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Vorsicht bei Kettenbefristung von Arbeitsverträgen

Nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm (LArbG) vom 25.02.2015 ist die Beschäftigung einer Vertretungskraft für verschiedene in Elternzeit befindliche Lehrkräfte an verschiedenen Schulen über einen Zeitraum von 9,5 Jahren bei insgesamt 22 Vertragsänderungen rechtsmissbräuchlich.

Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf Sachgrund

Die Befristung von Arbeitsverträgen ist ein beliebtes Mittel, um Arbeitnehmer zu beschäftigen, ohne sich jedoch für eine unbestimmte Dauer an sie zu binden. Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf jedoch grundsätzlich eines Sachgrundes, um wirksam zu sein. Nur bei einer Vertragsdauer von bis zu zwei Jahren ist eine sachgrundlose Befristung zulässig. Viele Arbeitgeber befristen Arbeitsverträge, um kurzweilige Engpässe zu überbrücken, die beispielsweise entstehen, wenn fest angestellte Mitarbeiter für eine bestimmte Zeit ausfallen, sei es aufgrund von Elternzeit, Krankheit, eines immer beliebter werdenden Sabbaticals (in der Regel mehrmonatiger Sonderurlaub) oder aus anderen Gründen. Manche Arbeitgeber nutzen dies auch, um einen Arbeitnehmer vor dem Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrages ausgiebig zu testen.

Dauer und Anzahl der Befristungen begrenzt

Einige Arbeitgeber überschreiten jedoch, was Dauer und Anzahl der Befristungen angeht, die Grenze des Zulässigen. Immer wieder gehen Berichte von zahlreichen nacheinander abgeschlossenen befristeten Arbeitsverträgen durch die Medien. Wo die Grenzen von zulässigen und unzulässigen Kettenbefristungen verlaufen, ist nicht immer einfach auszumachen. Wichtige Kriterien aber hat die Rechtsprechung inzwischen dem Rechtsanwender an die Hand gegeben, wie der aktuelle vom LArbG Hamm entschiedene Fall zeigt: In dem Fall war ein Diplom-Sportlehrer in Nordrhein-Westfallen vom 09.12.2002 bis zum 11.04.2014 aufgrund von über 20 befristeten Verträgen als Vertretungslehrer beschäftigt. Er besaß kein Lehramt oder eine vergleichbare anerkannte Lehrbefähigung. Der letzte Arbeitsvertrag wurde am 22.08.2013 geschlossen. Er sollte die Klasse einer Lehrerin übernehmen, die sich in Elternzeit befand. Tatsächlich übernahm er jedoch die Klasse eines anderen Lehrers, der die Klasse der sich in Elternzeit befindlichen Lehrerin übernahm – ein sog. Ringtausch.

Der Lehrer war der Meinung, dass die Befristung unwirksam gewesen sei, weil kein Sachgrund für die Befristung vorgelegen habe und die Befristung zudem rechtsmissbräuchlich gewesen sei. Dem trat das beklagte Land entgegen – erfolglos, wie das LArbG meinte: Ein Sachgrund für die Befristung habe zwar vorgelegen, die Befristung sei jedoch unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Gesamtdauer und der Zahl der geschlossenen aufeinanderfolgenden befristeten Verträge rechtsmissbräuchlich gewesen. Die Folge: Die Befristung war unzulässig und der Lehrer darf sich über einen unbefristeten Arbeitsvertrag freuen. Das letzte Wort ist freilich noch nicht gesprochen; das beklagte Land hat Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt (BAG, Az. 7 AZR 420/15).

Kettenbefristung im Dritten Sektor

Das Urteil betraf zwar eine Klage gegen eine öffentlich-rechtliche Körperschaft. Die vom LArbG dargestellten Grundsätze finden aber auch darüber hinaus, d.h. auch im Dritten Sektor, bei der Prüfung von Kettenbefristungen Anwendung, sofern nicht branchenspezifische Besonderheiten bestehen. Sonderurlaub, Erziehungsurlaub, Mutterschutz und dergleichen sind nach Auffassung des LArbG aber in keinem Betrieb vorhersehbar oder planbar und kommen in jeder Branche vor; sie stellen also keine branchentypischen Besonderheiten dar.

Für die Prüfung von Kettenbefristungen ergibt sich danach folgendes Prüfungsschema:

1. Sofern eine sachgrundlose Befristung zulässig ist (max. zwei Jahre, max. drei Verlängerungen) besteht kein Anlass für eine vertiefte Missbrauchskontrolle.

2. Überschreiten die befristeten Arbeitsverträge diese Grenzen nicht um ein Mehrfaches, besteht ohne weitere Anhaltspunkte ebenfalls kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle.

3. Werden diese Grenzen allerdings alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten, wobei der Arbeitnehmer weitere für einen Missbrauch sprechende Umstände vorzutragen hat.

4. Werden die Grenzen – wie im vorliegenden Fall – besonders gravierend überschritten, wird ein Missbrauch indiziert. In diesem Fall muss der Arbeitgeber das Indiz entkräften.

LArbG Hamm, Urteil vom 25.02.2015 – Az. 5 Sa 1315/14

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Ellen Pusch

Rechtsanwältin Ellen Pusch hat sich am Standort München auf das Arbeitsrecht und als zertifizierter Testamentsvollstrecker (DVEV) auf das Erbrecht spezialisiert. Sie gestaltet und optimiert Arbeits-, Aufhebungs- und Abwicklungsverträge und begleitet Umstrukturierungsvorhaben und M&A-Transaktionen (Betriebsübergänge).

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