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Das Berliner Testament und die Pflichtteilsstrafklausel

Juli 30, 24 • ErbrechtKeine Kommentare

Wie sichergestellt werden kann, dass der Alleinerbe auch tatsächlich Alleinerbe bleibt

Das Berliner Testament und die Pflichtteilsstrafklausel

Das Berliner Testament, ob eigenhändig oder notariell erstellt, ist eine unter Eheleuten weit verbreitete Art, den letzten Willen zu verfügen. Sinn und Zweck eines Berliner Testaments: Der länger lebende Ehegatte soll Alleinerbe werden und das gesamte Vermögen erhalten. Die gemeinsamen Kinder sollen beim Tod des Erstversterbenden leer ausgehen und erst nach dem Versterben des zweiten Ehegatten das verbleibende Vermögen erhalten. So kann zum einen die finanzielle Absicherung und die wirtschaftliche Entlastung des überlebenden Ehegatten auch über den Tod des Erstversterbenden hinaus sichergestellt werden. Zum anderen wird der Nachlass zusammengehalten und vorerst vor Zersplitterung geschützt. Nach dem Tod des Zweitversterbenden geht das Vermögen dann an die Kinder.

Berliner Testament enterbt die Kinder

Was vielen bei dieser Gestaltung nicht bewusst ist, ist dass die Kinder damit faktisch von der Erbfolge ausgeschlossen werden. Grundsätzlich sind die Kinder des Erblassers auch seine gesetzlichen Erben. Bei einem Berliner Testament werden sie hinsichtlich des ersten Erbfalls also enterbt. Die Enterbung führt dazu, dass den Kindern ein Pflichtteilsanspruch zusteht.

Pflichtteilsanspruch der Kinder belastet den Erben

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und macht somit häufig einen nicht unbeachtlichen Teil des Vermögens aus. Leben die Ehegatten beispielsweise im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft und haben zwei Kinder, so steht jedem Kind ein gesetzlicher Erbteil von ¼ des Vermögens zu, was einen Pflichtteil von 1/8 pro Kind bedeutet. Da der Pflichtteilsanspruch ein reiner Geldanspruch gegen den Erben ist, kann das zu Liquiditätsproblemen beim überlebenden Ehepartner führen, der sich plötzlich Ansprüchen seiner Kinder ausgesetzt sieht. Abhängig davon, aus welchen Assets der Nachlass besteht, ist der Erbe sogar gezwungen, Teile des Nachlasses zu veräußern, um den Geldanspruch seiner Kinder zu erfüllen.

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Pflichtteilsverzicht als ein möglicher Ausweg

Der Pflichtteilsanspruch der Kinder kann nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen werden. Nötig wäre dafür beispielsweise die Begehung eines Verbrechens gegenüber dem Erblasser oder die Verurteilung wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung.
Liegen die Voraussetzungen – wie üblich – nicht vor, besteht lediglich noch die Möglichkeit des einvernehmlichen Pflichtteilsverzichts. Das heißt die Kinder schließen mit den Eltern einen Pflichtteilsverzichtvertrag mit dem Inhalt, dass sie auf ihren Pflichtteil beim Tod des Erstversterbenden verzichten. Dieser Verzicht muss notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein und kann zu einem beliebigen Zeitpunkt vereinbart werden, idealerweise mit zeitlicher Nähe zur Testamentserrichtung. Bei intakten Familienverhältnissen gelingt das in aller Regel. Zu beachten ist, dass es sich dabei um einen einvernehmlichen Vertrag handelt und der Pflichtteilsverzicht somit von der Zustimmung des gesetzlichen Erben abhängt. Er kann nicht einseitig vom Erblasser verfügt werden.

Pflichtteilsstrafklausel schützt den Nachlass des überlebenden Ehegatten

Um die Geltendmachung der Pflichtteilsansprüche zu vermeiden und so zu gewährleisten, dass der überlebende Ehegatte auch tatsächlich als einzige Person etwas aus dem Nachlass erlangt, besteht zudem die Möglichkeit einer sog. Pflichtteilsstrafklausel. Eine solche Klausel kann helfen, die enterbten Kinder davon abzuhalten, bereits beim Tod des ersten Ehegatten ihren Pflichtteil zu fordern, indem ein solches Vorgehen „sanktioniert“ wird.

