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Umsätze einer Privatklinik sind steuerfrei

§ 4 Nr. 14 b) des Umsatzsteuergesetzes (UStG) verstößt gegen die Vorgaben des Europarechts. Das hat der IX. Senat des Bundesfinanzhofes (BFH) am 18. März 2015 entschieden und sich damit der Rechtsprechung des V. Senates (Urteil vom 23.10.2014) angeschlossen. Der Regelung zufolge sind Krankenhausbehandlungen und damit eng verbundene Leistungen von der Umsatzsteuer befreit, sofern sie von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder zugelassenen Krankenhäusern erbracht werden. Eine Privatklinik erfüllt diese Voraussetzungen zwar nicht. Privatkliniken können sich aber unmittelbar auf die Vorschriften des Unionsrechts berufen und so ihre Leistungen doch von der Mehrwertsteuer befreit ausführen.

Europäische Mehrwertsteuersystemrichtlinie setzt Vorgaben

§ 4 Nr. 14 b) UStG entspreche nicht den Vorgaben des Art. 132 Abs. 1 b) der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie, so der BFH. Der nationale Gesetzgeber habe bei der Umsetzung der europäischen Richtlinie in nationales Recht seinen Ermessenspielraum überschritten, indem er nur zugelassenen Krankenhäusern die Steuerfreiheit gewährt.

Ein solcher Bedarfsvorbehalt sei der Mehrwertsteuer-Richtlinie aber nicht zu entnehmen und dürfe deshalb auch nicht angewendet werden, urteilte der BFH. Art. 132 Abs. 1 b) der besagten Richtlinie verlangt nämlich nur, dass Krankenhäuser, die keine Einrichtungen des öffentlichen Rechts sind, ihre Behandlungen in sozial vergleichbarer Weise wie öffentlich-rechtliche Krankenhäuser erbringen müssen. Davon, in irgendeiner Form zugelassen sein zu müssen, spricht die Richtlinie nicht.

Grundsatz der steuerlichen Neutralität

Das ist nicht zufällig so, sondern folgt aus dem europarechtlichen Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Diesem Grundsatz zufolge müssen alle Einrichtungen, die keine Einrichtungen des öffentl. Rechts sind, in Bezug auf ihre Anerkennung gleich behandelt werden, sofern sie vergleichbare Leistungen erbringen. Aus diesem Grund ist auch § 67 der Abgabenordnung (AO) europarechtskonform, wie der BFH in einer weiteren Entscheidung vom 18.03.2015 entschieden hat. Diese Regelung bestimmt die Voraussetzungen, wann ein Krankenhaus ein Zweckbetrieb ist: Mindestens 40 Prozent der Berechnungs- bzw. Belegungstage müssen auf Patienten entfallen, bei denen nur Entgelte für allgemeine Krankenhausleistungen (§ 7 des Krankenhausentgeltgesetzes, § 10 der Bundespflegesatzverordnung) berechnet werden. Da diese Grenze für alle Kategorien privatrechtlicher Einrichtungen gilt, sei die Grenze mit dem Grundsatz steuerlicher Neutralität vereinbar, so der BFH.

Steuerpflichtige können Besteuerung wählen

Dass sich ein Steuerpflichtiger vor einem deutschen Gericht unmittelbar auf eine europäische Richtlinie berufen kann, ist ein vom EuGH bereits 1974 entwickelter Grundsatz. Allerdings müssen dafür bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, denn Richtlinien wirken grundsätzlich nicht unmittelbar, es liegt vielmehr an den Mitgliedsstaaten, die Richtlinien zunächst in nationales Recht umzusetzen. Haben die Mitgliedsstaaten aber die Richtlinie nicht rechtzeitig oder nicht korrekt umgesetzt, darf der einzelne Bürger und Steuerpflichtige deswegen keinen Nachteil erleiden. Neben der Säumnis des Mitgliedsstaates in Bezug auf die korrekte Umsetzung in nationales Recht muss die Richtlinie außerdem eindeutig formuliert sein und keiner weiteren Vollzugsakte bedürfen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist die Richtlinie unmittelbar anwendbar, d.h. der Einzelne kann sich auf diese Bestimmung vor jedem nationalen Gericht berufen. Das kann dazu führen, dass dem Steuerpflichtigen ein faktisches Wahlrecht zusteht: Privatkliniken können sich nach dem aktuellen Urteil also z.B. entweder auf den Wortlaut der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie berufen und ihre Leistungen umsatzsteuerfrei ausführen oder aber sie stützen sich allein auf den engeren Wortlaut des deutschen Umsatzsteuergesetzes mit der Folge, dass sie ihre Leistungen der Umsatzsteuer zu unterwerfen haben, dafür im Gegenzug aber in den Genuss des Vorsteuerabzuges gelangen. Steuerpflichtige sollten daher stets sorgfältig prüfen (lassen), ob die nationalen Gesetze, die auf europäischen Richtlinien beruhen, den europäischen Vorgaben gerecht werden. Ist dem nicht so, können sich Spielräume für steuerliche Optimierungen ergeben.

BFH, Urteil vom 18.03.2015 – Az. XI R 38/13

BFH, Urteil vom 23.10.2014 – Az. V R 20/14

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Steuerrecht und Steuerberatung für Unternehmen

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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