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Coronavirus: Voraussetzungen für Kurzarbeit, Freistellung und Überstunden

Mrz 19, 20 • ArbeitsrechtKeine Kommentare

Voraussetzung KurzarbeitDurch die steigende Zahl von Covid19-Erkrankungen und den immer weiterreichenden Maßnahmen der Behörden (Schließung von Schulen, Bars, Gaststätten und Hotels) stellen sich zahlreiche Fragen für Arbeitgeber, wie sie mit dieser Krise umgehen sollen.

Wann dürfen Mitarbeiter nach Hause geschickt werden?

Grundsätzlich haben Arbeitnehmer aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht einen Anspruch gegen den Arbeitgeber, arbeiten zu dürfen. Der Arbeitgeber hat grundsätzlich nicht das Recht, seine Arbeitnehmer (unter Lohnfortzahlung) von der Arbeitsleistung freizustellen.

Im Zuge der Coronapandemie stellt sich daher die Frage, wann Arbeitnehmer, bei denen der Verdacht der Erkrankung besteht, nach Hause geschickt werden dürfen.

Grundsätzlich gilt, dass Arbeitnehmer (nur) nach Hause geschickt werden dürfen, wenn

  • grippeähnliche Symptome auftreten und der Arbeitnehmer sich in einem Risikogebiet aufgehalten hat,
  • grippeähnliche Symptome auftreten und der Arbeitnehmer mit einem Infizierten in Kontakt stand,
  • im Einzelfall lediglich Grippesymptome vorliegen oder Kontakt mit Infizierten bestand oder ein Aufenthalt in einem Risikogebiet stattgefunden hat.

Unter Umständen ist der Arbeitgeber im Rahmen seiner Fürsorgepflicht gehalten, den Betrieb zu schließen oder einzelne Arbeitnehmer freizustellen. Daneben ist der Arbeitgeber gehalten, Einzelmaßnahmen zu ergreifen. Beispielsweise sollten Aushänge bereitgestellt werden, welche auf die Niesetikette hinweisen und Desinfektionsmittel bereitgestellt werden. Auch ein regelmäßiges Reinigen von Türklinken ist sinnvoll.

Freistellung von Arbeitnehmern über Vertragsergänzung

Möglich ist, dass mit dem Arbeitnehmer vertragsergänzend eine Freistellung vereinbart wird. In einer solchen kann auch der Vergütungsanspruch abweichend vom ursprünglichen Arbeitsvertrag geregelt und angepasst werden.

Zu beachten ist jedoch, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer grundsätzlich weiterhin den Lohn schuldet, wenn er ihn aus freien Stücken nach Hause schickt. Diese Verpflichtung kann jedoch arbeitsvertraglich in gewissen Grenzen ausgeschlossen werden.

Kein Lohnanspruch bei Fernbleiben aus eigenen Stücken

Sofern der Arbeitnehmer aus freien Stücken von der Arbeit fernbleibt (etwa aus Angst vor Ansteckung), verliert er seinen Lohnanspruch. Ebenso sind arbeitsrechtliche Maßnahmen – wie eine Abmahnung bis hin zur Kündigung – denkbar. Es bleibt insofern bei den allgemeinen Grundsätzen.

Mitarbeiter tragen das Wegerisiko

Wenn Arbeitnehmer wegen eines möglichen Ausfalls oder der Einschränkungen im ÖPNV nicht zur Arbeit gelangen können, verlieren sie ebenfalls ihren Lohnanspruch. Dieses sogenannte Wegerisiko tragen die Arbeitnehmer.

Sollte ein Arbeitnehmer hingegen nicht zur Arbeit erscheinen können, weil er in einem abgeriegelten Stadtteil wohnt, behält er grundsätzlich seinen Vergütungsanspruch – allerdings nur für die Dauer weniger Tage – da es sich um ein sogenanntes unverschuldetes Hindernis (§ 616 BGB) handelt, sofern nicht arbeitsvertraglich § 616 BGB ausgeschlossen wurde.

Erkrankte Mitarbeiter haben Anspruch auf Lohn

Sofern Arbeitnehmer am Coronavirus erkrankt sind, bleibt es bei dem gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch. Dier Arbeitgeber muss das Entgelt weiterhin zahlen. In Einzelfällen kommt bei kleineren Betrieben (mit nicht mehr als 30 Arbeitnehmern) eine Entschädigung nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz (AAG) in Betracht.

Entscheidet sich der Arbeitgeber aus freien Stücken dazu, den Betrieb zu schließen, ist er ebenfalls zur Lohnfortzahlung verpflichtet.

Behörde schließt Betrieb: Rückerstattung des Verdienstausfalls

Wird der Betrieb hingegen durch eine behördliche Maßnahme geschlossen, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch gegen die zuständige Behörde auf Zahlung des dadurch erlittenen Verdienstausfalls. Der Arbeitgeber zahlt den Lohn zunächst jedoch an den Arbeitnehmer weiter, hat aber einen Anspruch auf Rückerstattung des gezahlten Lohns.

