Chancen und Hindernisse in Deutschland
Nicht kommerzieller Journalismus ist im deutschen Gemeinnützigkeitsrecht kein anerkannter gemeinnütziger Zweck, obwohl er eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe erfüllt und prinzipiell geeignet wäre, die Allgemeinheit zu fördern. Aktuell bekommen immer mehr NPOs, die durch unabhängige Recherche und Faktenchecks Bildungs- und Aufklärungsarbeit leisten, Probleme wie den (drohenden) Verlust der Gemeinnützigkeit zu spüren. Nun wird in Umsetzung der Versprechen des Koalitionsvertrages zunehmend die Einführung von gemeinnützigem Journalismus gefordert. Welche Chancen ergeben sich aus gemeinnützigem Journalismus und welche Hindernisse stehen dem entgegen?
„Volksverpetzer“ verliert Gemeinnützigkeit
Das als gemeinnützige UG organisierte Redaktionsteam „Volksverpetzer“ klärt im Internet und auf Social Media über Themen und Verschwörungsmythen, Rechtspopulismus und Hass im Netz auf. Satzungsgemäßer Gegenstand des Unternehmens ist die Bildung, Aufklärung und Erziehung im politischen und medialen Bereich. Durch Publikationen, Aufklärung, auch über politische Akteure und deren Kommunikationstechniken, Faktenchecks und Recherche soll Material zur politischen Bildung kreiert werden mit dem Ziel, die internationale Gesinnung und Toleranz in gesellschaftlichen Diskursen und die Völkerverständigung zu fördern. Es finanziert sich eigenen Angaben zufolge fast ausschließlich über Crowdfunding. Der Blog galt seit 2019 als gemeinnützig und konnte daher Spenden einwerben und Spendenbescheinigungen ausstellen. Mitte Mai 2024 hat das Team bekannt gegeben, dass der Plattform die Gemeinnützigkeit rückwirkend ab 2021 aberkannt wurde.
Der Aussage des Chefredakteurs nach drohen dem „Volksverpetzer“ durch den Verlust der Steuerbegünstigung nun Steuernachzahlungen an das Finanzamt in fünfstelliger Höhe. Ein Hauptgrund, der zu dem Entzug der Gemeinnützigkeit geführt habe, ist nach Angaben von „Volksverpetzer“, dass das Unternehmen zu nah an der journalistischen Tätigkeit agiere, die nach dem deutschen Gemeinnützigkeitsrecht nicht gemeinnützig sei.
Journalismus bisher nicht als gemeinnütziger Zweck anerkannt
Journalismus zählt nicht zu den gemeinnützigen Zwecken, die im Katalog des § 52 Abs. 2 BGB niedergelegt sind, weshalb eine journalistisch tätige Plattform zunächst nicht gemeinnützig im Sinne der AO sein kann. Aus diesem Grund greifen Plattformen wie „Volksverpetzer“ zu anderen anerkannten Gemeinnützigkeitszwecken, wie z.B. Verbraucherschutz, Förderung der Kunst und Kultur oder Förderung der (politischen) Bildung.
In den letzten Jahren waren zunehmend Bestrebungen zu erkennen, die darauf abzielten, Journalismus als gemeinnützigen Zweck i.S.d. § 52 Abs. 2 AO anzuerkennen. Auch steht im Koalitionsvertrag der derzeitigen Bundesregierung, dass Rechtssicherheit für gemeinnützigen Journalismus geschaffen werden soll. Über die Zielsetzung des Koalitionsvertrags hinaus wurde dieses Ziel jedoch bisher nicht weiterverfolgt. Auch der jüngste Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2024 klammert diese Neuregelung des Gemeinnützigkeitsrechts (und weitere Reformbestrebungen des Koalitionsvertrags bezogen auf das Gemeinnützigkeitsrecht) aus.
Gründe für Nonprofit-Journalismus
Die Otto-Brenner-Stiftung hat sich dem Thema des Nonprofit-Journalismus ausführlich in einer Studie vom September 2023 gewidmet. In dieser Studie wird die Bedeutung von Journalismus in Deutschland und damit verbunden die Möglichkeiten von Nonprofit-Journalismus analysiert. Sie betont, dass unabhängiger und gemeinnütziger Journalismus zur Förderung des öffentlichen Diskurses und damit auch zur Stärkung der Demokratie beitragen könne.
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Journalismus werde in der heutigen Zeit unrentabler und trage immer weniger als wirtschaftliches Geschäftsmodell. Die Gründe hierfür seien vielschichtig: Die Produktions- und Vertriebskosten vervielfachten sich, die klassische Werbefinanzierung breche immer mehr ein und nicht zuletzt blieben auch Paywalls im digitalen Raum hinter den Erwartungen zurück. Seit 2015 seien aus diesen Gründen bundesweit ca. 2.500 Tageszeitungen eingestellt worden. Die Folge dessen seien sog. „news deserts“, also Gebiete, in denen die Versorgung der Bevölkerung mit qualitativ hochwertigen journalistischen Erzeugnissen gefährdet sei.
Als Möglichkeit, dem entgegenzuwirken, biete sich die Einführung des Nonprofit-Journalismus in Deutschland an. Die Vorteile daraus wären neben der Gewährung von Steuervorteilen für die journalistische Arbeit auch die Möglichkeit der Förderung durch Stiftungen und andere gemeinnützige Akteure und staatliche Förderprogramme. Dabei müsste aber zur Gewährung der Förderung der Allgemeinheit und der Unabhängigkeit ausgeschlossen werden, dass die finanzielle Förderung zum Fallstrick werde und Abhängigkeiten einträten, die eine Verfolgung von Einzelinteressen begünstigten.
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