Stiftungen des Privatrechts, die durch das Stiftungsgeschäft des Gründers errichtet werden und Rechtsfähigkeit durch staatliche Anerkennung erlangen, sind nur eine von mehreren möglichen Erscheinungsformen von Stiftungen. Neben den ebenfalls privatrechtlichen unselbständigen/nichtrechtsfähigen Treuhandstiftungen und sonstigen privatrechtlichen Rechtsformen (z.B. dem eingetragenen Verein) gibt es auch öffentlich-rechtliche Stiftungen, die durch Hoheitsakt, also z.B. durch ein Gesetz, errichtet werden. Daneben existieren mit Anstalten und Körperschaften weitere Rechtsformen des öffentlichen Rechts. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen hatte nun über die Rechtsform einer vor mehr als 160 Jahren gegründeten Schule zu entscheiden.
Gymnasium als Korporation nach „Allgemeinem Landrecht“
Das betroffene Gymnasium war im Jahr 1854 in Preußen als sog. Korporation „zum selbständigen Rechtssubjekt erhoben“ worden und erhielt dadurch die Rechtsfähigkeit sowie die Befähigung, als Dienstherr eigene Beamte zu ernennen. Das damalige „allgemeine Landrecht“ des Staates Preußen unterschied nicht zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Körperschaften, es kam damals vielmehr allein darauf an, die Rechtsfähigkeit überhaupt verliehen zu bekommen und somit auch der Aufsicht des Staates zu unterstehen. Das Verwaltungsgericht (VG) Münster tat sich mit der Bestimmung der Rechtsform des Gymnasiums entsprechend schwer.
Schulen sind meist Anstalten öffentlichen Rechts
Meist sind öffentliche Schulen als Anstalten des öffentlichen Rechts organisiert. Sie haben eigene (Geld-)Mittel und eigenes Personal und zeichnen sich durch ihre Benutzer aus, in diesem Fall Schüler. Auch öffentliche Schwimmbäder sowie die Rundfunkanstalten sind Anstalten des öffentlichen Rechts.
Ein Kuratorium ist kein hoheitlicher Träger
Derartige Anstalten bedürfen jedoch stets eines hoheitlichen (staatlichen) Trägers. Nach Auffassung des VG Münster schied die Rechtsform der Anstalt daher aus. Denn laut „Satzung“ des Gymnasiums bildete ein Kuratorium den „Träger der Korporationsrechte“. Dieses Kuratorium war jedoch privatrechtlich organisiert und nicht hoheitlich. In der Folge sah das VG die Schule insgesamt als nicht rechtsfähig und damit in einem Gerichtsverfahren als nicht beteiligtenfähig an. Die ursprüngliche Klage, in der es übrigens um eine Disziplinarsache gegen einen Lehrer ging, war demnach unzulässig.
Stiftungsgründung im Berufungsverfahren
Das wollte das Gymnasium nicht auf sich sitzen lassen und ging in Berufung, immerhin hatte es die Rechtsfähigkeit doch bereits 1854 zugesprochen bekommen. Wohl um auf Nummer sicher zu gehen, wurde die Schule zwischen dem Urteil des VG und der Verhandlung vor dem OVG außerdem in eine Stiftung des öffentlichen Rechts „umgewandelt“. Das Gymnasium war damit in jedem Fall beteiligtenfähig, doch kam es hinsichtlich der Dienstherrenfähigkeit noch immer auf den Status zum Zeitpunkt der umstrittenen Disziplinarsache an. Die Stiftungssatzung selbst enthielt hierzu den Hinweis, dass es sich bei der Einrichtung ursprünglich um einen privatrechtlichen Verein gehandelt habe, der durch die Gründungsurkunde den Status einer juristischen Person des öffentlichen Rechts erhielt.
Rechtsfähigkeit als Körperschaft des öffentlichen Rechts
Das OVG entschied letztlich in eine ganz ähnliche Richtung: Es sah die Schule als Körperschaft des öffentlichen Rechts an. Im Gegensatz zu einer Anstalt hat eine solche nicht nur Benutzer, sondern – mit einem Verein vergleichbar – Mitglieder. Öffentliche Universitäten etwa sind ebenso Körperschaften wie Gemeinden und Landkreise. Eingeschriebene Studenten bzw. gemeldete Einwohner sind Mitglieder der Körperschaft und als solche auch mitbestimmungsberechtigt, etwa in Senats- bzw. Gemeinderatswahlen. Im Falle des Gymnasiums waren die Schüler eben solche Mitglieder.
Da das Gymnasium öffentliche Aufgaben wahrnahm und durch den Staat Preußen gesondert anerkannt worden war, handelte es sich um eine öffentliche Körperschaft (im Gegensatz zu einem privaten Verein, der etwa eine Privatschule betreiben könnte). Die „Trägerschaft“ des Kuratoriums sei im Übrigen eine „in der Verwaltungspraxis geübte Falschbezeichnung“: Es handele sich bei dem Kuratorium vielmehr um das für Verwaltungsaufgaben zuständige Organ.
Einrichtungen sollten sich über ihre Rechtsform im Klaren sein
Auch wenn es in dem Verfahren eigentlich um eine Disziplinarsache ging – die Rechtsfähigkeit von Organisationen ist stets ein Thema, hier etwa im Rahmen der Beteiligtenfähigkeit vor Gericht. Jede Einrichtung, vor allem solche, die vor langer Zeit gegründet wurden, sollten sich über ihre Rechtsform im Klaren sein. Im Einzelfall kann die Bestimmung der Rechtsform freilich äußerst schwierig sein und nach einer intensiven historischen Recherche verlangen.
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OVG Nordrhein-Westfalen (Disziplinarsenat), Urteil v. 13.09.2017, Az. 3d A 2107/14.O
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