DE | EN | RU

info@winheller.com+49 (0)69 76 75 77 80 Mo. - Fr. von 8 bis 20 Uhr, Sa. von 8 bis 17 Uhr
Persönliche Termine nach Vereinbarung

Entzug der Gemeinnützigkeit wegen fehlender Anfallsklausel

Entzug der Gemeinnützigkeit wegen fehlender Anfallsklausel

Dass das Beibehalten des Gemeinnützigkeitsstatus kein Selbstläufer ist, musste eine Körperschaft aus Sachsen-Anhalt erfahren, als sie ihre Satzung umfassend überarbeitete, ohne die Änderungen – wie im Nonprofit-Sektor üblich – zuvor mit dem zuständigen Körperschaftsteuerfinanzamt abzustimmen. Im Rahmen der gerichtlichen Klärung des Falls, hat sich das Finanzgericht (FG) Sachsen-Anhalt dazu geäußert, wie sich das auch nur zeitweise Fehlen der sog. Anfallsklausel auf den Status der Gemeinnützigkeit auswirkt.

Finanzamt erkennt Gemeinnützigkeit wegen fehlender Anfallsklausel ab

Eine Körperschaft, deren Zweck insbesondere der Betrieb eines Klinikums ist, wurde ursprünglich von einem Landkreis gegründet und nach Gebietsreform und Umstrukturierung letztlich an einen neuen Alleingesellschafter übergeben. Im Zuge des Gesellschafterwechsels wurde die Satzung neugefasst. Dies geschah offenbar, ohne vorab das zuständige Körperschaftsteuerfinanzamt einzubinden. Schließlich enthielt die neugefasste Satzung keine ausdrückliche Regelung zur Vermögensbindung im Fall der Auflösung oder Liquidation, was indes erst nach Beschluss und Eintragung der Neufassung auffiel und sodann durch eine erneute Satzungsänderung behoben wurde.

Die Körperschaft argumentierte, dass die fehlende Vermögensbindungsregelung ein redaktionelles Versehen darstellte und nicht die Absicht bestand, die Gemeinnützigkeit aufzugeben. Zudem sei eine schädliche Vermögensverwendung in den streitigen Jahren nicht erfolgt, und die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit seien letztlich erfüllt worden.

Das Finanzamt hielt die rückwirkende Aberkennung der Gemeinnützigkeit für gerechtfertigt, da mit der Satzungsänderung die steuerrechtlich erforderliche Vermögensbindung nicht mehr gegeben sei. Die satzungsmäßige Vermögensbindung sei stets zu gewährleisten und sei insofern unabhängig von der Frage zu betrachten, ob es tatsächlich zu einem Verstoß gegen die Vermögensbindung gekommen sei. Infolge des Fehlens der Anfallsklausel sei der Körperschaft somit die Gemeinnützigkeit rückwirkend abzuerkennen.

Bedeutung der Anfallsklausel

Durch den sog. Grundsatz der Vermögensbindung soll verhindert werden, dass gemeinnützigkeitsrechtlich gebundenes Vermögen bei Wegfall des Gemeinnützigkeitsstatus (etwa infolge einer Aberkennung) oder nach der Liquidation einer gemeinnützigen Körperschaft, zu nicht gemeinnützigkeitsrechtlich begünstigten Zwecken verwendet wird. Ein Verstoß gegen die satzungsmäßige Vermögensbindung hat nach dem Gesetzeswortlaut weitreichende Folgen und zieht den Wegfall der Steuerbegünstigung sowie die sog. Nachversteuerung der vorangehenden zehn Jahre nach sich (§ 63 Abs. 2, § 61 Abs. 3 AO).

Möchten Sie Neuigkeiten wie diese monatlich in Ihr Postfach erhalten? Abonnieren Sie hier unseren Newsletter Nonprofitrecht aktuell.

Nach dem Grundsatz der Vermögensbindung muss die Satzung eine sog. Anfallsklausel enthalten. In dieser muss der potenzielle Empfänger des Vermögens im Fall der Auflösung genannt sein. Diese Voraussetzung ist nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 AO erfüllt, wenn als Empfänger des Vermögens im Fall der Auflösung, eine andere steuerbegünstigte Körperschaft oder eine Körperschaft des öffentlichen Rechts genau bezeichnet wird. Ebenso genügt auch eine genaue Bestimmung des Zwecks, für den das Vermögen im Fall der Auflösung verwendet werden soll. Allgemein gehaltene Formulierungen sind dabei nicht ausreichend, da sie die konkrete steuerbegünstigte Verwendung des Vermögens im Fall der Auflösung nicht ausreichend gewährleisten.

