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Wann unterliegen Stipendien der Einkommensteuer?

Wann unterliegen Stipendien der Einkommensteuer?Der Bundesfinanzhof (BFH) hat kürzlich entschieden, dass das sog. „Thüringen-Stipendium“ nicht steuerbar ist und damit nicht der Einkommensteuer unterliegt. Welche Gründe hierfür maßgeblich waren und welche Schlüsse NPOs für die Gestaltung ihrer Stipendienverträge ziehen können, verraten wir Ihnen in diesem Beitrag.

Was ist das Thüringen-Stipendium?

Der Fall vor dem BFH betraf eine Ärztin, die das sog. „Thüringen-Stipendium“ in Höhe einer Einmalzahlung von 15.000 Euro erhielt. Das Stipendium wird von der gemeinnützigen Stiftung zur Förderung der ambulanten ärztlichen Versorgung im Freistaat Thüringen vergeben, die gemeinsam vom Bundesland Thüringen und der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen gegründet wurde. Mit dem Stipendium möchte die Stiftung Ärzte fördern, die sich gerade in ihrer Facharztausbildung, etwa zum Facharzt für Allgemeinmedizin oder Innere Medizin befinden.

Einzige Bedingung: Die Fachärzte in spe müssen sich dazu verpflichten, nach erfolgreichem Abschluss ihrer Facharztausbildung für mindestens vier Jahre als Vertragsärzte in Thüringen tätig zu sein. Dabei ist es unerheblich, ob die Tätigkeit des Arztes in einer eigenen Niederlassung oder als angestellter Arzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Vertragsarztpraxis erfolgt. Sollten die Stipendiaten ihre Facharztausbildung nicht erfolgreich abschließen bzw. nach Abschluss ihrer Ausbildung nicht in Thüringen bleiben, sind sie zur vollständigen Rückzahlung des Stipendiums verpflichtet.

Finanzamt und Finanzgericht: Stipendium ist steuerpflichtig

Die Ärztin ging davon aus, dass das Stipendium nicht steuerpflichtig war und gab daher die erhaltenen Fördergelder nicht in ihrer Steuererklärung an. Das Finanzamt war jedoch der Ansicht, dass die Gelder zu den sonstigen Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zählten. Nach erfolglosem Einspruch reichte die Ärztin Klage beim Finanzgericht (FG) Thüringen ein. Doch die Thüringer Finanzrichter wiesen die Klage der Ärztin ab. Das Finanzamt habe die Fördergelder zu Recht als sonstige Einkünfte berücksichtigt. Diese seien einkommensteuerpflichtig, da das Stipendium nicht gemäß § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei sei. Denn das Stipendium diene weder der Förderung der Forschung noch der Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Aus- oder Fortbildung. Stattdessen diene das Stipendium dazu, den Ärztemangel in Thüringen zu bekämpfen. Dieser Zweck sei jedoch nicht von § 3 Nr. 44 EStG umfasst, so das Gericht.

BFH: Stipendium ist nicht steuerbar

Die Ärztin gab nicht auf und legte Revision beim BFH ein – mit Erfolg. Denn der BFH entschied, dass die Stipendiengelder unter keine der sieben Einkunftsarten des EStG fielen und damit von vornherein nicht steuerbar waren. Der Grund: Es bestehe kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Zahlung des Stipendiums durch die Stiftung und der späteren Tätigkeit der Ärztin in Thüringen. Denn laut dem Stipendienvertrag erhielt die Ärztin das Stipendium bereits dann, wenn sie lediglich ihre Bereitschaft dazu erklärte, nach erfolgreichem Abschluss ihrer Facharztausbildung in Thüringen zu bleiben. Die zukünftige ärztliche Tätigkeit in Thüringen selbst stellte nicht den Grund für die Zahlung der 15.000 Euro dar, sondern schuf lediglich die Voraussetzungen dafür, dass die Stipendiatin die erhaltenen Gelder nicht zurückzahlen musste. Das reiche jedoch nicht aus, um einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen dem Stipendium und der späteren Arzttätigkeit herzustellen, der für eine Steuerbarkeit des Stipendiums notwendig sei, so das Gericht.

Kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Zahlung und Erklärung

Auch die Zahlung der Gelder im Gegenzug zu der Erklärung der Ärztin, nach Abschluss ihrer Ausbildung für vier Jahre in Thüringen zu bleiben, stelle keinen steuerbaren Vorgang im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG dar. Denn auch hier fehle es an einem wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen der Erklärung und der Zahlung. Bei den Stipendiengeldern handle es sich, so der BFH, nämlich lediglich um einen finanziellen Anreiz, der die Stipendiaten dazu motivieren sollte, nach Ende ihrer Ausbildung in Thüringen zu bleiben.

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Dafür spreche vor allem, dass die Stiftung ihre Stipendiaten nicht zum Bleiben zwingen könne, so der BFH. Werden die Stipendiaten in einem anderen Bundesland tätig, müssten sie zwar das Stipendium vollständig zurückzahlen. Mit weiteren Einschränkungen oder gar Vertragsstrafen müssten sie allerdings nicht rechnen, da die Stiftung gegenüber ihren Stipendiaten keinen weiteren Unterlassungs- oder Schadensersatzanspruch im Sinne eines Wettbewerbsverbots habe. Da die Zahlung der Stipendiengelder somit keine wirtschaftliche Gegenleistung für die Erklärung darstelle, könne auch kein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Erklärung der Ärztin und der Zahlung der Stipendiengelder bestehen.

BFH entscheidet zu Recht gegen Steuerbarkeit

Wir halten die Entscheidung des BFH für richtig. Er hat zu Recht entschieden, dass der Erhalt der Stipendiengelder einerseits und das Behaltendürfen des Geldes andererseits zwei verschiedene paar Schuhe sind, die steuerlich strikt voneinander getrennt werden müssen. Ebenfalls hat der BFH zu Recht entschieden, dass die Zahlung der Stipendiengelder keine wirtschaftliche Gegenleistung für die Erklärung der Stipendiaten, für mindestens vier Jahre in Thüringen tätig zu sein, darstellen kann.

Hinweis

NPOs sollten vermeiden, dass die von ihnen gewährten Stipendien einkommensteuerpflichtig sind. Denn hierdurch werden die Stipendiaten zusätzlich finanziell belastet. Zudem schmälert eine Steuerpflicht die Attraktivität der Stipendien. Zwar können die Stipendiaten auf § 3 Nr. 44 EStG zurückgreifen, falls das Finanzamt die Steuerbarkeit der Stipendien feststellen sollte. Allerdings gilt diese Regelung nur, sofern das Stipendium der Förderung der Forschung oder der Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Aus- oder Fortbildung dient. Es sind somit – wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt – nicht alle Stipendien von dieser Regelung erfasst. NPOs sollten die Entscheidung des BFH daher zum Anlass nehmen, ihre Stipendienverträge von einem Experten für Steuerrecht überprüfen und an die aktuelle Rechtslage anpassen zu lassen.

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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