Dieser Rückerstattungsanspruch wird jedoch von den Gerichten nicht immer gewährt. Es wird angeführt, dass der Arbeitgeber von Gesetzes wegen (§ 616 BGB) ohnehin zur Lohnzahlung verpflichtet ist. Insofern würde der Arbeitnehmer keinen Verdienstausfall erleiden und der Arbeitgeber hätte keinen Rückerstattungsanspruch gegen die Behörde.

Insoweit handelt es sich um Einzelfallentscheidungen, die auch von der Dauer der verhängten Quarantäne abhängen. Der Arbeitgeber hat im Fall einer Existenzgefährdung unter gewissen Voraussetzungen auch einen Anspruch auf die Erstattung von anderen, nicht gedeckten Betriebsausgaben. Diese Erstattung hängt jedoch von einer Billigkeitsprüfung durch die Behörde ab und ist vom Einzelfall abhängig. Denkbar ist auch, dass eine Betriebsausfallversicherung etwaige Einbußen abdeckt.

Überstunden bei Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen

Der Arbeitgeber kann bei besonderem Interesse Überstunden der übrigen Mitarbeiter anordnen, um den Ausfall der erkrankten oder unter Quarantäne gestellten Arbeitnehmer abzufangen. Dabei ist der Maßstab von § 14 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) zugrunde zu legen. Danach dürfen Überstunden angeordnet werden, wenn

  • eine verhältnismäßig geringe Zahl von Arbeitnehmern vorübergehend mit Arbeiten beschäftigt wird, deren Nichterledigung das Ergebnis der Arbeiten gefährden oder einen unverhältnismäßigen Schaden zur Folge haben würden,
  • bei Forschung und Lehre, bei unaufschiebbaren Vorbereitungs- und Abschlussarbeiten sowie bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen oder zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen, und wenn
  • dem Arbeitgeber andere Vorkehrungen nicht zugemutet werden können.

Das genaue Prozedere ist dabei allerdings vom Einzelfall und den geschlossenen Arbeitsverträgen abhängig.

Diese Voraussetzungen müssen für die Kurzarbeit erfüllt sein

Für alle Arbeitgeber besteht die Möglichkeit, einen Antrag auf Kurzarbeit bei der Agentur für Arbeit zu stellen. Dabei ist allerdings zu beachten, dass dafür eine vertragliche Grundlage zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer erforderlich ist. Eine solche Klausel ist in vielen Arbeitsverträgen bereits vorhanden.

Falls dies nicht der Fall ist, kann nachträglich eine den Arbeitsvertrag ergänzende Vereinbarung mit den einzelnen Arbeitnehmern getroffen werden oder eine Betriebsvereinbarung geschlossen werden. Sofern ein Betriebsrat besteht, ist die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich.

Der Gesetzgeber hat auf die Umstände des Coronavirus reagiert und die Voraussetzungen für Kurzarbeit rückwirkend zum 01.03. gesenkt. Nunmehr gilt Folgendes:

  • Bereits wenn 10 Prozent der Beschäftigten eines Betriebes von Arbeitsausfall betroffen sind, kann ein Unternehmen Kurzarbeit beantragen, anstatt wie bisher ein Drittel der Belegschaft.
  • Sozialversicherungsbeiträge werden bei Kurzarbeit von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet.
  • Kurzarbeitergeld ist auch für Beschäftigte in Zeitarbeit möglich.
  • Kurzarbeit ist nunmehr auch im Bereich der Arbeitnehmerüberlassung erlaubt. Dafür wurde das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz geändert.

Welche weiteren Voraussetzungen gelten für das Kurzarbeitergeld?

Der Anspruch auf Kurzarbeitergeld richtet sich nach den §§ 95 ff. des dritten Sozialgesetzbuchs (SGB III). Voraussetzung ist demnach ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, der auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht, vorübergehend und nicht vermeidbar ist.

Betriebliche Voraussetzung ist ferner, dass mindestens eine Person im Betrieb sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist. Nur für sozialversicherungspflichtige Personen ist Kurzarbeit möglich. Ebenso müssen diese in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen.

Schließlich muss eine Anzeige gegenüber der Bundesagentur für Arbeit schriftlich erfolgen. Das Kurzarbeitergeld beträgt grundsätzlich 60 % des entfallenen Nettolohns, erhöht sich aber bei Haushalten, in denen mindestens ein Kind lebt, auf 67 %.

WINHELLER berät Arbeitgeber zu Kurzarbeit, Lohnfortzahlung und Vertragsänderungen

Unsere Kanzlei berät und hilft Arbeitgebern dabei, die Coronakrise zu überstehen. Sie möchten Kurzarbeitergeld beantragen, Rückerstattungen prüfen oder Arbeitsverträge anpassen? Wir stehen Ihnen gern zur Verfügung. Sie erreichen uns am einfachsten via Mail (info@winheller.com) oder telefonisch unter 069 / 76757780.

Weiterlesen:
Alle Beiträge zum Coronavirus im Überblick
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Ellen Pusch

Rechtsanwältin Ellen Pusch hat sich am Standort München auf das Arbeitsrecht und als zertifizierter Testamentsvollstrecker (DVEV) auf das Erbrecht spezialisiert. Sie gestaltet und optimiert Arbeits-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträge und begleitet Umstrukturierungsvorhaben und M&A-Transaktionen (Betriebsübergänge).

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