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Abberufung von Hannover-96-Geschäftsführer Martin Kind: Beschluss trotz Satzungsdurchbrechung gültig

Abberufung von Hannover-96-Geschäftsführer Martin Kind: Beschluss trotz Satzungsdurchbrechung gültig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich in einem Urteil vom 16.07.2024 mit der Abberufung des Hannover-96-Geschäftsführers Martin Kind beschäftigt. Dabei stand unter anderem das Rechtsinstitut des sog. satzungsdurchbrechenden Beschlusses im Mittelpunkt, mit dem sich das Gericht seit einer Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 1993 nicht mehr beschäftigt hatte.

Geschäftsführer durch satzungsdurchbrechenden Beschluss abberufen

Beklagte war im vorliegenden Fall die Hannover 96 Management GmbH, deren einziger Gesellschafter der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V. ist. Der Kläger Martin Kind ist im Handelsregister als Geschäftsführer der Hannover 96 Management GmbH eingetragen. Die beklagte GmbH ist selbst wiederum persönlich haftende Gesellschafterin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA, welche die Profi-Fußballmannschaft Hannover 96 unterhält, die derzeit am Spielbetrieb der 2. Fußballbundesliga teilnimmt. Kommanditaktionärin der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA ist die Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG. Gemäß der Satzung der Hannover 96 Management GmbH ist ihr Aufsichtsrat für die Bestellung und Abberufung der Geschäftsführer zuständig.

Zudem gibt es einen sogenannten Hannover-96-Vertrag, der zwischen dem Hannoverschen Sportverein von 1896 e.V., der Hannover 96 GmbH & Co. KGaA und der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG geschlossen wurde. Dieser sieht vor, dass der Hannoversche Sportverein von 1896 e.V. die Satzung der beklagten Hannover 96 Management GmbH nicht ohne die vorherige Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG ändern, ergänzen oder ersetzen darf.

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Im Juli 2022 beschlossen Vertreter des Hannoverschen Sportvereins von 1896 e.V. in einer Gesellschafterversammlung der Hannover 96 Management GmbH, Martin Kind „mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund im Wege eines satzungsdurchbrechenden Beschlusses als Geschäftsführer“ der Hannover 96 Management GmbH abzuberufen. Hiergegen wehrte sich Martin Kind mit einer Klage und begehrte Feststellung, dass der Beschluss über seine Abberufung als Geschäftsführer nichtig sei.

Das zunächst zuständige Landgericht (LG) Hannover gab der Klage statt. Dagegen legte die Hannover 96 Management GmbH Berufung ein, die vom zuständigen Oberlandesgericht (OLG) Celle zurückgewiesen wurde. Daraufhin wandte sich die Hannover 96 Management GmbH zur Revision an den BGH, der die wirksame Abberufung bestätigt hat.

Bedeutung der Satzungsdurchbrechung

Ein satzungsdurchbrechender Beschluss im engeren Sinn liegt vor, wenn für einen konkreten Einzelfall von einer in der Satzung niedergelegten Regelung abgewichen wird, wobei die Geltung der Regelung für die Zukunft jedoch nicht aufgehoben werden soll. Nach Ansicht der Rechtsprechung sind solche Beschlüsse nicht nichtig, solange es sich um eine „punktuelle“ Regelung handelt. Die Wirkung des Beschlusses muss sich dabei in der jeweils getroffenen Maßnahme erschöpfen. Es darf sich also nicht um eine unzulässige „zustandsbegründende“ Satzungsdurchbrechung handeln. Sie darf folglich keine Dauerwirkung haben, also nicht auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit fortwirken.

Eine dem entsprechende punktuelle Durchbrechung wäre z.B. die einmalige Wahrnehmung der dem Aufsichtsrat übertragenen Kompetenz zur Feststellung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafterversammlung. Eine Dauerwirkung wäre dagegen z.B. dann anzunehmen, wenn die Satzung eine Amtszeit der Vorstandsmitglieder für drei Jahre vorsieht, diese aber für unbestimmte Zeit gewählt werden sollen.

Beschlussfassung sei kompetenzwidrig

Nach Ansicht des OLG Celle ist der Beschluss der Beklagten nichtig, da er nicht mit dem Wesen der GmbH vereinbar sei. Die Beschlussfassung sei kompetenzwidrig gewesen, weil sie nicht vom nach der Satzung zuständigen Aufsichtsrat, sondern von der Gesellschafterversammlung getroffen worden sei. Dies müsse im gegebenen Fall die Nichtigkeit des Abberufungsbeschlusses zur Folge haben.

