Die EU-Kommission veröffentlichte am 13.07.2023 ihren Bericht zur Rechtsstaatlichkeit der Mitgliedstaaten. Darin empfiehlt sie unter anderem, die von der Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag niedergelegten Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht umzusetzen. Allem voran scheint für die EU-Kommission insbesondere die gesetzliche Verankerung der Grenzen politischer Betätigung von NPOs ein Kernthema zu sein.
Die politische Betätigung gemeinnütziger Organisationen ist ein umstrittenes Thema. Von der Rechtsprechung wird sie in bestimmten Grenzen zugelassen, andere fordern hingegen die weitergehende Öffnung des Gemeinnützigkeitsrechts für die politische Mitwirkung von NPOs über die von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen hinaus.
Politische Betätigung aktuell problematisch
Mit dem Urteil des BFH vom 20.03.2017 (BFH vom 20.03.2017, X R 13/15) wurden die Grenzen politischer Betätigung von NPOs konkretisiert. Eine solche ist im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsgebot des § 56 AO problematisch. Sie ist nach BFH jedoch zulässig, wenn nur eine „allgemeinpolitische Betätigung“ vorliegt, die politische Betätigung also im Rahmen dessen liegt, was für das Eintreten und die Verwirklichung satzungsmäßiger Ziele erforderlich und zulässig ist. Darüber hinaus müssen die von der Organisation hinsichtlich ihrer satzungsmäßigen Ziele vertretenen Ansichten objektiv sowie sachlich fundiert sein, und parteipolitische Neutralität muss gegeben sein.
Zusammenhang zwischen politischer Betätigung und gemeinnützigem Zweck
Das bedeutet im Einzelnen, dass stets ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der in Frage stehenden politischen Betätigung und dem satzungsmäßigen, gemeinnützigen Zweck einer NPO bestehen muss. Liegt ein solcher vor, darf auch zu tagespolitischen Themen Stellung bezogen werden. Der politische Zweck darf aber nicht zum überwiegenden oder gar zum Hauptzweck der Organisation heranwachsen. Dies ist jedoch nicht anzunehmen, wenn mit einem anerkannten gemeinnützigen Zweck auch typischerweise eine gewisse politische Zielsetzung verbunden ist (so z.B. beim Umwelt- und Naturschutz).
Die kritische Diskussion und Information der Öffentlichkeit, auch gegenüber Politikern im Speziellen, reicht auch nicht für die Qualifikation eines Vereins als „politischer Verein“ aus, da sonst ein Großteil der gemeinnützigen Zwecke, die zwangsläufig mit politischem Engagement für das jeweilige Thema verbunden sind, leerliefe bzw. nicht mehr sinnvoll verfolgt werden könnte. Ein politischer Verein ist anzunehmen, wenn politische Ziele maßgeblich in den Vordergrund treten. Das Betreiben oder Unterstützen von Parteipolitik ist immer gemeinnützigkeitsschädlich.
Weiterhin muss sich die politische Betätigung im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung bewegen. Sie darf also nicht gegen geltende Rechtsnormen verstoßen.
Verstoß kann Entzug der Gemeinnützigkeit zur Folge haben
Wird gegen die vorgenannten Restriktionen verstoßen, droht oft der Entzug der Gemeinnützigkeit, wie bereits an einigen prominenten Beispielen deutlich wurde (Attac Trägerverein e.V., Campact e.V.).
Problematisiert wird von einigen gemeinnützigen Organisationen insbesondere der Umstand, dass diese Konsequenz als Druckmittel gegenüber NPOs eingesetzt wird. Die Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung stellte fest, dass sich mind. 30.000 deutsche Vereine deswegen in massiver politischer Zurückhaltung üben. Aus anderen Kreisen wird sogar von einer angstgetriebenen „unerwünschten Selbstzensur“ von Kultur- und Sportvereinen gesprochen. Zu dieser Thematik wurde kürzlich ein von uns erstelltes Gutachten zur Gemeinnützigkeit des Bundes der Steuerzahler Deutschland e.V. veröffentlicht, das aufzeigt, wie schwierig die Frage der Zulässigkeit von politischer Betätigung gemeinnütziger Organisationen derzeit ist.
