DE | EN | RU

info@winheller.com+49 (0)69 76 75 77 80 Mo. - Fr. von 8 bis 20 Uhr, Sa. von 8 bis 17 Uhr
Persönliche Termine nach Vereinbarung

Keine sofortige Wegzugsbesteuerung mehr innerhalb Europas!

Keine sofortige Wegzugsbesteuerung mehr innerhalb Europas!

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat ein wegweisendes Urteil zur Wegzugsbesteuerung gefällt, das für Steuerpflichtige, insbesondere bei einem Wegzug in die Schweiz oder in einen EU- bzw. EWR-Staat, von großer Bedeutung ist. Im sog. Wächtler-Verfahren (BFH vom 06.09.2023, Az. I R 35/20) wurde entschieden, dass die Wegzugsbesteuerung gemäß § 6 Außensteuergesetz (AStG) bei einem Wegzug in die Schweiz dauerhaft und zinslos gestundet werden muss und eine Stundung allenfalls von einer Sicherheitsleistung abhängig gemacht werden kann. Diese Entscheidung hat auch Auswirkungen auf Wegzüge in andere Länder und bringt vor allem Vorteile für Steuerpflichtige, die innerhalb der EU umziehen möchten.

Wegzugssteuer auf Beteiligungen an Kapitalgesellschaften

Steuerpflichtige, die zu mindestens 1 Prozent an (inländischen oder ausländischen) Kapitalgesellschaften beteiligt sind, also z.B. an GmbHs oder Limiteds, unterfallen grundsätzlich der sog. Wegzugssteuer gemäß § 6 AStG. Das bedeutet vereinfacht gesagt, dass der Fiskus im Fall des Wegzugs des Gesellschafters ins Ausland davon ausgeht, die Beteiligung wäre verkauft worden – obwohl dies tatsächlich gar nicht der Fall ist. Der Steuerpflichtige hat daher grundsätzlich ca. 25% Einkommensteuer auf den Wert seiner Beteiligung zu bezahlen.

Besteuerung von Wegzüglern verstößt gegen Niederlassungsfreiheit

Das Urteil des BFH bringt dieses Konzept ins Wanken. Es beschäftigt sich zwar schwerpunktmäßig mit den Auswirkungen eines Wegzugs in die Schweiz, aber gleichzeitig auch mit der sogenannten Niederlassungsfreiheit innerhalb Europas und einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).
Der BFH ist in dem von ihm entschiedenen Fall der Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit vorliegt, da ein Wegzügler, der in die Schweiz verzieht, zu einem in Deutschland verbleibenden Steuerpflichtigen in ungleicher Weise behandelt wird. Dies liegt daran, dass ein Wegzügler in die Schweiz eine Steuer für latente Wertzuwächse von Gesellschaftsanteilen direkt zum Zeitpunkt des Wegzugs zahlen muss, während der in Deutschland verbleibende Steuerpflichtige dies erst bei Realisierung der Wertzuwächse tun muss.

Für Wegzügler besteht zwar die Möglichkeit einer Ratenzahlung der Steuerschuld. Diese ist jedoch nicht geeignet, den entstehenden Liquiditätsnachteil aufzuheben.

Möchten Sie Neuigkeiten wie diese zweimonatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter VSN Insider – Vermögen | Stiftung | Nachfolge.

Zinslose Stundung der Wegzugsteuer

Die logische Schlussfolgerung des BFH: Die Wegzugssteuer muss bei Umzügen in die Schweiz bis zur tatsächlichen Anteilsveräußerung dauerhaft gestundet werden, und zwar zinslos, um den Wegzügler nicht gegenüber inländischen Umzüglern zu benachteiligen.

Sicherheitsleistungen bei Wegzug in die Schweiz

Einziger Wermutstropfen: Eine Sicherheitsleistung darf die Finanzverwaltung weiterhin verlangen, da es im Verhältnis zur Schweiz an einem Mechanismus zur gegenseitigen Unterstützung bei der Beitreibung von Steuerforderungen fehlt.

