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BMF-Schreiben zum ermäßigten Umsatzsteuersatz für Zweckbetriebe

Das Bundesfinanzministerium hat den durch das Jahressteuergesetz 2007 eingefügten und nur schwer verständlichen § 12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG in einem Schreiben vom 9.2.2007 näher erläutert. Der neu eingefügte Satz, wonach die Klassifizierung als Zweckbetrieb nicht mehr automatisch zur Besteuerung mit dem ermäßigten Steuersatz von 7 % führt, lautet wie folgt:

“Für Leistungen, die im Rahmen eines Zweckbetriebs ausgeführt werden, gilt Satz 1 [Anm.: der ermäßigte Steuersatz von 7%] nur, wenn der Zweckbetrieb nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dient, die in unmittelbarem Wettbewerb mit dem allgemeinen Steuersatz unterliegenden Leistungen anderer Unternehmer ausgeführt werden, oder wenn die Körperschaft mit diesen Leistungen ihrer in §§ 66 bis 68 der Abgabenordnung bezeichneten Zweckbetriebe ihre steuerbegünstigten satzungsgemäßen Zwecke selbst verwirklicht.”

Das BMF stellt hierzu klar, dass wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die die Zweckbetriebsvoraussetzungen gemäß § 65 AO erfüllen, von der Neuregelung nicht betroffen seien, da sie nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen durch die Ausführung von Umsätzen dienen, die in unmittelbarem Wettbewerb zu nicht begünstigten Unternehmern ausgeführt werden. Gleiches gelte für Zweckbetriebe gemäß § 66, § 68 Nr. 1 Buchst. a sowie § 68 Nr. 2 AO.
“Zusätzliche” Einnahmen sollen – so das BMF – immer dann vorliegen, wenn es sich bei den Umsätzen nicht lediglich um Hilfsumsätze im Sinne des Abschnitts 251 Abs. 2 Satz 4 und 5 der Umsatzsteuerrichtlinien handelt. Ein Zweckbetrieb diene in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen, wenn er sich zu mehr als 50% aus derartigen Einnahmen finanziere, wobei nicht steuerbare Zuschüsse nicht zu den Einnahmen in diesem Sinne zählen sollen. Aus Vereinfachungsgründen sei davon auszugehen, dass ein Zweckbetrieb dann nicht in erster Linie der Erzielung zusätzlicher Einnahmen diene, wenn sich sein Gesamtumsatz im Rahmen der Grenze des § 64 Abs. 3 AO (derzeit noch 30.678,- Euro) halte.

Da mit ihnen die steuerbegünstigten Zwecke der Körperschaft “unmittelbar” verwirklicht würden, sei auch z.B. für die folgenden (hier nicht abschließend aufgeführten) Leistungen der ermäßigte Steuersatz anwendbar:

– Umsätze auf dem Gebiet der Heilbehandlung (§ 67 AO),
– Umsätze durch Eintrittsgelder für sportliche Veranstaltungen (§ 67a AO),
– Betreuungs- und Beherbergungsumsätze von Kindergärten sowie Kinder-, Jugend- und Studenten- oder Schullandheimen (§ 68 Nr. 1 Buchst. b AO),
– Umsätze aus Eintrittsgeldern kultureller Einrichtungen, wie Museen, Theater, Konzerte und Kunstausstellungen (§ 68 Nr. 7 AO).

Schließlich erläutert das BMF noch die Anwendung des neuen Rechts auf die Einzelfälle Werkstätten für behinderte Menschen (§ 68 Nr. 3 Buchst. a AO), Integrationsprojekte (§ 68 Nr. 3 Buchst. c AO) sowie Lotterien und Ausspielungen (§ 68 Nr. 6 AO).

Hinweis: Was unter dem Begriff “selbst” gegen Ende des eingefügten Satz 3 zu verstehen ist, klärt das BMF-Schreiben leider nicht auf. Das BMF-Schreiben bezieht keine eindeutige Stellung, obwohl die Wahl des aus § 57 AO bekannten Begriffs “selbst” hierzu geradezu herausfordert. Im Umkehrschluss zum ebenfalls in § 57 AO genannten Begriff “unmittelbar” könnte der Begriff nämlich so zu verstehen sein, dass die Körperschaft in eigener Person tätig werden muss, also sich keiner Subunternehmer bedienen darf.
Diesen Schluss zieht das BMF nicht. Es verkompliziert die Sache dadurch, dass es den Begriff “unmittelbar” offenbar zumindest ein Mal synonym für den Begriff “selbst” verwendet, obwohl dem Gesamtzusammenhang des Schreibens ansonsten eher zu entnehmen ist, dass der Begriff “selbst” gerade nichts mit dem aus § 57 AO bekannten Begriff der Unmittelbarkeit zu tun haben, sondern sich vielmehr auf die “steuerbegünstigten Zwecke”, also “die steuerbegünstigten Zwecke selbst”, beziehen soll. Hiernach dürfen also nur und allein die steuerbegünstigten Zwecke durch den Zweckbetrieb verwirklicht werden, um den ermäßigten Steuersatz auszulösen.

Wenn der Gesetzgeber tatsächlich letztere (durchaus sinnvolle) Auslegung im Sinn gehabt haben sollte, hätte er besser auf die verwirrende Einfügung des Begriffs “selbst” ganz verzichtet. §12 Abs. 2 Nr. 8 Buchst. a Satz 3 UStG wäre ohne das zu einem bloßen Füllwort degradierte “selbst” aus sich heraus besser verständlich und eindeutig.

In jedem Fall darf sich die Beraterzunft über den neu eingefügten Satz 3 freuen. Es bedarf keiner hellseherischer Fähigkeiten, um voraussehen zu können, das das neue Recht über Jahre hinweg Beratungsbedarf auslösen und die Gerichte beschäftigen wird. War es schon bisher schwierig, ertragssteuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe von ertragssteuerbegünstigten Zweckbetrieben zu unterscheiden, wird es nunmehr zusätzlich nötig, umsatzsteuerlich privilegierte von nicht privilegierten Zweckbetrieben abzugrenzen – eine Bankrotterklärung des Gesetzgebers mit Blick auf die von allen Seiten geforderte Vereinfachung des Gemeinnützigkeitsrechts.

BMF v. 09.02.2007, Az. IV A 5 – S 7242a/07/0001
s. auch Winheller, DStZ 6/2007 (im Druck)

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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