„Für Gottesdienste gilt dasselbe wie für Musikkonzerte“, so leitete die Tagesschau ihren Bericht über die Urteile des Berliner Verwaltungsgerichts und des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes ein, nachdem die dortigen Verbote von Gottesdiensten rechtmäßig seien. Während der Einkauf in Supermärkten und Zeitungsläden der Bevölkerung weiterhin offensteht, verneinen die Gerichte ein Recht auf Gottesdienst auch unter Einhaltung aller empfohlenen Hygienevorschriften. Begründet wird dies unter anderem mit der zeitlichen Befristung der derzeitigen Maßnahmen bis zum Ende der Osterferien und damit, dass ja auch die virtuelle Teilnahme am Gottesdienst möglich bleibt.
Diese Argumentation ist zumindest fragwürdig, denn Gottesdienste sind eben keine Musikkonzerte, die man auch per Livestream auf der Couch im heimischen Wohnzimmer verfolgen kann. Im katholischen Glauben ist der Sonntagsgottesdienst ein Ort der Realpräsenz Jesu Christi und des Empfangs der Kommunion. Im Islam ist ein virtueller Gottesdienst von vornherein unwirksam, und das gemeinsame Gebet, insbesondere am Freitag, verpflichtend für jeden Moslem.
Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.04.2020: Der Antrag auf vorläufige Außervollzugsetzung einer Regelung der Verordnung zur Bekämpfung des Coronavirus der hessischen Landesregierung, die unter anderem ein Verbot von Zusammenkünften in Kirchen enthält, wurde auf der Grundlage einer Folgenabwägung abgelehnt. Das Gottesdienstverbot bedarf als überaus schwerwiegender Eingriff in die Glaubensfreiheit einer fortlaufenden strengen Prüfung seiner Verhältnismäßigkeit anhand der jeweils aktuellen Erkenntnisse. Mehr dazu
Religionsfreiheit kann nicht vollständig verboten werden
Das Grundgesetz misst der Religionsfreiheit daher auch eine so hohe Stellung bei, dass sie vorbehaltlos gewährleistet wird. Lediglich durch Kollision mit anderen Grundrechten kann die Religionsfreiheit eingeschränkt werden. Derzeit wird als kollidierendes Grundrecht wohl das Recht auf Leben in Betracht kommen. Aber genauso wenig wie es ein „Supergrundrecht auf Sicherheit“ gibt, welchem sich alle Freiheitsrechte unterzuordnen haben, gibt es ein „Supergrundrecht auf Leben“, welches alle anderen Grundrechte sticht. Ein solches ist mit dem selbstbestimmten Menschenbild des Grundgesetzes nicht vereinbar.
Vielmehr darf kein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden. Eine Schließung aller Gotteshäuser ohne Ausnahmen kommt einer Aussetzung der Religionsfreiheit jedoch schon sehr nahe.
Betroffenen Gemeinden bleibt der Gang vor das Bundesverfassungsgericht
Die betroffenen Gemeinden, die sich gegen das Verbot wehren wollen, sollten daher erwägen, die Prüfung bis vor das Bundesverfassungsgericht zu tragen. Erst dort wird sich endgültig entscheiden, ob die derzeitigen umfassenden Verbote mit dem Grundgesetz zu vereinbaren sind oder nicht. Gerne beraten wir Ihre Gemeinde zu den Chancen und Risiken eines solchen Vorgehens und vertreten Sie gegenüber den Behörden und den Gerichten. Melden Sie sich dazu gerne per E-Mail oder Telefon (069 76 75 77 80).
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