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Die Bundesregierung zur politischen Betätigung gemeinnütziger Körperschaften

Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von Attac hat die Bundesregierung erreicht. Auf die Große Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen und einzelner Bundestagsabgeordneter zum Gemeinnützigkeitsrecht und zu der Frage, inwieweit sich gemeinnützige Organisationen politisch betätigen dürfen, hat sie am 07.09.2016 geantwortet. Die Antworten sind allerdings wenig erhellend. Nicht untypisch für derlei Antworten auf Anfragen aus dem Parlament fallen sie eher pauschal aus und sind äußerst zurückhaltend formuliert. Offenbar will man zunächst die weitere Entwicklung und insbesondere auch die Entscheidungen der Gerichte in Sachen Attac und BUND abwarten, bevor man sich zu sehr aus der Deckung wagt.

Änderung der Gemeinnützigkeitsvorschriften?

Nach Aberkennung der Gemeinnützigkeit von politischen Organisationen, insbesondere von Attac, wird viel über eine Änderung der Gemeinnützigkeitsvorschriften diskutiert. Mit ihrer Großen Anfrage wollten die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen und einige Abgeordnete in Erfahrung bringen, wie die Bundesregierung dazu steht, dass sich gemeinnützige Körperschaften zunehmend politisch betätigen. Im Folgenden haben wir – auszugsweise – einige wenige Fragen und Antworten bewertet:

– Auf die Frage, wie die Bundesregierung dazu steht, dass sich Bürgerinnen und Bürger zunehmend auch in gemeinnützigen Organisationen politisch engagieren und Politik nicht mehr nur in Parteien „zu Hause“ ist, reagiert die Bundesregierung mit einem ausweichenden und pauschalen Hinweis darauf, dass das zivilgesellschaftliche Engagement wichtig und förderungswürdig sei. Sowohl das gesellschaftliche Engagement in gemeinnützigen Organisationen als auch das politische Engagement „im engeren Sinn“ in Parteien und Wählervereinigungen genieße einen hohen Stellenwert.

Stellungnahme: Die Antwort muss man wohl in die Kategorie „Thema verfehlt“ einordnen. Sie geht nicht auf den Kern der Frage ein, dass sich Menschen zunehmend gerade nicht mehr in Parteien politisch betätigen wollen, die sich mehr und mehr von der Basis entfernen und mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben, sondern nach Alternativen für ihr Engagement suchen und diese Alternative z.T. in gemeinnützigen Organisationen finden.

– Auf die Frage, ob es denkbar sei, dass in Deutschland eine uneinheitliche Praxis der Finanzbehörden im Hinblick auf die Gewährung und die Versagung der Gemeinnützigkeit gelte, antwortet die Bundesregierung mit der knappen Feststellung, dass ihr insoweit keine Erkenntnisse vorliegen.

Stellungnahme: Die Antwort ist schwerlich ernst zu nehmen. In Beraterkreisen und selbstverständlich auch innerhalb der gut beratenen Bundesregierung ist seit vielen Jahren bekannt, dass die An- oder Aberkennung der Gemeinnützigkeit und generell der Umgang mit Fragen zur Gemeinnützigkeit von Finanzamt zu Finanzamt unterschiedlich behandelt werden. Das ist auch einleuchtend: Das Gemeinnützigkeitsrecht, dass sich zwischen den beiden Polen „Steuerbegünstigungen für gemeinwohlfördernde Tätigkeiten“ einerseits und „Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen durch Steuerbegünstigungen“ andererseits bewegt, ist in hohem Maße von Wertungen abhängig. Es ist durchzogen von unbestimmten Rechtsbegriffen. Sachbearbeiter A beim Finanzamt B und Sachbearbeiter C beim Finanzamt D vertreten im Zweifel zu ein- und demselben Sachverhalt nicht dieselbe Meinung. Auch der bundeseinheitliche Anwendungserlass zur Abgabenordnung, der grundsätzlich für alle Finanzbeamten verbindliche Vorgabe ist, hilft da nicht in jedem Einzelfall weiter, denn auch er enthält – natürlich – unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Auslegung bedürfen. Es ist daher höchste Zeit, endlich über eine zentrale Behörde in Deutschland zu entscheiden, die für die Anerkennung und Aberkennung der Gemeinnützigkeit in Deutschland zuständig ist. In anderen Ländern funktioniert das (z.B. in den USA), auch in Deutschland wäre das ein richtiger Schritt hin zu einer einheitlichen Anwendung des Rechts. Es kann nicht sein, dass ein Verein in Nürnberg anders behandelt wird (im Guten wie im Schlechten) als ein Verein in Berlin, obwohl beide Vereine identische Satzungen und Tätigkeiten vorweisen. Das Bundeszentralamt für Steuern wäre z.B. eine geeignete Behörde, die diese zentrale Aufgabe übernehmen könnte.

