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Ist Arbeitsvermittlung umsatzsteuerfrei und gemeinnützig?

Arbeitskräfte in Lohn und Brot bringen – das ist die Aufgabe eines Arbeitsvermittlers. Auch im Dritten Sektor gibt es entsprechende Agenturen, zum Beispiel solche, die von der Kirche oder von Studentenwerken organisiert werden. Ein Vermittler, der einem Arbeitssuchenden Arbeitsverträge vermittelt und dafür mit diesem einen Vermittlungsvertrag abschließt, erbringt hiermit allerdings nicht automatisch umsatzsteuerfreie Leistungen – selbst dann nicht, wenn er sein Entgelt aufgrund eines vom Arbeitssuchenden vorgelegten Vermittlungsgutscheins von der Agentur für Arbeit erhält. Das hat das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) in seinem Urteil vom 29. August 2012 entschieden.

Geklagt hatte ein Personalberater, der Arbeitssuchende vermittelte. In den jeweils geschlossenen Vermittlungsverträgen war ein Honorar von 2.000 Euro für jede erfolgreiche Vermittlung vereinbart. War der Arbeitssuchende seit mehr als zwei Monaten arbeitslos, konnte dieser zur Bezahlung einen sog. Vermittlungsgutschein einlösen. Nach erfolgreicher Vermittlung erhielt der Personalberater dann das Entgelt für die Vermittlung aus dem Vermittlungsgutschein von der Agentur für Arbeit bzw. der Arbeitsgemeinschaft ausbezahlt.

Als das Finanzamt Umsatzsteuer für die Arbeitsvermittlung einforderte, wehrte sich der Arbeitsvermittler dagegen vor Gericht. Er war der Meinung, zwischen ihm und den einzelnen Arbeitssuchenden habe zwar ein zivilrechtliches Leistungsverhältnis bestanden. Das sei aber rein formaler Natur gewesen. Tatsächlich habe er von vornherein nur einen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gegen die Bundesagentur für Arbeit gehabt. Deshalb stünden seine Leistungen qualitativ auf gleicher Stufe mit anderen steuerbefreiten Fortbildungsmaßnahmen im Sinne von § 4 Nr. 21 UStG. Durch die gesetzliche Regelung zu den Vermittlungsgutscheinen habe der Gesetzgeber außerdem zum Ausdruck gebracht, dass die Vermittlung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses eine Maßnahme der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit sei. Deshalb müssten auch seine Leistungen im Rahmen der Arbeitsvermittlung von der Umsatzsteuer befreit werden.

Das Schleswig-Holsteinische FG urteilte hingegen, dass weder nach dem UStG noch nach dem Europarecht eine steuerliche Privilegierung in Betracht komme. Zum einen dienten die Leistungen des Arbeitsvermittlers weder dem Schul- oder Bildungszweck, der nach § 4 Nr. 21 UStG Voraussetzung für eine Steuerbefreiung sei, noch habe die Leistung des Arbeitsvermittlers dem Bild der Sozialfürsorge im Sinne der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie entsprochen: Die Arbeitsvermittlung richte sich nämlich nicht ausschließlich an hilfsbedürftige Personen, sondern auch an ungekündigte Arbeitnehmer, die eine neue Stelle suchen, so das FG. Darüber hinaus hätte der Arbeitsvermittler als Einrichtung mit sozialem Charakter gelten müssen, um überhaupt in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuersystemrichtlinie zu fallen. Dagegen sprach jedoch, dass der Kläger seine Vermittlungsleistungen auf Grundlage eines mit dem Arbeitssuchenden abgeschlossenen Vertrags erbrachte und nicht aufgrund eines Vertrages mit der Arbeitsagentur selbst.

Hinweis: Die Vermittlung von Arbeitskräften ist nicht immer umsatzsteuerpflichtig. Sofern sich ein Dienstleister mit seinem Angebot ausschließlich an hilfsbedürftige Personen im Sinne des § 53 der Abgabenordnung (AO) wendet – z.B. an in einer wirtschaftlichen Notlage sich befindliche Arbeitslose (vgl. FG Berlin-Brandenburg v. 21.04.2012, EFG 2010, 2037) – kann es sich bei dem Angebot tatsächlich um eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen handeln. Sofern der Vermittler unmittelbar mit einem Träger der sozialen Sicherheit in vertraglichen Beziehungen steht, ist dann eine Umsatzsteuerbefreiung vorstellbar. Ebenfalls denkbar ist dann, dass dieser Dienstleister in den Genuss der Gemeinnützigkeit im Sinne der §§ 51 ff. AO, d.h. insbesondere der Ertragsteuerfreiheit, kommt.

FG Schleswig-Holstein, Urteil v. 29.08.2012, Az. 4 K 172/11.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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