Der Erhalt einer E-Mail, die möglicherweise Geschäftsgeheimnisse enthält, stellt per se keinen Verstoß gegen das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) dar. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einem Beschwerdeverfahren im November. Ein Textilunternehmen wollte eine einstweilige Verfügung gegen eine Wettbewerberin mit dem Ziel der Unterlassung der Nutzung von Geschäftsgeheimnissen erwirken, die diese durch eine E-Mail eines ehemaligen Mitarbeiters der Antragstellerin erhalten haben soll.
Mitarbeiter sendete Daten an neuen Arbeitgeber
Nachdem der Mitarbeiter des beantragenden Unternehmens von einer Wettbewerberin abgeworben worden war, kündigte er im Februar 2020 seinen Arbeitsvertrag zum 31.08.2020 und war ab Anfang April freigestellt. Bevor er im Herbst seine Arbeit bei der Wettbewerberin aufnahm, erhielt sein alter Arbeitgeber Hinweise, die einen Datenmissbrauch des Arbeitnehmers vermuten ließen. Daraufhin stimmte der Betriebsrat einer Untersuchung der Datenbewegungen des Mitarbeiters zu. Die Sichtung von verschiedenen Datensätzen ergab dabei, dass der ehemalige Mitarbeiter Daten auf externe Träger kopiert und seinem zukünftigen Arbeitgeber per E-Mail zugesendet hatte.
Actus contrarius wirkt Erstbegehungsgefahr entgegen
Das antragstellende Unternehmen fürchtete in der Folge die unrechtmäßige Nutzung der Daten durch die Wettbewerberin und verlangte die Offenlegung der erlangten Datensätze sowie die Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die Nutzung der durch die E-Mail erhaltenen Informationen.
In erster Instanz hatte bereits das Landgericht Frankfurt (LG) den Antrag abgewiesen, nun bestätigte also auch das OLG Frankfurt die Einschätzung des LG. Der bloße Erhalt einer E-Mail mit Daten, die von der Antragstellerin nur unzureichend konkretisiert werden konnten, ist für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht ausreichend. Vielmehr müsse von einer konkreten Erstbegehungsgefahr ausgegangen werden können, die das Gericht für fraglich hielt.
Selbst wenn von einer Erstbegehungsgefahr ausgegangen werden würde, sei eine gegenteilige Handlung in der Lage, eine Begehungsgefahr auszuräumen, sofern „das die Begehungsgefahr ausräumende Verhalten spiegelbildlich das umkehrt, was nach den konkreten Einzelfallumständen die Entstehung der Begehungsgefahr begründet hat“. Eine solche Handlung sah das Gericht in der glaubhaften Versicherung der Antragsgegnerin, die erhaltenen Daten weder zu nutzen noch offenzulegen.
Aktive Handlung für Verletzungshandlung notwendig
Weiter verlangte die Antragstellerin die Herausgabe von Dateien, die Geschäftsgeheimnisse enthalten, an einen Gerichtsvollzieher. Hierfür hätte die Antragsgegnerin jedoch Geschäftsgeheimnisse „erlangen“ müssen, wofür der ausschließliche Zugang einer E-Mail nach dem OLG nicht ausreichend war. Stattdessen müsse für ein Erlangen im Sinne des GeschGehG im Zugang ein aktives Element zu erkennen sein, was im vorliegenden Fall durch den Mangel am Beitrag zum Erhalt jener E-Mail nicht anzunehmen war.
Juristische Expertise kann Rechtsunsicherheiten minimieren
Der Fall zeigt deutlich, dass in Bezug auf das GeschGehG weiter Rechtsunsicherheiten bestehen, die nur durch fundierte juristische Expertise begrenzt werden können. So hätte ein Passus im alten Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers oder eine umfassende Verschwiegenheitsvereinbarung dem klagenden Unternehmen wesentlich bessere Erfolgsaussichten einräumen können. Zögern Sie nicht und kommen Sie bei Fragen gerne auf unsere Experten zu!
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