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Aufarbeitungskommission im Verein erfordert klare Satzungsregelung

Aufarbeitungskommission im Verein erfordert klare Satzungsregelung

Leider kommt es auch im organisierten Sport immer wieder zu Gewalt- und Missbrauchsfällen. Der Sport hat dann die Aufgabe, diese aufzuklären. Er muss das Leid der Betroffenen anerkennen und Wiedergutmachung leisten. Außerdem ist aufzuklären, wo Strukturen Gewalt ermöglichen. Die Aufarbeitung soll auch dazu beitragen, dass die Sportorganisation besser vor solchen Vorfällen schützen kann.

Der Deutsche Schwimmverband (DSV), der Deutsche Handballbund (DHB) und der Deutsche Tennis Bund (DTB) haben eigene Aufarbeitungsprozesse gestartet, nachdem dort Gewalt bekannt geworden war.

Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm befasst sich nun mit der Aufarbeitung im DHB. Dabei geht es unter anderem um die Frage, ob die Befugnis zur Aufarbeitung in der Satzung eines Vereins oder Verbands verankert sein muss, damit sie rechtssicher durchgeführt werden kann, und inwieweit bei der Aufarbeitung elementare rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze zu beachten sind.

Verband setzt Aufarbeitungskommission ein

Gegenstand der Aufarbeitung im DHB sind Vorwürfe der psychischen Gewalt, die von einer Vielzahl von Spielerinnen gegenüber einem ehemaligen Vereins- und DHB-Juniorinnen-Trainer erhoben wurden. Die Vorwürfe wurden erstmals im Jahr 2022 an die von Athleten Deutschland e.V. eingerichtete Anlaufstelle „Anlauf gegen Gewalt“ herangetragen und kurz darauf auch in der Presseberichterstattung aufgegriffen.

Der DHB nahm die Vorwürfe zum Anlass, eine externe Kommission mit der Aufarbeitung der Vorfälle zu beauftragen, von der er sich unter anderem Erkenntnisse darüber versprach, welche Milieus im Verband gewaltanfällig sind und wie die Strukturen im Sinne einer bestmöglichen Prävention und eines Frühwarnsystems weiterentwickelt werden können. Der Verband behielt sich zudem vor, auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse der Kommission verbandsinterne Maßnahmen gegen den Trainer zu ergreifen.

Der Trainer beantragte daraufhin beim Landgericht (LG) Dortmund eine einstweilige Verfügung gegen die Tätigkeit der Kommission. Er begründete dies damit, dass eine solche Kommission bereits in der Satzung des Verbandes nicht vorgesehen sei. Damit fehle es an einem verbindlichen Regelwerk für ein solches Verbandsverfahren, weshalb ein Verstoß gegen die vereins- und vertragsrechtliche Treuepflicht zu seinen Lasten vorliege. Das LG Dortmund wies den Antrag des Trainers jedoch zurück, woraufhin sich der Trainer im Wege der sofortigen Beschwerde an das OLG Hamm wandte, um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu verfolgen.

OLG Hamm: Verfahren muss gesetzlichen Vorgaben unterliegen

Das OLG Hamm gab dem Trainer Recht und verpflichtete den Verband, die Arbeit der Kommission bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren einzustellen.

Dabei stellte das Gericht zunächst klar, dass es sich bei der Einsetzung einer solchen Aufarbeitungskommission um eine gerichtlich überprüfbare Maßnahme eines Vereins oder Verbandes handelt. Daher sei auch der verfahrensrechtliche Bestimmtheitsgrundsatz zu beachten, wonach das Verfahren gesetzlichen Vorgaben unterliegen müsse und den Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren sei. Nach Auffassung des OLG Hamm waren diese Anforderungen im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

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Dies sei insbesondere deshalb der Fall, weil die Kommission des Verbandes nicht beabsichtigt habe, dem Trainer die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zugänglich zu machen. Vielmehr sei dies zur Wahrung der Anonymität der Personen, mit denen die Kommission diesbezüglich bereits gesprochen habe, unterblieben. Damit sei dem Trainer die Möglichkeit genommen worden, sich mit den konkreten Vorwürfen überhaupt auseinanderzusetzen.

Keine hinreichende Satzungsgrundlage für Tätigkeit der Kommission

Das Gericht führte weiter aus, dass die Einsetzung der Kommission als Maßnahme zur Aufarbeitung von Missständen und Gewaltstrukturen nicht in der Vereinssatzung vorgesehen sei und daher keine satzungsmäßige Grundlage habe.