– Auf die Frage, ob sich die Bundesregierung eine Änderung des Gemeinnützigkeitsrechts dahingehend vorstellen könne, dass sich gemeinnützige Körperschaften auch politisch betätigen dürfen, „wenn eine gemeinnützige Tätigkeit mit einer politischen Zielsetzung grundsätzlich verbunden ist“, antwortet die Bundesregierung mit dem Hinweis darauf, dass „vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Parteienfinanzierung“ das Ehrenamt einerseits und die Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes durch Parteien andererseits getrennt zu betrachten seien.

Stellungnahme: Den Begriff des „Ehrenamts“ verwendet die Bundesregierung hier offenbar versehentlich. Gemeint haben dürfte sie generell das ehrenamtliche Engagement in gemeinnützigen Organisationen. Denn ehrenamtlich kann man sich selbstverständlich auch in Parteien engagieren. Aber abgesehen davon ist die grundsätzliche Trennung zwischen gemeinnützigem und politischem Wirken, die die Bundesregierung postuliert, in der Tat aus verfassungsrechtlichen Gründen und vor dem Hintergrund diverser Spendenskandale der letzten Jahrzehnte, die auch unter Einsatz (vermeintlich) gemeinnütziger Körperschaften erfolgten, angezeigt. Damit ist aber die eigentliche Frage nicht beantwortet, wo die Grenze zwischen gemeinnützig und politisch verläuft und welche Zwischenformen gemeinnützig-politischen Wirkens es gibt und ob ein solches Wirken nicht auch innerhalb gemeinnütziger Körperschaften – über den aktuellen Rechtsstand hinaus – zulässig sein muss.

– Auf die Frage, ob § 52 AO nicht ergänzt werden müsse um Zwecke wie „Förderung der Menschenrechte“, „Förderung des Friedens“, „Förderung des europäischen Gedankens/der europäischen Demokratie/der europäischen Integration“ teilt die Bundesregierung mit, dass die genannten Zwecke auch schon heute unter die in § 52 AO aufgeführten Zwecke subsumiert werden könnten, im Übrigen aber der Meinungsaustausch innerhalb der Bundesregierung über eine mögliche Ergänzung der Katalogzwecke noch nicht abgeschlossen sei.

Stellungnahme: Die Bundesregierung hat Recht. Die typischen gemeinnützigen Zwecke, die Bündnis 90/Die Grünen, aber wohl auch andere Befürworter von Änderungen an § 52 AO im Blick haben, dürften schon heute unter die in § 52 AO genannten gemeinnützigen Zwecke zu fassen sein. Soweit das nicht der Fall ist, wäre an eine maßvolle Ergänzung des Katalogs gemeinnütziger Zwecke zu denken, z.B. der in der Anfrage ebenfalls thematisierte Zweck der „Förderung der Gleichberechtigung Trans- und Intersexueller“ als Ergänzung zum bisherigen in § 52 AO aufgeführten Zweck der „Förderung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ einzufügen.

Zögerliche Haltung der Bundesregierung

Die Antworten der Bundesregierung bringen die Diskussion über die Weiterentwicklung des Gemeinnützigkeitsrechts nicht wirklich voran. Die Regierung tut teilweise so, als sei sie „Verwaltung ohne jede Haltung“ (so Diefenbach-Trommer, BBE-Newsletter 20/2016). Andererseits ist es klar, dass die Bundesregierung nicht zu konkreten Einzelfällen (z.B. Attac) Stellung nehmen kann. Diese Einzelfälle zu klären ist Aufgabe der Gerichte und nicht der Bundesregierung. Dass die Fragesteller den Attac-Einzelfall überhaupt zum Gegenstand der Großen Anfrage gemacht haben, verwundert daher und hat wohl eher politische Hintergründe.

Im Ergebnis ist die zögerliche Haltung der Bundesregierung daher durchaus verständlich: Sie will offensichtlich den Ausgang der aktuell vor den Gerichten anhängigen Verfahren abwarten. Zu oft schon hat sich die Politik in den letzten Jahrzehnten heftig die Finger verbrannt, wenn es um das Thema Politik und ihre Finanzierung ging. Mehr als einmal wurde sie vom Bundesverfassungsgericht regelrecht gemaßregelt. Offenbar will sie es dieses Mal vorsichtiger angehen lassen und keine übereilten Maßnahmen ergreifen: Erst wenn die Entscheidungen der Gerichte vorliegen, dürfte daher der Zeitpunkt gekommen sein, an einer großen gesetzgeberischen Lösung zu arbeiten, die die veränderten gesellschaftlichen Verhältnisse in den Blick nimmt und eine vernünftige Abgrenzung zwischen dem politischen Wirken einerseits und dem gemeinnützigen Wirken andererseits (und vor allem den dazwischen liegenden Fällen) erlaubt, die sowohl den politischen Parteien als auch den gemeinnützigen Organisationen den nötigen Raum zur Entfaltung gibt.

Bei weiteren Fragen rund um das Thema politische Betätigung von gemeinnützigen Organisationen sind Ihnen unsere spezialisierten Anwälte gerne behilflich. Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme!

Bundestags-Drucksache BT-Drs. 18/9573 v. 07.09.2016

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Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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