Gemeinnützige Sportvereine genießen im deutschen Steuerrecht viele Steuervergünstigungen – darunter auch die Befreiung von der Umsatzsteuer bei Sportveranstaltungen. Nicht-gemeinnützige Sportvereine profitieren von dieser Regelung hingegen nicht, konnten sich aber bisher auf europäisches Recht berufen und so ebenfalls Steuerfreiheit erlangen. Der Bundesfinanzhof (BFH) hegt nun aber Zweifel an der direkten Wirkung des Europarechts und hat den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Hilfe gebeten.
Die MwStSysRL – Europäische Mutter des Umsatzsteuergesetzes
Das Umsatzsteuerrecht in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) ist durch die Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie (MwStSysRL) harmonisiert. Alle Staaten haben folglich gleiche Regelungen über Steuertatbestände und -befreiungen zu schaffen. Zwar können die Länder noch weitere Befreiungen und vor allem unterschiedliche Steuersätze vorsehen, dabei haben sie jedoch die Mindestanforderungen der MwStSysRL zu beachten. Diese fordert etwa in Art. 132 Abs. 1 Buchst. m) die Steuerfreiheit von Umsätzen für „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben.“
Diese Steuerbefreiung ist im deutschen Umsatzsteuergesetz (UStG) in § 4 Nr. 22 b) umgesetzt worden – allerdings nur für Teilnehmergebühren bei gemeinnützigen Vereinen. Nicht als gemeinnützig anerkannte Vereine oder Vereine, die im Zusammenhang mit dem Sport andere Umsätze als Start- und Meldegebühren erzielen (etwa für die Vermietung von Golfschlägern etc.) sind von der Begünstigung also zunächst ausgenommen. Aufgrund der weitergehenden Regelung in der Richtlinie konnten sie sich bisher jedoch direkt auf die europarechtliche Regelung berufen und damit Steuerfreiheit erlangen.
Zweifel an direkter Anwendbarkeit der MwStSysRL
Eine solche direkte Berufung auf das Europarecht ist möglich, wenn eine Regelungen in der Richtlinie hinreichend bestimmt genug ist, also keiner weiteren Interpretation durch den nationalen Gesetzgeber bedarf, und dieser genug Zeit gehabt hätte, die Regelung vollständig in nationales Recht umzusetzen. Angesichts der Verabschiedung der MwStSysRL bereits im Jahr 2007 ist letztere Anforderung stets erfüllt, der BFH zweifelt nun allerdings an der Bestimmtheit der Regelung für Sportvereine. In dem Verfahren „British Film Institute“ (Entscheidung vom 15.02.2017, Az. C-592/15) hatte der EuGH in Bezug auf kulturelle Veranstaltungen nämlich entschieden, dass den Mitgliedsstaaten bei der Umsetzung der entsprechenden Vorschrift ein Spielraum zustünde und eine direkte Berufung auf die Richtlinie mangels Bestimmtheit der Vorschrift demnach nicht möglich sei.
§ 132 Abs. 1 Buchst. n) der MwStSysRL verlangt die Steuerbefreiung für „bestimmte kulturelle Dienstleistungen […]“, wobei das Wort „bestimmte“ den Mitgliedsstaaten einen Spielraum eröffne, den Anwendungsbereich der Norm auf eine Auswahl von kulturellen Dienstleistungen zu beschränken. Folglich können sich nicht sämtliche Dienstleister kultureller Leistungen direkt auf die MwStSysRL berufen. Angesichts der im Wortlaut gleichen Formulierung in der Befreiungsvorschrift für den Sport, die ebenfalls „bestimmte […] Dienstleistungen“ von der Umsatzsteuer befreien will, zweifelt der BFH nun auch an der direkten Anwendbarkeit dieser Norm. Der EuGH wird nun entscheiden müssen, ob die Überlegungen zum Fall „British Film Institute“ auch für Sportvereine zutreffen.
Etwaige Umsatzsteuernachzahlung einplanen
Nicht-gemeinnützige Sportvereine und Sportvereine, die bei Sportveranstaltungen bisher auch andere Entgelte als Teilnehmergebühren steuerfrei vereinnahmt haben, müssen die Entscheidung des EuGH abwarten. Sie sollten Rückstellungen für eine etwaige Umsatzsteuernachzahlung bilden. Sollte die Finanzverwaltung bereits aktuell von einer Steuerpflicht ausgehen, sollte Einspruch unter Berufung auf das anhängige BFH-Verfahren eingelegt werden.
BFH, Beschluss vom 21.06.2018, Az. V R 20/17
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