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Kritik an Corona-Maßnahmen durch NPOs: Unzulässige politische Tätigkeit?

Kritik an Corona-Maßnahmen durch NPOsDas Finanzgericht (FG) München hat eine wichtige Entscheidung getroffen, deren Grundsätze viele NPOs betreffen könnten, die sich politisch engagieren. Interessant an dieser Entscheidung ist vor allem, dass sich das (politische) Engagement der betroffenen NPO grundsätzlich mit ihrem Satzungszweck vereinbaren ließ. Das Gericht musste somit abwägen, ab welchem Punkt das politische Engagement der NPO zu weit ging und hat hierzu wichtige Leitlinien aufgestellt, an denen sich NPOs zukünftig orientieren können.

Verein engagiert sich gegen Corona-Maßnahmen

In dem Fall vor dem FG München ging es um einen gemeinnützigen Verein, dessen Zwecke die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens und des demokratischen Staatswesens sind. Mitglieder des Vereins waren hauptsächlich medizinisches Personal wie z.B. Ärzte sowie einige Professoren, die die Öffentlichkeit nicht nur über die Gefahren des Coronavirus als solches, sondern auch über mögliche gesundheitliche Gefahren durch die Corona-Maßnahmen informieren wollten.

Der Verein äußerte sich in seinen wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf seiner Webseite, in Zeitungen und Pressemitteilungen mehrfach zu den aus seiner Sicht möglichen gesundheitlichen Gefahren des Tragens von Masken, der Verwendung von Desinfektionsmitteln sowie einer möglichen Impfpflicht. Er stellte jedoch auch konkrete politische Forderungen an die Bundes- und Landesregierungen, wie z.B. die sofortige Aufhebung aller Corona-Maßnahmen, die im Internet und in Zeitungen im Namen des Vereins veröffentlicht wurden – ohne jedoch in diesem Fall seine Forderungen wissenschaftlich zu begründen.

Aberkennung der Gemeinnützigkeit durch das Finanzamt

Das Finanzamt sah die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins nicht mehr als gemeinnützigkeitsrechtskonform an, sodass es einen Körperschaftsteuer-Vorauszahlungsbescheid in Höhe von null Euro erließ und dem Verein damit faktisch die Gemeinnützigkeit aberkannte.

Sachliche Kritik ist zulässig…

Der Verein wehrte sich dagegen, blieb damit aber ohne Erfolg. Bei einer Gesamtbetrachtung aller Faktoren sei, so das FG München, die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins nicht mehr darauf gerichtet gewesen, ausschließlich gemeinnützige Zwecke zu verfolgen, sodass das Finanzamt die Gemeinnützigkeit zu Recht aberkannt habe. Dabei müsse jedoch nach den einzelnen Aktivitäten des Vereins differenziert werden, da nicht jede davon per se schädlich für die Gemeinnützigkeit des Vereins gewesen ist.

So seien etwa die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Vereins, die auf die gesundheitlichen Gefahren der Corona-Maßnahmen hinwiesen und mehrheitlich zu Beginn der Pandemie erschienen waren, aus gemeinnützigkeitsrechtlicher Sicht unbedenklich – auch wenn der Verein darin eine andere Position als die Bundes- und Landesregierungen vertrat. Denn die wissenschaftlichen Veröffentlichungen des Vereins stellen zum einen eine sachliche Kritik an den Corona-Maßnahmen dar und zum anderen war gerade zu Beginn der Pandemie selbst innerhalb der Wissenschaft umstritten, welche Hygienemaßnahmen am geeignetsten für die Bekämpfung des Coronavirus seien. Ferner leistete der Verein durch seine Hinweise auf mögliche gesundheitliche Gefahren durch die Corona-Maßnahmen grundsätzlich einen Beitrag zur Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens.

…pauschale politische Forderungen dagegen nicht

Dagegen überschritt der Verein die Grenze der Gemeinnützigkeit, als er auch politische Forderungen an die Bundes- und Landesregierungen stellte. Insbesondere die undifferenzierte Forderung nach der sofortigen Aufhebung aller Corona-Maßnahmen, ohne dass sich der Verein dabei näher mit den medizinischen, virologischen oder epidemiologischen Gründen für deren Implementierung auseinandersetzte, war nach Auffassung des Gerichts nicht mit einer gemeinnützigen Zweckverfolgung zu vereinbaren. Denn hierdurch trete der Verein in den politischen Wettstreit um die richtige Strategie im Umgang mit der Coronapandemie und wolle damit seine eigenen Gruppeninteressen durchsetzen, was nicht mehr vom gemeinnützigen Zweck „Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens“ gedeckt sei.

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Dies sei nur der Fall, wenn die Forderungen des Vereins eine ergebnisoffene und gemeinwohlorientierte Lösung zuließen und auf die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens gerichtet seien. Die sofortige Aufhebung aller Corona-Maßnahmen diene dem nicht, da mittlerweile wissenschaftlich anerkannt sei, dass etwa die Maskenpflicht effektiv vor einer Infektion mit dem Coronavirus schützen kann.

Förderung des demokratischen Staatswesens nur bei geistiger Offenheit

Zwar verfolge der Verein auch den Zweck der „Förderung des demokratischen Staatswesens“. Die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins sei allerdings nicht auf die Förderung dieses Zwecks gerichtet, so das Gericht. Denn der Verein habe nicht in geistiger Offenheit gehandelt, sondern stattdessen mit seiner pauschalen Forderung nach Aufhebung aller Corona-Maßnahmen versucht, Einfluss auf die politische Willensbildung zu nehmen und die öffentliche Meinung so zu gestalten, dass er seine eigene Auffassung durchsetzen könne. Mit anderen Worten: Der Verein hätte nicht versuchen dürfen, die Öffentlichkeit von konkreten politischen Zielen zu überzeugen, sondern hätte stattdessen objektiv und neutral und damit in geistiger Offenheit auf die Gefahren der Corona-Maßnahmen hinweisen müssen. Nur auf diese Weise hätte sich die tatsächliche Geschäftsführung des Vereins noch innerhalb des Zweckes „Förderung des demokratischen Staatswesens“ bewegt.

Korrekte Entscheidung aus rechtlicher Sicht

Wir halten die Entscheidung des Gerichts aus rechtlicher Sicht für korrekt. Wie zuletzt der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen zu Attac und zum BUND e.V. entschieden hat, dürfen sich gemeinnützige Organisationen zwar durchaus kritisch zu politischen Themen äußern, allerdings müssen sie sich dabei ihre geistige Offenheit bewahren und ihre Kritik auf sachlich fundierte und objektive Argumente stützen.

Hinweis

Erfreulicherweise hat das FG München die Beschwerde zum BFH zugelassen, sodass der BFH noch einmal die Gelegenheit erhält, sich zum zulässigen Umfang der politischen Betätigung von NPOs zu äußern. Wie der Streit am Ende ausgehen wird, dürfte auch viele NPOs, die sich im Umwelt- und Naturschutz engagieren, interessieren. Denn auch sie äußern sich häufig kritisch über geplante staatliche Maßnahmen, die entweder die Natur und Umwelt schädigen oder nicht ausreichend schützen. Damit laufen auch sie Gefahr, im Einzelfall die Grenzen der Gemeinnützigkeit zu überschreiten und sich damit unzulässig politisch zu betätigen. Es bleibt daher spannend, wie der BFH entscheiden wird. Wir halten Sie auf dem Laufenden. 

FG München, Beschluss v. 30.03.2021 – 7 V

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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