In der Praxis führt das häufig dazu, dass ein geplanter Wegzug doch unterbleibt, weil allein das Aufbringen der Sicherheitsleistung für viele eine zu hohe Hürde darstellt. In diesen Fällen helfen allerdings häufig gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen, die im Vorfeld eines Wegzugs durchgeführt werden können. Durch sie lässt sich in der Regel die Wegzugssteuer vollständig vermeiden. Denkbar sind z.B. Lösungen unter Einsatz von GmbH & Co KGs oder auch Stiftungslösungen.

Keine Sicherheitsleistung bei Wegzug ins EU-Ausland

Steuerpflichtige, die in ein EU- oder EWR-Land wegziehen möchten, können dies u.E. hingegen ohne Sicherheitsleistung tun. Denn innerhalb der EU ist die Beitreibung von Steuerforderungen sichergestellt. Die Wegzugsbesteuerung fällt daher nicht mehr sofort mit dem Wegzug an und der Steuerpflichtige muss sie erst zu einem späteren Zeitpunkt entrichten, nämlich dann, wenn er sich tatsächlich von seiner Beteiligung getrennt hat (und damit auch einen Kaufpreis erlöst hat, aus dem er die Steuer bezahlen kann).

Steuerpflichtige, die bereits Wegzugssteuer bezahlt haben, könnten sogar einen Anspruch auf Erstattung der gezahlten Steuern haben.

WINHELLER berät und prüft zur Wegzugssteuer und zu möglichen Steuerrückzahlungen

Steuerpflichtige, die einen Wegzug ins Ausland planen oder bereits vollzogen haben, sollten die Auswirkungen des BFH-Urteils auf ihre individuelle steuerliche Situation sorgfältig prüfen. Das Urteil stellt die bisherige Besteuerung auf den Kopf. Steuerpflichtige, insbesondere bei einem Wegzug in die Schweiz oder in einen EU- bzw. EWR-Staat, könnten nun von günstigeren Konditionen profitieren.

Es bleibt allerdings abzuwarten, wie die Finanzverwaltung auf das Urteil reagiert und ob der Gesetzgeber noch einmal tätig wird. Es ist durchaus möglich, dass die Verwaltung die günstige Rechtslage nicht ohne Weiteres anerkennen wird und der Steuerpflichtige seine Rechte rechtlich durchsetzen muss.

Unsere erfahrenen Anwälte für Steuerrecht und Wegzugsfragen helfen Ihnen gerne bei der Optimierung Ihres Wegzugs. Kommen Sie gerne mit Ihren Fragen auf uns zu!

Weiterlesen:
Wegzugsbesteuerung: Voraussetzungen, Höhe, Beratung
Steueroptimierung mit der Investment-GmbH/vermögensverwaltenden GmbH

Boris Piekarek

Rechtsanwalt Boris Piekarek ist darauf spezialisiert, rechtliche und steuerliche Vermögenskonzepte und Rechtformgestaltungen für Unternehmer, Immobilieneigentümer und vermögende Privatpersonen zu entwerfen.

>> Zum Profil

Ihre Karriere bei WINHELLER

Nächster Karriereschritt geplant? Unsere mittelständische Kanzlei bietet ein vielfältiges Aufgaben- und Beratungsspektrum an vier deutschen Standorten. Wir freuen uns auf engagierte neue Kollegen!

>> Zu unseren aktuellen Stellenangeboten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

WINHELLER-Blog via Newsletter

Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und erhalten Sie regelmäßig die wichtigsten Beiträge aus dem Wirtschafts- und/oder Gemeinnützigkeitsrecht bequem per E-Mail. Wählen Sie einfach Ihren Wunschnewsletter aus. (Pflichtfelder sind mit * markiert).

German Business Law News (4x jährlich)
Nonprofitrecht aktuell (1x im Monat)
Ich möchte den oder die ausgewählten Newsletter abonnieren und erteile zu diesem Zwecke meine Einwilligung in die Verarbeitung meiner oben angegebenen Daten durch WINHELLER. Die „Hinweise zur Datenverarbeitung im Rahmen des Newsletter-Abonnements“ habe ich gelesen.
Mir ist bekannt, dass ich meine erteilte Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft durch Betätigung des Abmeldebuttons innerhalb des Newsletters widerrufen kann. *