Besteller muss darlegen können, dass ein Werkvertrag vorliegt
Zahlreiche Unternehmen, etwa im Bereich der IT, spezialisieren sich darauf, besondere Dienstleistungen, zum Teil erfolgsabhängig, zu erbringen. Hierbei müssen jedoch beide Seiten – Unternehmen wie Kunde – besonders aufmerksam auf den Vertragswortlaut achten. Denn die klare Unterscheidung zwischen einem Werkvertrag und einer Arbeitnehmerüberlassung ist für Unternehmen bereits bei der Ausgestaltung ihrer Verträge von entscheidender Bedeutung, um später schwerwiegende rechtliche Konsequenzen aus dem Vorwurf einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden und klare Rechtsbeziehungen zu etablieren.
Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in seinem Urteil vom 25.07.2023 (Az.: 9 AZR 278/22) erneut bestätigt.
Klage auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher
Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Kläger war bei einer Firma als „Systemingenieur“ (IT) angestellt. Diese Firma setzte den Kläger in dieser Tätigkeitsbezeichnung bei der Beklagten ein. Bei dieser betreute der Kläger Steuergeräte für Fahrzeuge in Zusammenarbeit mit einem Team, dem sowohl eigene Mitarbeiter der Beklagten als auch solche aus anderen Firmen zugeordnet waren. Der Einsatz des Klägers erfolgte auf Grundlage eines Vertrags, der als Werkvertrag bezeichnet worden war. Allerdings ließ der Vertrag den Vertragsgegenstand weitestgehend ungeregelt, sodass dieser erst in der Umsetzung des Vertrags durch das Weisungsrecht der Beklagten konkretisiert wurde.
Der Kläger war der Ansicht, dass es sich um eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung gehandelt habe und klagte bei dem Arbeitsgericht Darmstadt auf Feststellung eines bestehenden Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten. Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab, allerdings obsiegte der Kläger mit seinem Antrag in allen folgenden Instanzen.
Verdeckte Arbeitnehmerüberlassung oder Werkvertrag?
Wird eine Arbeitnehmerüberlassung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet, weil der Vertragswortlaut von einem Werkvertrag ausgeht, und wird die Person des Leiharbeitnehmers infolgedessen nicht konkretisiert, so stellt dies eine verdeckte Arbeitnehmerüberlassung dar.
Bereits zuvor hatte das BAG klare Leitlinien für die Abgrenzung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung festgelegt. Danach kommt es auf die Ausgestaltung und die Reichweite des Weisungsrechts des Kunden an. Bei einem Werkvertrag ist die Erbringung eines bestimmten Werks, also ein Erfolg, geschuldet. Daher dürfen sich etwaige Anweisungen des Kunden als Werknehmer nur auf Modalitäten dieses Werks beschränken und nicht leistungsbezogen sein. Wenn aber auch Modalitäten der Arbeitsleistung den Weisungen des Kunden zugänglich sind, geht das BAG von einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung aus.
Diese kann schwerwiegende
- arbeitsrechtliche,
- sozialrechtliche und
- strafrechtliche
Konsequenzen für alle Beteiligten nach sich ziehen. Die arbeitsrechtlichen Folgen sind, dass einerseits der Arbeitsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer unwirksam ist und andererseits zwischen dem Entleiher und dem Leiharbeitnehmer kraft Gesetzes ein Arbeitsverhältnis zustande kommt.
BAG: Entleiher trägt Verantwortung für Darlegung des Vertragsinhalts
Das BAG betont zwar erneut, dass für die Bestimmung der Rechtsbeziehung im Fremdpersonaleinsatz die tatsächliche Durchführung des Vertrags maßgeblich ist. Das gilt aber nur dann, wenn die tatsächliche Durchführung dem formellem Vertragsinhalt widerspricht. Im ersten Schritt ist daher stets der Wortlaut der die Überlassung regelnden Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen zu ermitteln.
Nach dem BAG hat der Besteller dabei die weitergehende sekundäre Darlegungs- und Beweislast dafür, dass das Vertragsverhältnis nicht als Arbeitnehmerüberlassung, sondern als Werkvertrag ausgestaltet ist, wenn dem eingesetzten Arbeitnehmer der Vertragsinhalt unbekannt und dessen konkrete Darlegung daher unmöglich ist. Dann trägt der Besteller die Verantwortung dafür, detailliert aufzuführen, dass der vereinbarte Vertragsgegenstand auf die Erbringung eines ausreichend klar bestimmten Werks ausgerichtet war und nicht erst durch seine eigenen Weisungen in der Ausführung festgelegt werden musste.
WINHELLER berät Unternehmen beim Fremdpersonaleinsatz
Bei Verträgen im Fremdpersonaleinsatz spielt der Vertragsinhalt eine nicht zu unterschätzende Rolle, um die Folgen einer verdeckten Arbeitnehmerüberlassung zu vermeiden. Unternehmen sollten daher äußerste Sorgfalt walten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Verträge klar und eindeutig formuliert sind. Dies gilt nicht nur für die Unternehmer, sondern insbesondere auch für die Besteller. WINHELLER berät Ihr Unternehmen bei allen Fragen rund um eine präzise Vertragsgestaltung und den Fremdpersonaleinsatz, um rechtliche Risiken zu minimieren und klare Vertragsbeziehungen zu gewährleisten.
Weiterlesen:
Umfassende Beratung zu Arbeitnehmerüberlassung und Zeitarbeit
Arbeitnehmerüberlassung: Arbeitgeber ist, wer kraft Vertrags das Weisungsrecht hat