Ein aktuelles Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster verdeutlicht, dass Kirchengemeinen die Grunderwerbsteuer bei Umstrukturierungen, bei denen die beteiligten Gemeinden über Grundvermögen verfügen, nicht vernachlässigen sollten. Denn das Gericht hat klargestellt, dass sich die Gemeinden nicht auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht berufen können, um eine Steuerpflicht zu vermeiden.
Kirchengemeinden schließen sich zusammen
Der Fall vor dem FG Münster betraf eine Kirchengemeinde in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie entstand durch die Vereinigung mehrerer kleinerer Kirchengemeinden derselben Rechtsform, die von einem Bischof per Dekret angeordnet wurde. Zwei dieser Gemeinden waren Gesellschafter einer gemeinnützigen GmbH (gGmbH), die ein Alten- und ein Kinderheim betrieb und über eigenen Grundbesitz verfügte. Die gGmbH war wiederum Alleingesellschafterin einer gemeinnützigen Krankenhaus-GmbH, die ebenfalls über Grundbesitz verfügte.
Finanzamt: Vereinigung der Gemeinden löst
Grunderwerbsteuer aus
Das Finanzamt stellte im Rahmen einer Betriebsprüfung fest, dass die Vereinigung der Gemeinden Grunderwerbsteuer ausgelöst habe und setzte eine hohe Nachzahlung fest. Durch den Übergang der einzelnen Kirchenvermögen auf die Klägerin seien die Anteile an den grundbesitzenden GmbHs zu 100% in der Hand der Klägerin vereinigt worden. Damit habe die Gemeinde die Grenze von 95% überschritten bis zu der solche Erwerbsvorgänge von der Grunderwerbsteuer ausgenommen seien.
Steuerfreiheit dank kirchlichem Selbstbestimmungsrecht?
Die Gemeinde wollte sich mit der Entscheidung des Finanzamts nicht abfinden und legte Einspruch dagegen ein. Nachdem dieser erfolglos blieb, reichte sie schließlich Klage beim FG Münster ein. Ihr Argument: Bei der Vereinigung der einzelnen Kirchengemeinden handle es sich um einen kircheninternen Vorgang, der vom kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gemäß Art. 140 Grundgesetz (GG) i.V.m. Art. 137 Abs. 3 der Weimarer Reichsverfassung (WRV) geschützt sei und somit grunderwerbsteuerfrei bleiben müsse. Denn eine Steuerpflicht sei nur in den Fällen gerechtfertigt, in denen die Gemeinde wie ein Privater am Markt auftrete.
Das sei jedoch hier nicht der Fall gewesen, da es sich bei der Vereinigung der Gemeinden um einen rein kircheninternen Vorgang handle, der aufgrund eines bischöflichen Dekrets und damit aufgrund einer hoheitlichen Maßnahme durchgeführt wurde.
FG Münster: Es kommt allein auf das Zivilrecht an
Die Gemeinde konnte das FG Münster mit seinem Argument jedoch nicht überzeugen. Das Gericht wies die Klage ab und bestätigte die Auffassung des Finanzamts. Der Grund: Es komme allein darauf an, ob aus zivilrechtlicher Sicht mehr als 95% der GmbH-Anteile in der Hand vereinigt wurden. Aus welchen Gründen die Anteile vereinigt wurden, so das Gericht, sei grunderwerbsteuerlich dagegen irrelevant.
Es liege zudem kein verfassungswidriger Verstoß gegen das religiöse Selbstbestimmungsrecht der Gemeinschaft vor. Denn mit der Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts habe sich die Gemeinde auch den staatlichen Regeln unterworfen, die – im Grunderwerbsteuerecht – nicht zwischen Unternehmen, NPOs oder Religionsgemeinschaften unterscheiden und für diese somit dieselben steuerlichen Folgen vorsehen.
FG Münster ignoriert Selbstbestimmungsrecht der Kirchen
Wir halten die Entscheidung des Gerichts für falsch. Denn die Vereinigung mehrerer Kirchengemeinden aufgrund eines bischöflichen Dekrets ist nicht mit der Verschmelzung mehrerer Unternehmen mit Grundbesitz vergleichbar und sollte daher auch grunderwerbsteuerlich anders behandelt werden. Zudem ignoriert das FG Münster mit seiner Auslegung das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, obwohl es verfassungsrechtlich geschützt ist und somit auch ins Steuerrecht ausstrahlt – das kann nicht richtig sein.
Verbindliche Auskunft beim Finanzamt einholen
Erfreulicherweise hat das Gericht die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) zugelassen (Az. II R 24/21). Da bei diesem Fall zudem ein Verstoß gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vorliegen könnte, halten wir es nicht für ausgeschlossen, dass dieser Fall sogar noch vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) landen könnte.
In der Zwischenzeit sollten Kirchengemeinden mit Grundbesitz darauf achten, vor jeder Umstrukturierung oder Transaktion – sei es aus kircheninternen oder „privaten“ Gründen – eine verbindliche Auskunft beim Finanzamt einzuholen, um böse Überraschungen bei der nächsten Betriebsprüfung zu vermeiden. Ferner sollten ähnlich betroffene Gemeinden – falls noch möglich – Einspruch gegen ihre Bescheide unter Verweis auf das aktuelle Revisionsverfahren vor dem BFH einlegen. Unsere Experten für Kirchen- und Steuerrecht unterstützen Sie gern.
FG Münster, Urteil v. 17.06.2021 – 8 K 364/21 GrE
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