Seit September 2018 dürfen Kitas in Berlin Zuzahlungen, etwa für bilinguale Sprachangebote oder Bio-Essen, nur noch bis zu einer Höhe von 90 Euro monatlich von den Eltern verlangen. In zwei Entscheidungen hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg nun entschieden, dass diese Regelung nicht nur grundrechtskonform ist, sondern auch, dass Kitas und Eltern diese Regelung über die Gründung von Fördervereinen umgehen dürfen. Betroffene Eltern sollten dennoch nicht voreilig handeln: Denn bei diesem Modell lauern viele steuerliche Fallstricke.
Kitas sind in Berlin kostenfrei
Eltern müssen in Berlin grundsätzlich keine Kita-Beiträge bezahlen. Einzige Ausnahme: Für Extra-Angebote, wie z.B. Sportunterricht, bilinguale Betreuung oder Bio-Essen dürfen die Kitas maximal 90 Euro monatlich verlangen – unabhängig davon, ob die Eltern auch dazu bereit wären, einen höheren Betrag zu bezahlen. Mit dieser Regelung möchte das Land Berlin allen Kindern dieselben Bildungschancen bieten. Denn hohe Zuzahlungen würden dazu führen, dass einkommensschwachen Familien nicht dieselbe Anzahl von Betreuungsplätzen wie wohlhabenden Familien zur Verfügung steht.
Zwei Kitas möchten höhere Zuzahlungen verlangen
Damit waren zwei private Kitas nicht einverstanden, die bisher Zuzahlungen von 220 bis zu 780 Euro monatlich von den Eltern für die bilinguale Betreuung und die musikalische, künstlerische und naturwissenschaftliche Förderung der Kinder sowie für einen höheren Betreuungsschlüssel als gesetzlich vorgeschrieben verlangen konnten. Das Problem: Trotz dieser hohen Zuzahlungen finanzierten sich die Kitas hauptsächlich aus öffentlichen Zuschüssen des Landes Berlin, sodass sie an die neue Höchstgrenze gebunden waren. Nachdem die Kitas die Höhe ihrer Zuzahlungen trotz der neuen Rechtslage nicht nach unten angepasst hatten, wurden ihnen die Zuschüsse gekürzt. Dagegen versuchten sich die beiden Kitas jeweils mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin zu wehren.
Regelung ist grundrechtskonform
Die Klagen und anschließenden Berufungen der Kitas hatten sowohl vor dem VG Berlin als auch dem OVG Berlin-Brandenburg keinen Erfolg. Denn die Zuzahlungsgrenze von 90 Euro sei verfassungsgemäß und die Chancengleichheit aller Kinder sei nur gewährleistet, wenn allen Eltern dieselbe Anzahl von Betreuungsplätzen zur Verfügung stünden. Hohe Zuzahlungen, die sich nicht jede Familie leisten könne, würden zu einer Begrenzung der verfügbaren Betreuungsplätze führen. Die Zuzahlungsgrenze von 90 Euro sei daher notwendig, um die Chancengleichheit aller Kinder, unabhängig von der sozialen und ökonomischen Situation ihrer Familie, sicherzustellen.
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Es sei auch kein milderes Mittel ersichtlich, um Eltern vor zu hohen Zuzahlungen zu schützen, als eine gesetzliche Höchstgrenze für Zuzahlungen festzulegen. Vor dem Hintergrund des ohnehin geringen Angebots an Kitaplätzen und des Mangels an Erziehern sei es daher auch angemessen, wenn die Kitas ihr bisheriges Geschäftsmodell zugunsten der Chancengleichheit aller Kinder einschränken müssten, so das Gericht.
Fördervereine als Alternative
Die Zuzahlungsgrenze von 90 Euro sei für die Kitas auch nicht unzumutbar, da ihnen genügend rechtliche und wirtschaftliche Alternativen zur Verfügung stünden. So könnten sie etwa aus der staatlichen Förderung aussteigen und sich rein über private Zuwendungen finanzieren. In diesem Falle könnten sie die Höhe ihrer Beiträge frei festlegen.
Alternativ sei es auch zulässig, wenn die Eltern Fördervereine gründen und darüber die bisherigen Zuzahlungen in Form von entsprechend hohen Mitgliedsbeiträgen erheben. Einzige Voraussetzung: Die Mitgliedschaft im Förderverein müsse freiwillig sein. Bei einer Zwangsmitgliedschaft liege nämlich eine unzulässige Umgehung der Zuzahlungsgrenze vor – bei einer freiwilligen Mitgliedschaft dagegen nicht, da die Leistungen des Fördervereins letztendlich allen Kindern der Kita zugutekämen, unabhängig davon, ob ihre Eltern Mitglied des Fördervereins sind oder nicht.
Chancengleichheit durch Deckelung der Zuzahlung
Wir halten die Entscheidung des Gerichts für richtig. Es hat zu Recht entschieden, dass die Chancengleichheit aller Kinder nur gewährleistet ist, wenn die Höhe der erlaubten Zuzahlungen einheitlich begrenzt ist. Bedeutsam sind die Entscheidungen aber vor allem deshalb, weil es sich bei ihnen um die ersten gerichtlichen Entscheidungen handelt, die eine „Umgehung“ der Zuzahlungsgrenze über die Gründung von Fördervereinen erlauben.
Hinweis
Zu beachten ist, dass das Gericht keine Aussagen zur steuerlichen Zulässigkeit dieses Modells getroffen hat. Aus steuerlicher Sicht ist dieses Modell nämlich mit Risiken verbunden. Der Grund: Kitabeiträge gelten als Kinderbetreuungskosten, die nur zu zwei Drittel bzw. maximal bis zu einem Betrag von 4.000 Euro pro Jahr pro Kind als Sonderausgaben abgezogen werden dürfen.
Mitgliedsbeiträge an einen gemeinnützigen Förderverein können dagegen bis zur Höhe von 20% der Einkünfte der Eltern abgezogen werden – im Einzelfall also mehr als 4.000 Euro. Kommt nun bei der nächsten Betriebsprüfung heraus, dass die Kita neue Kinder nur aufnimmt, wenn die Eltern vorher in den Förderverein eingetreten sind, gelten die zuvor abziehbaren Mitgliedsbeiträge als Kitabeiträge und damit als Kinderbetreuungskosten. In diesen Fällen kann schnell der Verdacht der Steuerhinterziehung aufkommen.
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.03.2021 – OVG 6 B 13/20
OVG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 19.03.2021 – OVG 6 B 14/20
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