
Das Bundesfinanzministerium (BMF) vertritt in seinem Schreiben vom 10.05.2022 die Auffassung, dass Einkünfte aus dem Staking von Kryptowährungen den sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 3 EStG zuzuordnen sind, wenn sie nicht einer anderen Einkunftsart zugeordnet werden können.
Mit Staking bezeichnet das BMF dabei das Hinterlegen („Sperren“) von Coins zum Zweck der Verlängerung der Blockchain, und zwar in einer passiven Art und Weise dergestalt, dass der Anleger nicht selbst einen Node betreibt und als Validator auftritt.
Die Einordnung des Stakings als Einkünfte aus § 22 Nr. 3 EStG ist aus mehreren Gründen fragwürdig. Vielmehr sprechen gute Argumente dafür, Stakingeinkünfte als Kapitaleinkünfte gemäß § 20 EStG zu behandeln und somit der Abgeltungsteuer zu unterwerfen. Das kann für den Steuerpflichtigen Vorteile haben, aber auch nachteilig sein.
§ 22 Nr. 3 EStG ist gegenüber § 20 EStG subsidiär
Die Anwendung des § 22 Nr. 3 EStG scheitert unserer Meinung bereits daran, dass diese Norm ausdrücklich nur dann einschlägig ist, wenn die Einkünfte nicht zu einer anderen Einkunftsart gehören.
§ 22 Nr. 3 EStG ist somit gegenüber den anderen Einkunftsarten und damit insbesondere auch gegenüber § 20 EStG subsidiär. Wenn Stakingeinkünfte als Kapitaleinkünfte im Sinne des § 20 EStG einzuordnen sind, scheidet eine Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG also von vornherein aus.
Stakingeinkünfte als Einkünfte aus stillen Beteiligungen oder partiarischen Darlehen
Bei genauerer Betrachtung lässt sich das Staking von Kryptowährungen häufig als stille Beteiligung oder partiarisches Darlehen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG einordnen:
Die Überlassung von Kryptowährungen an die „Betreiber“ des Stakings bzw. an die Validatoren kann als Beteiligung als stiller Gesellschafter verstanden werden. Der Anleger stellt seine Kryptowährungen als Einlage zur Verfügung, um am Gewinn in Form von Staking Rewards beteiligt zu werden, ohne selbst nach außen in Erscheinung zu treten.
Alternativ kann im Staking auch ein sogenanntes partiarisches Darlehen gesehen werden, bei dem die überlassenen Kryptowährungen verzinslich zurückgezahlt werden, wobei sich die Verzinsung nach dem Erfolg des Unternehmens (hier: der Validierung von Blöcken) richtet.
In beiden Fällen sind die Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG erfüllt. Eine Anwendung von § 22 Nr. 3 EStG scheidet damit unseres Erachtens aus.
Stakingeinkünfte als sonstige Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Darüber hinaus können Stakingeinkünfte auch als sonstige Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG eingeordnet werden. Denn der BFH hat Kryptowährungen ausdrücklich mit Fremdwährungen und sogar gesetzlichen Zahlungsmitteln verglichen.
Und Zinseinkünfte aus Fremdwährungen fallen unstreitig unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, während Gewinne aus dem Handel mit Fremdwährungen als private Veräußerungsgeschäfte besteuert werden. Überträgt man dies auf Kryptowährungen, sind Gewinne aus dem An- und Verkauf von Kryptowährungen gemäß § 23 EStG zu besteuern (Haltefrist ein Jahr), Staking Rewards als „Zinseinkünfte“ hingegen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.
Achtung für HODLer: Verkauf der Coins möglicherweise steuerpflichtig
Noch nicht geklärt ist allerdings, ob die Qualifizierung der Staking Rewards als Kapitaleinkünfte in steuerlicher Hinsicht weitere Auswirkungen auf die gestakten Coins selbst hat.
Logisch zu Ende gedacht, müsste für Coins, die für das Staking eingesetzt werden, nämlich die steuerliche Systematik des § 20 EStG insgesamt gelten. Die Veräußerungsgewinne könnten dann nach § 20 Abs. 2 Nr. 4 oder Nr. 7 EStG steuerpflichtig sein (Abgeltungsteuer) – und zwar unabhängig von einer Haltefrist. Insoweit bestünde also eine Schlechterstellung gegenüber nicht gestakten Coins, die nach einem Jahr steuerfrei veräußert werden können.
Vor allem HODLer, die ihre Coins länger halten, wären davon betroffen. Trader hingegen wären generell bessergestellt: Sowohl ihre laufenden Staking Rewards als auch die Veräußerung der für das Staking eingesetzten Coins selbst unterlägen der Abgeltungsteuer von ca. 25 Prozent.
Stakingeinkünfte sind als Kapitaleinkünfte zu versteuern
Entgegen der Auffassung des BMF sprechen gute Gründe dafür, Einkünfte aus dem Staking von Kryptowährungen nicht nach § 22 Nr. 3 EStG, sondern als Kapitaleinkünfte gemäß § 20 EStG zu besteuern. Sie sind entweder als Einkünfte aus stillen Beteiligungen bzw. partiarischen Darlehen nach § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG oder als sonstige Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG einzuordnen. Eine Ungleichbehandlung gegenüber „klassischen“ Kapitaleinkünften wäre verfassungsrechtlich problematisch. Es bleibt abzuwarten, ob sich diese Sichtweise in Rechtsprechung und Verwaltungspraxis durchsetzen wird.
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