Gesetzliche Bestimmungen sollen mehr Klarheit schaffen
Um diese Unsicherheit zu beseitigen, hat sich die Ampel-Koalition zum Ziel gesetzt, „gesetzlich klar[zu]stellen, dass sich eine gemeinnützige Organisation innerhalb ihrer steuerbegünstigten Zwecke politisch betätigen kann sowie auch gelegentlich darüber hinaus zu tagespolitischen Themen Stellung nehmen kann, ohne ihre Gemeinnützigkeit zu gefährden“.
Unter anderem auf diese Zielsetzung bezieht sich auch die EU-Kommission in ihrem Rechtsstaatlichkeitsbericht. Sämtliche geplanten Änderungen im Gemeinnützigkeitsrecht sollen danach weiterhin verfolgt und umgesetzt werden.
Finanzierung politischer Parteien
Allerdings bleibt die Frage offen, welches Maß an politischer Betätigung für eine NPO eigentlich sachgerecht ist.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in einigen Entscheidungen mit der Finanzierung politischer Parteien auseinandergesetzt und ist unter anderem zu dem Ergebnis gekommen, dass im Hinblick auf die Chancengleichheit politischer Parteien Einschränkungen bezüglich des Spendenabzugs sachlich gerechtfertigt seien, wie sie es bei gemeinnützigen Körperschaften nicht geben kann. Diese Einschränkungen sind in den §§ 23 ff. PartG niedergelegt und enthalten u.a. die Offenlegung sämtlicher Einkünfte einer politischen Partei in einem Rechenschaftsbericht sowie die namentliche Nennung von Großspendern (mehr als 10.000 Euro Spendenvolumen).
Hintergrund ist der mögliche Einflussbereich politischer Parteien, der im Vergleich zu dem gemeinnütziger Körperschaften erheblich umfangreicher ausfällt. Ziel der strengeren Anforderungen an die Parteienfinanzierung ist es daher, zu vermeiden, dass durch „Umwegfinanzierung“ oder spendenfinanzierte politische Betätigung eine nicht transparente Einflussnahme Vermögender auf die politische Willensbildung erfolgt. Stattdessen soll Transparenz geschaffen werden. Gleichzeitig wird hierdurch sichergestellt, dass Einkommensschwache nicht von der Einflussnahme auf die politische Willensbildung abgeschnitten werden. Im Ergebnis dient dies auch der Wahrung der Chancengleichheit politischer Parteien.
Unterstützung politischer Parteien durch NPOs nur in bestimmtem Maß zulässig
Das an gemeinnützige Körperschaften gerichtete Verbot der Parteienförderung ist also umfassend und dient aufgrund der privilegierenden Finanzierungsvorschriften dazu, eine Umgehung der für politische Parteien geltenden Vorschriften zu verhindern. Es gilt daher nicht nur für Umwegfinanzierungen, sondern auch für andere mittelbare Unterstützungs- und Fördermaßnahmen aus wirtschaftlichen Ressourcen gemeinnütziger Körperschaften. Eine mittelbare Unterstützung liegt bereits vor, wenn politische Ziele einer Partei unterstützt werden. Ein Fall der unzulässigen mittelbaren Unterstützung einer politischen Partei setzt voraus, dass eine Partei bezogen auf ihren politischen Erfolg unterstützt wird und die Tätigkeit der gemeinnützigen Körperschaft über die Unterstützung bestimmter politischer Ziele zur gemeinnützigen Zweckverfolgung hinausgeht.
Auch der Gesetzesentwurf wird daher diesen Anforderungen Rechnung tragen müssen.
Verlust der Gemeinnützigkeit vorbeugen
Die Entscheidung darüber, ob die politische Betätigung einer gemeinnützigen Organisation im Einzelnen zulässig ist, lässt sich nicht pauschal beantworten. Bevor eine gesetzliche Konkretisierung erfolgt ist (bzw. dann erst recht), empfiehlt sich stets eine fundierte rechtliche Bewertung geplanter Aktionen und Angebote, um einem drohenden Verlust der Gemeinnützigkeit vorzubeugen. Unsere erfahrenen Anwälte für Gemeinnützigkeitsrecht unterstützen Ihre NPO dabei gerne.
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