Die Anfallsklausel sieht vor, dass bei Auflösung der Körperschaft oder bei Wegfall ihres Gemeinnützigkeitsstatus das Vermögen der Körperschaft z.B. an eine andere steuerbegünstigte Körperschaft zu übertragen ist, damit es weiterhin ausschließlich für steuerbegünstigte Zwecke verwendet wird. Die Anfallsklausel ist ein wesentlicher Bestandteil der steuerrechtlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit einer Körperschaft und damit für die Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG.

FG Sachsen-Anhalt: Gemeinnützigkeit zu Recht aberkannt

Das FG Sachsen-Anhalt lehnte die Klage der Körperschaft als unbegründet ab und begründete dies im Wesentlichen wie folgt: Das Finanzamt habe der Körperschaft zu Recht den Status der Gemeinnützigkeit entzogen. Gemäß § 61 Abs. 3 AO führe eine fehlende oder unzureichende Vermögensbindungsregelung in der Satzung dazu, dass die Gemeinnützigkeit rückwirkend aberkannt wird, was die rückwirkende Aufhebung der Steuerbefreiung zur Folge hat. Die rückwirkende Aberkennung diene dem Schutz des Grundsatzes der Vermögensbindung. Es solle nämlich verhindert werden, dass Vermögen, welches die Körperschaft aufgrund der steuerbegünstigten Tätigkeit erhalten und verwaltet hat, für nicht steuerbegünstigte Zwecke verwendet werde. Auch die entsprechenden Voraussetzungen des § 55 Ab. 1 Nr. 4 AO seien nicht durch die bloße Nennung eines gemeinnützigen Zwecks für die laufende Betätigung erfüllt. Vielmehr müsse auch klar bestimmt sein, was mit dem Vermögen im Fall der Auflösung oder des Wegfalls der steuerbegünstigten Zwecke passieren soll.

Das Gericht stellte zudem klar, dass eine nachträgliche Änderung oder Korrektur der Satzung die rückwirkenden steuerlichen Konsequenzen nicht verhindern könne. Das bloße „herumreparieren“ an der Satzung reichte vorliegend also nicht aus, da die Vermögensbindung nicht die ganze Zeit über Niederschlag in der Satzung gefunden hat.

Satzungsänderungen mit Finanzamt abstimmen

Die Entscheidung des Gerichts zeigt einmal mehr, dass Satzungsänderungen bei gemeinnützigen Körperschaften mit Augenmaß und nach genauer Prüfung zu erfolgen haben. In jedem Fall sollten die angedachten Änderungen im Vorfeld mit dem zuständigen Körperschaftsteuerfinanzamt abgestimmt werden. Gerne sind Ihnen unsere erfahrenen Anwälte dabei behilflich.

FG Sachsen-Anhalt, Urteil v. 19.04.2023, 3 K 475/16

Weiterlesen:
Aberkennung der Gemeinnützigkeit: Folgeprobleme
Satzungsgestaltung: Regelungen zur Vermögensbindung exakt formulieren

Elmar Krüsmann

Rechtsanwalt Elmar Krüsmann ist auf die Beratung von Nonprofit-Organisationen, Stiftungen sowie vermögenden Privatpersonen spezialisiert. Oftmals ist er dabei auch mit grenzüberschreitendem Bezug tätig.

>> Zum Profil

Ihre Karriere bei WINHELLER

Nächster Karriereschritt geplant? Unsere mittelständische Kanzlei bietet ein vielfältiges Aufgaben- und Beratungsspektrum an vier deutschen Standorten. Wir freuen uns auf engagierte neue Kollegen!

>> Zu unseren aktuellen Stellenangeboten

Hinterlassen Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.

WINHELLER-Blog via Newsletter

Abonnieren Sie unsere kostenlosen Newsletter und erhalten Sie regelmäßig die wichtigsten Beiträge aus dem Wirtschafts- und/oder Gemeinnützigkeitsrecht bequem per E-Mail. Wählen Sie einfach Ihren Wunschnewsletter aus. (Pflichtfelder sind mit * markiert).

German Business Law News (4x jährlich)
Nonprofitrecht aktuell (1x im Monat)
Ich möchte den oder die ausgewählten Newsletter abonnieren und erteile zu diesem Zwecke meine Einwilligung in die Verarbeitung meiner oben angegebenen Daten durch WINHELLER. Die „Hinweise zur Datenverarbeitung im Rahmen des Newsletter-Abonnements“ habe ich gelesen.
Mir ist bekannt, dass ich meine erteilte Einwilligung jederzeit mit Wirkung für die Zukunft durch Betätigung des Abmeldebuttons innerhalb des Newsletters widerrufen kann. *