Die Debatte darüber, ob die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung staatliche Zuschüsse erhalten darf, ist seit einiger Zeit ein viel diskutiertes Thema. Bei diesen Zuschüssen handelt es sich um durchaus stolze Summen, da politische Stiftungen pro Jahr insgesamt rund 700 Millionen Euro erhalten (z.B. für politische Bildung, Forschung, Stipendien und Auslandsprojekte). Derzeit erhalten sechs parteinahe Stiftungen Mittel aus dem Bundeshaushalt:
- Konrad-Adenauer-Stiftung (CDU)
- Friedrich-Ebert-Stiftung (SPD)
- Heinrich-Böll-Stiftung (Die Grünen)
- Friedrich-Naumann-Stiftung (FDP)
- Rosa-Luxemburg-Stiftung (Linke)
- Hanns-Seidel-Stiftung (CSU)
Die Ampel-Fraktionen (und die Fraktion der CDU/CSU) haben nun einen Gesetzentwurf zur Regelung der Finanzierung der parteinahen Stiftungen vorgelegt.
Hintergrund: AfD-nahe Stiftung sollte von Finanzierung ausgeschlossen werden
Der Bundestag verweigert der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) seit 2019 Jahr für Jahr die Zuschüsse. Anfangs hieß es zur Begründung, dass die AfD erst noch zeigen müsse, dass sie eine dauerhafte, ins Gewicht fallende politische Grundströmung repräsentiere. Nach dem zweiten Einzug in den Bundestag 2021 beschlossen die anderen Fraktionen dann einen Vermerk zum Bundeshaushalt 2022, wonach parteinahe Stiftungen nur dann finanziert werden, wenn keine Zweifel an ihrer Verfassungstreue bestehen.
Auf Klage der AfD entschied das Bundesverfassungsgericht Anfang 2023 (Urt. v. 22.03.2023, Az. 2 BvE 3/19), dass die Verweigerung entsprechender Mittel gegenüber der DES einen Eingriff in das Recht der Parteien auf Chancengleichheit aus Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG darstellt, der nur aufgrund eines Gesetzes legitimiert werden kann. Ein bloßer Vermerk im Haushaltsgesetz genüge dem Gesetzesvorbehalt nicht. Der Förderungsausschluss parteinaher Stiftungen sei grundsätzlich möglich, wenn er zum Schutz gleichwertiger Verfassungsgüter geeignet und erforderlich sei. Dabei komme als gleichwertiges Verfassungsgut insbesondere der Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung in Betracht.
Gutachten zum Ausschluss parteinaher Stiftungen soll helfen
Die beiden renommierten Münchner Rechtsprofessoren Christoph Möllers und Christian Waldhoff, die bereits den Bundesrat im NPD-Verbotsverfahren vertreten haben, erstellten im Auftrag des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) ein Gutachten zu den rechtlichen Anforderungen des Finanzierungsausschlusses mit dem Titel „Verfassungsrechtliche Maßgaben für den Ausschluss parteinaher Stiftungen von der staatlichen Förderung“.
Kriterien für den Ausschluss aus der Stiftungsfinanzierung
Das Gutachten stellt klar, dass die Kriterien für den Ausschluss parteinaher Stiftungen von der staatlichen Förderung enger gefasst sein können als die Kriterien für ein Verbot von Parteien oder Vereinigungen. Die Förderung könne daher sowohl unter den Vorbehalt fehlender Verfassungsfeindlichkeit gestellt werden als auch unter den Vorbehalt einer aktiven Bereitschaft, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu fördern. Der Ausschluss könne allerdings nicht bereits im Gesetz erfolgen, da diese Entscheidung viel zu komplex dafür sei. Erforderlich seien eine komplette Betrachtung der Stiftungsaktivitäten und ein eigenes Verfahren, das der Stiftung nachweist, verfassungsfeindlich oder anderweitig die Förderung ausschließend zu handeln. Die Gutachter schlagen verschiedenen Verfahren zur Ausschlussentscheidung vor: In Betracht käme, die Entscheidung über den Ausschluss der Bundestagspräsidentin zuzuweisen. Diese prüft ohnehin schon den Status der politischen Stiftungen, wie etwa die Parteinähe. Um Zweifel an der Unabhängigkeit der Entscheidung auszuschließen, empfehlen Möllers und Waldhoff auf Antrag der Bundestagspräsidentin das Bundesverwaltungsgericht über den Ausschluss entscheiden zu lassen. Im Verfahren müsse auch die Stiftung angehört werden.