Die gegebene Kompetenzüberschreitung erschöpfe sich jedoch nicht in dem Verstoß gegen die Satzung der Hannover 96 Management GmbH, da noch ein Verstoß gegen den Hannover-96-Vertrag hinzutrete. Mit diesem Vertrag sei der Verein als Alleingesellschafter der Hannover 96 Management GmbH eine rechtsgeschäftliche Beschränkung seiner Stimmrechtsmacht eingegangen. Konkret beziehe sich diese auf die Veränderung der Satzung der Hannover 96 Management GmbH hinsichtlich der Kompetenz zur Besetzung des Geschäftsführeramtes. Es sei daher davon auszugehen, dass insoweit eine Stimmrechtsbindung vorliege, die auch gegenüber Dritten versprochen werden kann. Gegen diese Stimmrechtsbindung habe der Verein durch die Abberufung von Martin Kind als Geschäftsführer verstoßen. Zwar sei die Satzung nicht geändert worden, jedoch umfasse die Verpflichtung des Vereins, die Satzung der Hannover 96 Management GmbH insbesondere nicht ohne Zustimmung der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG zu ändern, soweit es „Funktion (Bestellung der Geschäftsführung der Gesellschaft) und Besetzung des Aufsichtsrats“ betreffe.

Da sich der Verein seiner im Hannover-96-Vertrag eingegangenen Bindung bewusst gewesen sei und er damit die satzungsmäßige Kompetenzverteilung bewusst unterlaufen habe, sei der Beschluss in besonderem Maße treuwidrig und daher aufgrund von Sittenwidrigkeit nichtig.

BGH: Abberufungsbeschluss ist gültig

Der BGH ist der Auffassung, dass der Beschluss nicht mit dem Wesen der GmbH unvereinbar und daher auch nicht nichtig ist. Eine solche Unvereinbarkeit könne nur aufgrund einer Verletzung der tragenden Strukturprinzipien des GmbH-Rechts begründet werden. Satzungsbestimmungen, die dem fakultativen Aufsichtsrat der Gesellschaft die Kompetenz zur Abberufung des Geschäftsführers zuweisen, gehörten ausdrücklich nicht dazu. Gleiches gelte für die Achtung des Hannover-96-Vertrags. Der Hannover-96-Vertrag gelte als schuldrechtlicher Vertrag lediglich im Innenverhältnis zwischen den Vertragsparteien. Ein Streit um die Folgen einer Verletzung dieses Vertrags sei somit ausschließlich zwischen den Vertragsparteien auszutragen.

Eine Nichtigkeit des Beschlusses aufgrund von Sittenwidrigkeit sei nicht ersichtlich. Der bloße Verstoß gegen eine Satzungsbestimmung macht einen Gesellschafterbeschluss zwar grundsätzlich anfechtbar, aber nicht sittenwidrig (anfechtungsbefugt wäre allerdings nur ein Gesellschafter gewesen, sodass Martin Kind dieses Rechtsmittel im vorliegenden Fall nicht zur Verfügung stand). Ebenso wenig ergebe die Sittenwidrigkeit des Beschlusses sich aus einer Verletzung des Hannover-96-Vertrags oder einer Gesamtbetrachtung.

Schließlich ergebe sich auch keine Nichtigkeit aufgrund einer zustandsbegründenden Satzungsdurchbrechung. Eine einen Einzelfall regelnde Satzungsdurchbrechung sei grundsätzlich auch ohne Einhaltung der formellen Voraussetzungen einer Satzungsänderung möglich, wenn sie sich auf eine punktuelle Regelung beschränke, bei der sich die Wirkung des Beschlusses in der betreffenden Maßnahme erschöpfe. Die Abberufung eines Geschäftsführers durch die nach der Satzung dafür nicht zuständige Gesellschafterversammlung begründe keinen von der Satzung abweichenden rechtlichen Zustand. Die Verletzung der Satzung betreffe das Zustandekommen des Beschlusses und erledige sich spätestens mit seiner Bekanntgabe an den Geschäftsführer. Die Beendigung des Organverhältnisses sei demnach kein satzungswidriger rechtlicher Zustand, da sie auch eingetreten wäre, wenn der Geschäftsführer sein Amt in Übereinstimmung mit der Satzung verloren hätte.

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BGH, Urteil v. 16.07.2024, II ZR 71/23

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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