Mit dem Ablauf des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRua-COVBekG) ist auch die Möglichkeit abgelaufen, dass Vereine ohne entsprechende Satzungsregel Mitgliederversammlungen virtuell abhalten können. Damit sticht der Verein heraus. Für andere Gesellschaftsformen, zum Beispiel die GmbH und die AG, ist eine solche Regelung längst beschlossen.
Nachdem der Freistaat Bayern einen entsprechenden Entwurf in den Bundesrat eingebracht hatte und dieser nach einer Stellungnahme der Bundesregierung an den Bundestag weitergeleitet wurde, sollte am 20. Oktober 2022 eine Weiterleitung an den Rechtsausschuss beschlossen werden. Dies ist allerdings nicht geschehen. Der Punkt wurde von der Tagesordnung gestrichen.
Der Teufel steckt im Detail – müssen oder können?
Ein Grund für die Verzögerung könnte darin liegen, dass sich der Gesetzesentwurf von der Übergangsregelung in einem Punkt unterscheidet. In der Übergangsregelung, dem § 5 Abs. 2 GesRua-COVBekG war vorgesehen, dass der Vorstand die digitale Versammlung anordnen kann. Dies zeichnete sich durch das Wort „müssen“ im § 5 Abs 2 Nr. 1 a.E. aus. Im nun vorgelegten Gesetzesentwurf findet sich allerdings nur noch das Wort „können“. Durch dieses steht den Mitgliedern ein Wahlrecht zu, sodass sie die Möglichkeit haben müssen, über die Versammlungsform abzustimmen. Hintergrund für diese Abweichung könnte ein Streit zwischen Experten im Vereinsrecht sein.
Beschränkt die virtuelle Versammlung die Rechte der Mitglieder?
Einige Experten befürchten, dass durch die gesetzliche Möglichkeit zur virtuellen Versammlung Mitgliederrechte beschränkt werden, vor allem das Teilnahmerecht. Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Vereins. Teilnahme und Mitwirkung an ihr gehören zu den Kernrechten eines Vereinsmitglieds. Die Experten befürchten nun, dass Menschen ohne Internetzugang in diesen Rechten verletzt werden. Dabei geht es vor allem um Menschen, die keine passenden Endgeräte, keinen Internetzugang oder nicht die passende Hilfestellung zur Teilnahme haben.
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Andere Experten halten diese Befürchtung für unbegründet. Sie sehen in der virtuellen Versammlung die Stärkung von den Rechten derjenigen, die an Präsenzveranstaltungen aufgrund langer Anfahrtswege o.ä. benachteiligt sind. Die Vertreter dieser Ansicht führen zudem ins Feld, dass nach dem aktuellen Gesetzesentwurf den Mitgliedern gerade ein Wahlrecht über die Art der Versammlung zugedacht werden soll.
Technische Ausstattung und Know-how keine Hürde
Wir teilen die Ansicht der Experten, die diese Befürchtung für unbegründet halten. Zum einen erscheint die Befürchtung, Menschen ohne technisches Know-how oder ohne passende Endgeräte könnten nicht teilnehmen, wenig relevant. Spätestens nach der Covid-Pandemie sind die meisten Haushalte mit einer Technik ausgestattet, die die Teilnahme an Versammlungen dieser Art ermöglicht. Ist dies im Einzelfall einmal nicht gegeben, so wird sich sicherlich im näheren Umfeld der betroffenen Person ein Ansprechpartner für Hilfestellungen finden.
Gefährdung von Mitgliederrechten unwahrscheinlich
Die Angst, Menschen im hohen Alter könnten so von sozialen Aktivitäten ausgeschlossen werden, erweist sich also als höchst unwahrscheinlich und ist im Zweifel abzuwägen mit der Verlegung des Versammlungsortes in abgelegene Orte oder nicht barrierefreie Räumlichkeiten. Auch hier ließe sich argumentieren, dass die Gruppe der körperlich Beeinträchtigten ausgeschlossen wird. So kann eine virtuelle Versammlung zwar gleichzeitig inklusiv und exklusiv sein, Letzteres aber wohl nur in Ausnahmefällen.
Gerade vor dem Hintergrund der vom Gesetzgeber eingefügten Wahlmöglichkeit ist aus unserer Sicht keine relevante Gefährdung von Mitgliederrechten bei der virtuellen Mitgliederversammlung zu befürchten.
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