die Frage, wann positive Kenntnis eines Dritten i.S.d. § 15 Abs. 1 HGB anzunehmen ist und welche Umstände dem entgegenstehen können. Dies kann ebenso gemeinnützige GmbHs betreffen.
Abberufener Geschäftsführer vertritt GmbH bei Grundstücksgeschäft
Im zugrunde liegenden Fall ging es darum, dass der Geschäftsführer einer GmbH auf einer Gesellschafterversammlung gegen die Stimmen der Minderheitsgesellschafterin aus wichtigem Grund abberufen wurde. Die Minderheitsgesellschafterin hielt diesen Beschluss aufgrund von Einberufungsmängeln für fehlerhaft. Zwei Tage nach der Abberufung des Geschäftsführers verkaufte die GmbH mehrere Grundstücke, wobei sie von dem zuvor abberufenen Geschäftsführer vertreten wurde. Zugunsten der Erwerberin wurde eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen. Daraufhin klagte die GmbH auf Löschung dieser Auflassungsvormerkung vor dem Landgericht Berlin. Die Klage wurde jedoch abgewiesen, woraufhin die GmbH Revision zum BGH einlegte.
Publizität des Handelsregisters: Kenntnis als Ausschlussgrund
§ 15 HGB normiert die Publizität des Handelsregisters. So heißt es in der Vertrauensschutznorm des § 15 Abs. 1 HGB: Solange eine in das Handelsregister einzutragende Tatsache nicht eingetragen und bekannt gemacht ist, kann sie von demjenigen, in dessen Angelegenheiten sie einzutragen war, einem Dritten nicht entgegengesetzt werden, es sei denn, sie war diesem bekannt.
Dem Dritten, der auf die im Handelsregister eingetragenen Tatsachen vertraut, schadet somit ausschließlich positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung. Bloßes Kennenmüssen oder grob fahrlässige Unkenntnis sind somit unschädlich. Bedient sich der Dritte Hilfspersonen, so schadet auch deren positive Kenntnis, da dem Dritten diese Kenntnis der Hilfspersonen über § 166 BGB zugerechnet wird. Dagegen ist die Mitteilung von Personen, die ihre Kenntnisse nur vom Hörensagen beziehen, nicht ausreichend, da sich ein Dritter auf die Richtigkeit solcher Angaben nicht verlassen kann.
Nicht ausreichend ist weiterhin die Kenntnis von Tatsachen, aus denen sich ein Schluss auf eine einzutragende Tatsache ziehen ließe. Eine Ausnahme davon besteht lediglich dann, wenn aus den bekannten Tatsachen zwingend die einzutragende und bekannt zu machende Tatsache folgt und jeder automatisch diesen Schluss ziehen wird. In diesem Fall ist die Kenntnis solcher Tatsachen wiederum erheblich i.S.d. § 15 Abs. HGB.
Kenntnis schon dann zu verneinen, wenn sich Geschäftsführer gegen Abberufung wehrt
Laut BGH kommt es dabei nicht darauf an, ob im Zeitpunkt der Beurkundung der Willenserklärung eines in Wahrheit abberufenen, jedoch weiterhin im Handelsregister eingetragenen Geschäftsführers bereits eine noch mögliche Beschlussmängelklage gegen einen umstrittenen Abberufungsbeschluss anhängig war oder, wie hier, eine solche erst später erhoben wurde. Maßgeblich ist, ob die durch den Dritten erlangte Kenntnis im konkreten Fall geeignet ist, positive Kenntnis über die Unrichtigkeit der Eintragung zu vermitteln.
Nach Ansicht des BGH war dies im vorliegenden Fall zu verneinen, da Zweifel, welche die Kenntnis der Abberufung ausschließen, schon dann vorliegen können, wenn sich der betroffene Geschäftsführer gerichtlich gegen seine Abberufung wehrt. Ebenso könnten derartige Zweifel vorliegen, wenn der abberufene Geschäftsführer mitteilt, sich zur Wehr setzen zu wollen (unabhängig davon, ob er dies später tatsächlich tut).
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Auch die Kenntnis des Dritten von Meinungsverschiedenheiten zwischen den Gesellschaftern über die Abberufung des Geschäftsführers könne bereits die Aussagekraft der erlangten Information über den Abberufungsbeschluss entwerten, da diese typischerweise und auch im gegebenen Fall eine Beschlussmängelklage nach sich zögen. Folglich sei die erlangte Information für sich genommen nicht als zwingend für die Annahme der Bösgläubigkeit des Dritten anzusehen. Im gegebenen Fall könne es daher nicht entscheidend auf das Vertrauen in einen schwebenden Prozess ankommen, da zwischen der fraglichen Beschlussfassung über die Abberufung des Geschäftsführers und der Beurkundung nur zwei Tage lagen.
Dieses Zeitmoment begründe keine Nachforschungsobliegenheit des Dritten, da diese grundsätzlich nicht mit § 15 Abs. 1 HGB vereinbar sei. Grund dafür ist wiederum, dass § 15 Abs. 1 HGB positive Kenntnis des Dritten fordert und keine grobe Fahrlässigkeit genügen lässt.
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BGH, Urteil v. 09.01.2024, II ZR 220/22
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