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Typische Gefahren für die Gemeinnützigkeit

Die Steuerfreiheit gemeinnütziger Einrichtungen ist der Ausgleich dafür, dass diese sich bei der Bildung und Verwendung ihres Vermögens zahlreichen gesetzlichen Restriktionen unterwerfen und durch ihren allgemeinnützigen Einsatz den Staat bei der Erfüllung seiner Aufgaben entlasten. Die Beachtung jener Restriktionen erfordert kontinuierliche Wachsamkeit. Ansonsten ist der gemeinnützige Status schnell in Gefahr, wie zwei finanzgerichtliche Entscheidungen erneut beweisen.

Leistungen ohne vertragliche Grundlage

Der vom FG München entschiedene Fall betraf einen kirchlichen Zwecken verpflichteten Verein. Der Verein pachtete von einem anderen, nicht als gemeinnützig anerkannten Verein ein Grundstück und errichtete hierauf eine Moschee auf eigene Kosten. Daneben übernahm der gemeinnützige Verein die Finanzierungskosten für das (ihm nicht gehörende) Grundstück. Einen sämtliche Leistungspflichten umfassenden schriftlichen Vertrag hatten die beiden Vereine nicht geschlossen.

Damit war der gemeinnützige Status des Vereins für die betroffenen Veranlagungszeiträume bereits verloren. Das Gericht entschied, dass der Verein durch die Tragung der Kosten für den Bau und insbesondere das Darlehen gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstoßen habe. Ein solcher Verstoß liege dann vor, wenn ein (nicht steuerbegünstigter) Dritter dadurch gefördert werde, dass ihm ein wirtschaftlicher Vorteil zugewendet werde, ohne dass dem gemeinnützigen Verein eine entsprechende Gegenleistung zufließe. So war es hier: Es existierten keinerlei Regelungen, wie der Grundstückseigentümer den ihm zugewendeten wirtschaftlichen Vorteil durch den Moscheebau und die Übernahme der Finanzierungskosten für das Grundstück wieder ausgleichen sollte.

Keine Abgabe von Steuererklärungen

Auch im Fall des FG Münster war es Nachlässigkeit, die einen gemeinnützigen Verein an den Rand des Verlusts der Gemeinnützigkeit brachte. Der Verein versäumte es über Jahre hinweg, pünktlich seine Steuererklärungen einzureichen. Die Verspätungen betrugen zwischen 10 Monaten und 2 Jahren. Das Finanzamt nahm dies zum Anlass, mit sofortiger Wirkung die Gemeinnützigkeit zu entziehen und auch für bisher noch nicht erklärte Zeiträume abzuerkennen. Die Nichtabgabe der Steuererklärungen bedeutete in den Augen des Finanzamts eine nicht ordnungsgemäße tatsächliche Geschäftsführung.

Das Gericht gebot dem gerade noch Einhalt und stellte für den Einzelfall fest, dass Schwere und Folgen des Verstoßes außer Verhältnis zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit stünden. Zunächst stellte es den zeitlichen Ablauf klar und wies darauf hin, dass ein Verstoß der tatsächlichen Geschäftsführung gegen die Vorgaben des Gemeinnützigkeitsrechts nur für den Veranlagungszeitraum zu einer Aberkennung der Gemeinnützigkeit führe, in dem es zu dem relevanten Fehlverhalten kam. Dies sei hier erst das darauffolgende Jahr gewesen, in dem die Steuererklärung tatsächlich einzureichen war. Für jenes Jahr komme ein Entzug dann in Betracht, wenn die Verletzung der Erklärungspflicht zu einer Steuerhinterziehung geführt habe. Da der Verein im entschiedenen Fall keine über dem Grenzbetrag von 35.000 Euro liegenden steuerpflichtigen Einnahmen aus wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb hatte, sei eine Aberkennung der Gemeinnützigkeit jedoch nicht zulässig.

Das sollte freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Gericht nur in dem konkreten Einzelfall nachsichtig zeigte, im Übrigen jedoch verschiedene Konstellationen andeutete, in denen es den Entzug der Gemeinnützigkeit aufgrund ausbleibender Steuererklärungen akzeptieren würde. Dies sei bspw. bei einem Steuerschaden der Fall. Auch in Fällen, in denen der Nachweis ordnungsgemäßer Mittelverwendung nicht erbracht werde, könne die Gemeinnützigkeit versagt werden.

Hinweis: Der erste Fall betrifft alle gemeinnützigen Einrichtungen und sollte sie dafür sensibilisieren, dass Geschäfte mit nicht-gemeinnützigen Unternehmen oder Organisationen nicht zu einer einseitigen Bereicherung des Vertragspartners zu Lasten der gemeinnützigen Organisation führen dürfen. Um unnötige Diskussionen mit dem Finanzamt mit in der Regel schlechtem Ausgang für die NPO zu vermeiden, sollten sich gemeinnützige Organisationen außerdem nicht auf mündliche Vereinbarungen verlassen.

Die Lehre aus dem zweiten Fall ist recht offensichtlich: Wer nicht in der Lage ist, seinen (steuer-)rechtlichen Pflichten nachzukommen, riskiert seine Gemeinnützigkeit. Aber nicht nur die Akteure des dritten Sektors sollte der zweite Fall wachrütteln. Auch der Gesetzgeber ist aufgerufen, die von vielen Seiten seit langem kritisierten Rechtsfolgen für Verstöße gegen die Vorschriften des Gemeinnützigkeitsrechts zu korrigieren. Dem Rechtsanwender sollte klar vor Augen geführt werden, welche Verstöße wie sanktioniert werden. Bislang gilt im Wesentlichen das Alles-oder-Nichts-Prinzip, wonach Verstöße grundsätzlich immer zum Entzug der Gemeinnützigkeit führen – wenn nicht, wie hier, die Rechtsprechung im letzten Moment korrigierend einschreitet.

FG München, Urteil v. 07.02.2011, Az. 7 K 1794/08.
FG Münster, Urteil v. 30.06.2011, Az. 9 K 2649/10 K.

 

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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