Inhaltlich kann eine solche Klausel auf verschiedene Art und Weise ausgestaltet werden. Kern der Strafklausel ist aber stets, dass derjenige, der beim Tod des Erstversterbenden in der Kenntnis der Strafklausel seinen Pflichtteil geltend macht, auch beim Versterben des zweiten Ehegatten nur seinen Pflichtteil erhalten soll. Das Kind verwirkt praktisch seine Rechte aus dem Testament, nämlich seine Erbenstellung nach dem Tod des Letztversterbenden, wenn es seinen Pflichtteil beim Tod des Erstversterbenden geltend macht. Im Ergebnis führt das dazu, dass das Kind zweimal lediglich den Pflichtteil erhält und somit im Zweifel weniger als seinen im Testament vorgesehen Erbteil.

Auf die korrekte Formulierung der Strafklausel kommt es an

Entscheidend ist auch bei der Formulierung einer Strafklausel, ebenso wie bei allen anderen Verfügungen in einem Testament, dass diese präzise und eindeutig verfasst wird, damit die Klausel tatsächlich ihre Wirkung entfaltet.

Aus der Klausel sollte sich vor allem die Konsequenz ergeben, die mit der Geltendmachung des Pflichtteils einhergeht. Die Formulierung „Unsere Kinder sollen erst nach dem Tod des letztversterbenden Ehegatten eine Zuwendung erhalten“ reicht beispielsweise nicht aus, um eine Pflichtteilsstrafklausel anzunehmen. Zudem muss das Verhalten, das die Strafklausel auslösen soll, konkret bezeichnet werden. Hier gibt es verschiedene Anknüpfungspunkte: Soll die Klausel bereits bei einem Auskunftsverlangen greifen? Soll auch die bloße Geltendmachung des Anspruchs sanktioniert werden? Soll die Strafklausel erst nach tatsächlichem Zufluss des Pflichtteils zur Anwendung kommen?

Wird dieser Inhalt nicht bereits in der Klausel festgelegt, kann es bei der Auslegung der Klausel zu einem vom Willen des Erblassers abweichenden Ergebnis kommen.

Steuervorteile durch flexible Gestaltung der Pflichtteilsstrafklausel

Da eine solche Pflichtteilsstrafklausel aber nicht immer nur vorteilhaft ist, kann es zudem sinnvoll sein, die Anwendbarkeit der Klausel auszuschließen, wenn die Geltendmachung des Pflichtteils im Einvernehmen mit dem überlebenden Ehegatten erfolgt. So bleibt ein Gestaltungsspielraum erhalten, um auf veränderte Situationen flexibel reagieren zu können.

Im Hinblick auf die erbschaftsteuerlichen Nachteile eines Berliner Testaments erscheint eine solche Ausnahmeregelung z.B. häufig empfehlenswert. Grundsätzlich hat jedes Kind einen Freibetrag von 400.000 Euro. Das bedeutet, dass der Erstversterbende steuerfrei auf jedes Kind bereits 400.000 Euro übertragen könnte, während der Letztversterbende ebenfalls diesen Betrag steuerfrei vererben könnte. Da bei einem Berliner Testament allerdings beim ersten Todesfall nichts an die Kinder übergeht, wird der erste Freibetrag verschenkt. Insgesamt können bei dieser Gestaltung lediglich 400.000 Euro anstatt 800.000 Euro steuerfrei pro Kind von den Eltern übertragen werden. Um dies zu vermeiden, kann der Pflichtteil geltend gemacht werden, sodass auch beim ersten Erbfall der Freibetrag bereits genutzt werden kann.

Erbfolge durch individuelle Gestaltung der Pflichtteilsstrafklausel gezielt lenken

Die Gestaltung der Pflichtteilsstrafklausel ist vielseitig und im Einzelnen auf den konkreten Fall abzustimmen. Es besteht die Möglichkeit, die Geltendmachung eines Pflichtteils unattraktiv zu machen und so die Forderung durch die von der Erbfolge ausgeschlossenen Kinder zu vermeiden. Entscheidend ist, dass die Erblasser in ihrem Testament die Voraussetzungen ebenso wie die möglicherweise geltenden Ausnahmen detailliert darstellen. Bei geschickter Gestaltung kann die Pflichtteilsstrafklausel also ein durchaus empfehlenswerter Bestandteil des Berliner Testaments sein.

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Johanna Rengel

Rechtsanwältin Johanna Rengel ist am Standort Frankfurt am Main im Bereich Vermögen/Stiftung/Nachfolge für unsere Mandantschaft tätig. Sie berät dabei vor allem vermögende Privatpersonen bei der Nachfolge- und Vermögensplanung in zivilrechtlichen und steuerlichen Fragestellungen.

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