Zwar sei die Einsetzung einer Kommission zur Aufarbeitung von Missständen und Gewaltstrukturen allgemein in der Verbandssatzung geregelt, diese beschränke sich jedoch auf allgemeine Missstände und Gewaltstrukturen. Dies sei keine geeignete Grundlage, um auch die Aufarbeitung der konkreten Vorwürfe gegen den Trainer zu erfassen, da es sich hierbei um Aufgaben handele, die durch die Satzung anderen verbandsinternen Organen und Gremien zugewiesen seien. Es sei auch nicht vorgesehen, dass die entsprechenden Aufgaben „an eine privatrechtlich beauftragte Kommission ausgelagert“ werden könnten.

OLG untersagt weitere Untersuchung durch Kommission

Aufgrund dieser Verstöße seitens des Vereins müsse der Trainer nicht tolerieren, dass die Kommission weiterhin und in dieser Weise gegen ihn ermittele. Dem Trainer drohe durch die öffentlichkeitswirksame Tätigkeit der Kommission eine Vorverurteilung. Er müsse sich daher nicht darauf verweisen lassen, den Abschluss der Arbeit der Kommission abzuwarten, um sich erst in einem anschließenden verbandsinternen Sanktionsverfahren zu verteidigen.

Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen Trainer jederzeit möglich

Unabhängig von der Rechtswidrigkeit der Arbeit der Kommission betonte das OLG Hamm, dass es dem Verband jederzeit möglich sei, ein verbandsinternes Vereinsstrafverfahren gegen den Trainer einzuleiten, um die konkreten Pflichtverletzungen zu untersuchen. Voraussetzung sei auch hier, dass die Regelungen für ein solches Verfahren in der Satzung des Verbands verankert seien. Einem solchen Verfahren könnte dann auch eine entsprechende Sanktionierung des Trainers folgen.

Auch wenn die Entscheidung des OLG Hamm und die teilweise Untersagung der Arbeit der Aufarbeitungskommission des DHB für die Betroffenen und den DHB selbst ein schwerer Schlag ist, zeigt der Fall, wie wichtig es für Vereine und Verbände ist, dass das sogenannte Innenrecht den rechtlichen und praktischen Anforderungen genügt. Nur wenn die rechtlichen Grundlagen geschaffen sind, sind Vereine und Verbände in der Lage, auf entsprechende Fälle angemessen zu reagieren.

Exkurs: Vereinsstrafen

Der Fall zeigt, dass Vereinsstrafen nicht ohne Weiteres verhängt werden können. Voraussetzung für die Ahndung eines Fehlverhaltens mit einer Vereinsstrafe ist, dass die konkreten Strafen auch in der Satzung des Vereins bzw. Verbands niedergelegt sind. Ebenso muss die Satzung die Voraussetzungen der Sanktion regeln, damit die Mitglieder erkennen können, welche Handlungen mit Sanktionen bedroht sind.

Arten von Vereinsstrafen

Das „schärfste Schwert“ des Vereinsstrafrechts ist der Ausschluss eines Mitglieds. Aufgrund der Schwere dieser Sanktion sollte sie stets das letzte Mittel sein und nur dann zum Einsatz kommen, wenn ein gedeihliches Miteinander mit dem betroffenen Vereinsmitglied nicht mehr denkbar erscheint und etwaige vorgelagerte Sanktionen nicht gefruchtet haben.

Als weitere mildere Sanktionen kommen Geldbußen, Verweise oder die zeitweise Entziehung von Mitgliedschaftsrechten einschließlich des Verbots der Nutzung von Vereinseinrichtungen in Betracht. Strafen, die ausschließlich dem staatlichen Strafrecht vorbehalten sind, kommen als Vereinsstrafen hingegen nicht in Betracht.

Verfahren im Verein

Das für die Verhängung von Vereinsstrafen zuständige Organ ist ebenfalls in der Satzung zu bestimmen. Häufig sieht die Satzung vor, dass der Vorstand Vereinsstrafen verhängen kann. Es kann aber auch ein eigens dafür eingerichtetes fakultatives Vereinsorgan mit dieser Aufgabe betraut werden, wenn die Satzung dies vorsieht. Ist die Zuständigkeit nicht ausdrücklich geregelt, ist die Mitgliederversammlung im Rahmen ihrer Auffangkompetenz zuständig.

Das Verfahren zur Verhängung einer Vereinsstrafe kann sich aus der Satzung oder – bei entsprechender Satzungsgrundlage – aus einer Vereinsordnung ergeben. In jedem Fall ist das vom Verein geregelte Vorgehen zur Verhängung von Vereinsstrafen einzuhalten. Fehlt eine vereinsinterne Verfahrensregelung, ist das sanktionierende Organ dennoch an bestimmte allgemeine Verfahrensgrundsätze gebunden. Dazu gehört z.B., dass dem betroffenen Mitglied rechtliches Gehör zu gewähren ist und die getroffene Entscheidung vom zuständigen Organ auch begründet werden muss.

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OLG Hamm, Beschl. v. 05.07.2024, Az. 8 W 15/24

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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