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Kein Gestaltungsmissbrauch: Vorsteuerabzug bei Bau einer Sporthalle

So werden die Baukosten gleich um einiges günstiger: Es stellt keinen Gestaltungsmissbrauch dar, wenn eine Stadt eine GmbH gründet, die eine Sporthalle errichtet und betreibt, nur um an den Vorsteuerabzug zu gelangen.

Stadt errichtet Sporthalle für Vereine

Eine Stadt wollte eine Sporthallte errichten und die ansässigen Vereine kostenfrei dort trainieren lassen. Um die Baukosten zu verringern, entschied sich die Stadt, folgende Konstruktion zu wählen: Sie gründete eine GmbH, deren Alleingesellschafterin die Stadt war. Die zwei alleinvertretungsbefugten Geschäftsführer waren Beamte der Stadt. Das Grundstück wurde von der Stadt an die GmbH vermietet, die darauf eine Sporthalle errichtete. Die GmbH verlangte pro Nutzungsstunde ein Entgelt in Höhe von 20 Euro. Um jedoch den ansässigen Vereinen die Nutzung kostenlos zu gewähren, erstattete der Verband X, dem die Vereine angehörten, die Kosten für die Sporthallennutzung. Die Stadt wiederrum gewährte dem Verband X Zuschüsse in entsprechender Höhe. Wegen der Baukosten machte die GmbH Vorsteuer in Höhe von 165.842,11 Euro geltend.

Merkwürdig? Das Finanzamt sah dies in der Tat als so merkwürdig an, dass es von einem Gestaltungsmissbrauch ausging. Das Finanzamt war der Meinung, dass die Konstruktion unwirtschaftlich, umständlich, kompliziert, schwerfällig und ineffektiv sei. Ferner wies das Finanzamt darauf hin, dass die Stadt die Vorsteuer nicht hätte abziehen können, wenn nicht die GmbH zwischengeschaltet worden wäre, weil die Sporthallennutzung den Vereinen letztlich unentgeltlich angeboten wurde. Daher berücksichtigte das Finanzamt die Vorsteuern nicht. Dagegen ging die GmbH gerichtlich vor.

Entscheidung zugunsten der GmbH

Das Finanzgericht (FG) Münster gab der GmbH Recht. Es stellte fest, dass die GmbH die Sporthalle entgeltlich an die Vereine vermietete, weil sie quartalsweise Rechnungen ausstellte. Zwar seien keine schriftlichen Verträge abgeschlossen worden, aber der Vertragsschluss erfolgte konkludent durch die Nutzung der Halle und der Anerkennung der Benutzungsordnung, die Vergütungsregelungen enthielt. Auch das Argument des Finanzamts, die GmbH sei nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers (die Stadt) eingegliedert und damit kein zum Vorsteuerabzug berechtigter selbständiger Unternehmer, ließ das FG Münster nicht gelten. Nach Ansicht des FG Münster war die GmbH nämlich nicht organisatorisch in die Stadt eingegliedert. Eine solche organisatorische Eingliederung hätte lediglich bei einer Personenidentität in den Geschäftsführungsorganen der Stadt und der Tochter-GmbH vorgelegen. Die Geschäftsführer der GmbH waren aber lediglich nicht-leitende Beamte der Stadt. Leitend für die Stadt waren hingegen der Bürgermeister und die Beigeordneten der Stadt. Auch habe die Stadt nicht laufend durch Weisungen in die Geschäfte der GmbH eingegriffen. Von einer für eine organisatorische Eingliederung erforderlichen Beherrschung durch die Stadt könne daher keine Rede sein.

Keine Umgehung von Steuervorschriften

Auch dem Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung erteilte das FG Münster eine Absage. Der Steuerpflichtige habe grundsätzlich das Recht, seine Tätigkeit so zu gestalten, dass er seine Steuerschuld in Grenzen hält. Außerdem wäre auch die Stadt, wenn sie die Sporthalle selbst errichtet und steuerpflichtig vermietet hätte, zum Vorsteuerabzug berechtigt gewesen. Von einer Umgehung von Steuervorschriften könne daher nicht gesprochen werden. Auch sei der Verwaltungsaufwand durch die gewählte Gestaltung nicht größer. Würde die Stadt die Halle selbst betreiben, müsste sie wegen des jährlichen Defizites jährlich einen Beschluss des Gemeinderates einholen, was ebenfalls aufwändig sei. Und nicht zuletzt bestand das Ziel der Stadt, so das Gericht, nicht ausschließlich darin, die Halle kostenfrei zur Nutzung zu überlassen; sie wollte auch entgeltliche Vermietungen erreichen, was ihr in einem Fall auch gelang.

Dieses Urteil zeigt einmal mehr, was durch geschickte steuerliche Gestaltungen erreicht werden kann, auch wenn sich derart komplexe Konstruktionen sicher nicht in jedem Einzelfall anbieten. Im konkreten Fall konnte jedenfalls eine Ersparnis von über 165.000 Euro erreicht werden. Gerne sind unsere Fachanwälte Ihnen bei allen Fragen zur steuerlichen Gestaltung behilflich.

FG Münster, Urteil vom 03.11.2015, Az. 15 K 1252/14

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Vorsteuer: BFH-Vorlage an den EuGH zum Vorsteuerabzug bei unternehmerischer Mindestnutzung
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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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