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Anspruch von Vereinsmitgliedern auf Herausgabe von Mitgliederlisten

Anspruch von Vereinsmitgliedern auf Herausgabe von Mitgliederlisten

Vereinsmitglieder fordern immer wieder die Herausgabe von Mitgliederlisten, um dadurch die Vereinspolitik „von der Basis aus“ mitzugestalten. Das OLG Hamm hatte sich in einem Urteil vom 26.04.2023 eben dazu geäußert, ob ein Vereinsmitglied von seinem Verein die Übermittlung von Listen mit Daten der Vereinsmitglieder verlangen kann.

Vereinsmitglied fordert Mitgliederlisten für Opposition gegen Vorstand

Ein Mitglied eines etwa 5.500 Mitglieder umfassenden eingetragenen Vereins forderte von diesem Verein die elektronische Übermittlung einer Liste der Vereinsmitglieder mit Angaben über deren Vor- und Zunamen, Anschriften sowie E-Mail-Adressen. Die Satzung des Vereins nimmt an mehreren Stellen Bezug auf die Möglichkeit einer Kommunikation per E-Mail zwischen Verein und Mitgliedern. Es findet sich jedoch keine ausdrückliche Regelung darüber, dass die Mitglieder verpflichtet sind, ihre E-Mail-Adressen auch dem Verein mitzuteilen.

Das fragliche Vereinsmitglied wollte in Vorbereitung auf eine Mitgliederversammlung des Vereins mit anderen Vereinsmitgliedern in Kontakt treten, um dadurch eine Opposition gegen den Vereinsvorstand zu organisieren und gegebenenfalls auch eine außerordentliche Mitgliederversammlung zu initiieren.

Klage abgewiesen wegen entgegenstehender Interessen

Das Landgericht hat die Klage des Vereinsmitglieds auf Herausgabe der entsprechenden Liste abgewiesen. Zur Begründung führte es an, dass dem Begehren des Klägers die überwiegenden Interessen des Vereins und dessen Mitglieder entgegenstünden. Die Mitglieder eines Vereins müssten nicht damit rechnen, dass der Verein ihre ihm gegenüber angegebenen E-Mail-Adressen weitergibt. Grund dafür sei, dass eine Belästigung durch eine Vielzahl gesendeter E-Mails nach Ansicht des Gerichts als unzumutbar einzustufen ist. Dies ergebe sich ebenfalls aus der gesetzgeberischen Wertung des § 7 Abs. 2 Nr. 2 UWG, wonach unzumutbare Belästigung immer anzunehmen ist, wenn Werbung unter Verwendung von Anrufen, Faxgeräten oder E-Mails versendet wird, ohne dass die vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt.

OLG Hamm sieht berechtigtes Interesse des Mitglieds

Das mit der Berufung befasste OLG Hamm vertrat hierzu einen abweichenden Standpunkt. Der Kläger habe als Mitglied des Vereins einen aus der Vereinsmitgliedschaft erwachsenden Anspruch auf die geforderte Information. Demzufolge stehe einem Vereinsmitglied das Recht zur Einsichtnahme in die Bücher und Urkunden des Vereins zu. Voraussetzung dafür ist, dass das betreffende Mitglied ein berechtigtes Interesse an der Einsicht darlegen kann, dem kein überwiegendes Geheimhaltungsinteresse des Vereins oder sonstige berechtigte Belange der anderen Vereinsmitglieder entgegenstehen. Diesem Grundsatz nach hat der Kläger Anspruch auf die von ihm verlangte Information, da er in diesem konkreten Fall seine berechtigten Interessen geltend machen kann und dem keine gegenteiligen Interessen oder Belange gegenüberstehen.

Nur geringe Belästigung der Mitglieder

Das berechtigte Interesse des Vereinsmitglieds sei in diesem Zusammenhang dadurch gegeben, dass es eine Opposition gegenüber der Vereinspolitik des Vorstands aufbauen will. Dabei ist zu bemerken, dass die Herausgabe einer solchen Liste für den Verein kaum einen Aufwand darstellt, da Vereine in dieser entsprechenden Größenordnung zumeist bereits über eine solche Liste der E-Mail-Adressen der Mitglieder verfügen. Zudem sei die durch E-Mails erzeugte Belästigung der Mitglieder wesentlich geringer als durch postalisch gesendete Mitteilungen, wobei bei diesen auch ein höherer Ressourcenaufwand an Papier notwendig ist. Ebenso sei die Versendung der Listen per E-Mail aufgrund des geringeren Aufwands wesentlich problemloser möglich als die Versendung in Papierform.

Übermittlung der Mitgliederlisten auch datenschutzrechtlich zulässig

Auch sei die Übermittlung der Mitgliederliste als datenschutzkonform i.S.d. DSGVO anzusehen. Die vom Kläger geforderte Mitgliederliste enthalte mit den E-Mail-Adressen Informationen, die personenbezogene Daten gem. Art. 4 Nr. 1 DSGVO darstellen. Mit dem Versand der Liste an den Kläger und der Speicherung durch diesen sei eine automatisierte Verarbeitung gem. Art. 2 Nr. 2 DSGVO gegeben, weshalb auch der Anwendungsbereich der nach Art. 2 Abs. 1 DSGVO eröffnet ist.

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Die Übermittlung der Mitgliederlisten sei aber von der Erlaubnis des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO gedeckt. Grund dafür sei, dass die Übermittlung der Liste zur Erfüllung eines Vertrags erforderlich ist. Bezüglich eines solchen Vertrags komme es darauf an, ob der datenschutzrechtlich verfolgte Zweck der Erlaubnis des Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO erfüllt ist. Dieser Zweck sei das Ermöglichen der selbstbestimmten Gestaltung der Beteiligten. Dies sei auch mit dem Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung vereinbar, da die vertragliche Verpflichtung durch Selbstbestimmung legitimiert ist.

Die Mitgliedschaft einer Person in einem Verband sei ein Rechtsverhältnis, welches durch den Beitritt des Mitglieds entsteht. Der Vereinsbeitritt habe somit Vertragscharakter. Der Beitritt zum Verein begründe in diesem Zusammenhang einen Vertrag i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Buchst. b DSGVO, da es sich um einen selbstbestimmt erklärten Beitritt zu einer privaten Vereinigung handelt. Die vorliegende Pflicht des Vereins zur Übermittlung der Mitgliederliste sei bereits durch Abwägung der gegenüberstehenden Interessen gegeben, da sie für die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte erforderlich ist. Grund dafür ist, dass die Mitgliedschaftsrechte ohne den Informationsanspruch nicht effektiv ausgeübt werden könnten bzw. sogar leer liefen, da die Gestaltung einer effektiven Opposition ohne Kenntnis aller Mitglieder kaum möglich sei.

Unsere erfahrenen Anwälte beraten Ihren Verein gern zur rechtssicheren Übermittlung von Mitgliederlisten. Melden Sie sich dazu gern bei uns.

OLG Hamm, Urteil v. 26.04.2023 – 8 U 94/22

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Eva Helfenstein

Rechtsanwältin Eva Helfenstein berät am Frankfurter Standort Stiftungen und andere Nonprofit-Organisationen in allen Angelegenheiten des Gemeinnützigkeits- und Stiftungsrechts.

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