Ausgeschlossen von der Stiftungsfinanzierung sollen nach der Empfehlung des Gutachtens in jedem Fall diejenigen Stiftungen sein, deren nahestehende Parteien von der Parteienfinanzierung ausgeschlossen sind. Dies bedürfe einer gesonderten gesetzlichen Verankerung. Nicht ausreichend sei aber eine Einstufung einer politischen Partei als Verdachtsfall und deren Beobachtung durch den Verfassungsschutz. Dies würde eine Umgehung des Parteienprivilegs des Art. 21 Abs. 3 und 4 GG darstellen.
Gesetzentwurf von Ampel-Fraktionen und CDU/CSU
Konkret steht ein gemeinsamer Vorschlag der Ampel-Fraktionen und der CDU/CSU-Fraktion zur Diskussion, der zunächst positive Anforderungen für eine Finanzierung konkretisiert. Danach müssen die Stiftungen für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv eintreten. Wann Tatsachen vorliegen, die die Annahme rechtfertigen, dass dies durch die Arbeit der Stiftung nicht geboten wird, regelt der Entwurf wie folgt: Schädlich ist insbesondere eine frühere Stiftungsarbeit, die nicht der Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung diente oder mit dieser im Einklang steht. Eine Ausrichtung gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung wird auch dann angenommen, wenn die politische Stiftung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als Verdachtsfall oder als gesichert extremistisch eingestuft wird. Auch soll eine verfassungsfeindliche Prägung der politischen Grundströmung der Stiftung ins Gewicht fallen. Schädlich ist auch die Mitwirkung, Beschäftigung oder Beauftragung von Personen, die im hinreichenden Verdacht stehen, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verfolgen.
Möchten Sie Neuigkeiten wie diese monatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter Nonprofitrecht aktuell.
Weiteres Kriterium für die Stiftungsfinanzierung ist laut Entwurf, dass die den Stiftungen nahestehenden Parteien dreimal hintereinander in den Bundestag einziehen.
Das Ende der öffentlichen Förderung wird spiegelbildlich zu den Fördervoraussetzungen geregelt. Die Zuständigkeit für die Feststellungen, die zum Ende der Förderung führen, wird laut Entwurf auf das BMI übertragen.
Mögliche Schwächen der Ausschlusskriterien des Entwurfs der Ampel-Fraktionen
Praktisch setzt die Handhabung dieser Hilfskriterien jeweils eine intensive Durchleuchtung der Stiftungsarbeit voraus. Verfassungsrechtlich problematisch wären in diesem Zusammenhang auch Ausschlussentscheidungen auf der Grundlage von Verdachtslagen, ganz besonders wenn sich diese im Nachhinein als falsch erweisen.
Dabei ist zu beachten, dass die Korrektur und/oder Aufhebung von Verdachtseinstufungen des Verfassungsschutzes zu dessen Tagesgeschäft zählt. Würde sich bei einem jahrelang betriebenen Verfahren über den Ausschluss einer solchen Stiftung die Verdachtslage als falsch erweisen, wäre eine schwere Beeinträchtigung der Chancengleichheit offenkundig.
Der „alternative“ Gesetzentwurf der AfD-Fraktion
Auch die AfD-Fraktion hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der den Status, die Anerkennung und die Führung sowie die Förderung der parteinahen Stiftungen regelt. Kriterien zum Ausschluss von der Stiftungsfinanzierung sind allerdings enger gefasst. Nach dem AfD-Entwurf sind die Gründe für den Ausschluss einer Stiftung von der öffentlichen Förderung – neben deren Auflösung oder der Aberkennung durch die ihr nahestehende Partei – die gerichtliche Feststellung eines schwerwiegenden und wiederholten Verstoßes der Stiftung gegen „dieses Gesetz“, das Verbot der anerkennenden Partei, der Ausschluss der anerkennenden Partei von der Parteienfinanzierung sowie die Erklärung der Verfassungswidrigkeit der anerkennenden Partei.
Diese Kriterien haben für sich, dass die Entscheidung über die Aberkennung an ein vorgeschaltetes etabliertes Verfahren anknüpft. Faktisch werden den politischen Stiftungen damit aber nahezu die gleichen Rechte eingeräumt wie den Parteien, denen sie nahestehen. Dies dürfte eine Überinterpretation ihres Status‘ darstellen und ist auch verfassungsrechtlich nicht zwingend.
Regierung unter Zeitdruck
Am 13.10.2023 fand die erste Lesung der Gesetzentwürfe im Bundestag statt. Sie wurden in den Innenausschuss vertagt.
Der Bundeshaushalt für 2024 soll am 01.12.2023 beschlossen werden. Bis dahin muss das Stiftungsgesetz in Kraft sein. Ob der dadurch bestehende Zeitdruck dazu führt, dass die Vorgaben des Gutachtens weitgehend übernommen werden, wird sich zeigen.
Weiterlesen:
Reform des Stiftungsrechts 2023: Diese Regelungen müssen Stiftungen jetzt beachten