Der Ausschluss eines Vereinsmitglieds ist die schwerste vereinsrechtliche Sanktion und somit immer wieder ein heikles Thema in Vereinen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich mit der Frage zu befassen, ob ein Rechtsschutzbedürfnis für Klagen besteht, die auf ansehensbeeinträchtigende Äußerungen gestützt werden, welche einen Antrag auf Vereinsausschluss zu begründen vermögen.
Ausschluss eines Vereinsmitglieds
Ein Verein hat das Recht, sich von einem Mitglied zu trennen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Wichtige Gründe können in der Satzung aufgezählt werden, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist: Auch wenn die Satzung einzelne Ausschlussgründe aufzählt, kann ein Mitglied ausgeschlossen werden, wenn ein anderer wichtiger Grund vorliegt. Umgekehrt kann eine bestehende Satzungsbestimmung nicht auf einen weniger schwerwiegenden Grund angewendet werden, wenn dieser für sich genommen keinen wichtigen Grund darstellt. Fehlt eine Satzungsbestimmung über den Ausschluss von Mitgliedern, kann ein Ausschluss dennoch erfolgen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt.
Im Rahmen eines Ausschlussverfahrens hat der Verein bzw. das für den Ausschluss zuständige Organ den Sachverhalt umfassend und gerecht aufzuklären. Dabei sind sowohl die für das Mitglied günstigen als auch die gegen das Mitglied sprechenden Umstände zu berücksichtigen.
Dem betroffenen Mitglied ist im Rahmen des Verfahrens rechtliches Gehör zu gewähren. Die für den Ausschluss maßgeblichen Vorwürfe sind dem Auszuschließenden so konkret mitzuteilen, dass er sich sachgerecht verteidigen kann. Darüber hinaus dürfen auch die Personen, die über den Ausschluss zu entscheiden haben, nicht im Unklaren darüber sein, über welche Vorwürfe sie abzustimmen haben. Die Einhaltung dieser Verfahrensgrundsätze durch die verbandsinternen Gerichte ist von den staatlichen Gerichten in vollem Umfang überprüfbar. Dementsprechend kann ein nicht sachgerechter Vereinsausschluss gerichtlich aufgehoben werden.
Vorstandsmitglied klagt wegen ehrverletzender Äußerungen
Ein Vereinsmitglied forderte von dem für einen Vereinsausschluss zuständigen Organ ein Vorstandsmitglied als Mitglied des Vereins auszuschließen, weil dieses eine sechsstellige Summe aus dem Vereinsvermögen veruntreut habe. Das betroffene Vorstandsmitglied verlangte daraufhin, die entsprechenden Äußerungen zu unterlassen und auch eine Unterlassungserklärung abzugeben, was das den Ausschluss fordernde Mitglied verweigerte.
Das betreffende Vorstandsmitglied klagte daraufhin zunächst vor dem Amtsgericht (AG) Köln auf Unterlassung. Das AG Köln gab dem Vorstandsmitglied recht und verurteilte das Mitglied unter Androhung von Ordnungsmitteln, es zu unterlassen, wörtlich oder sinngemäß zu äußern oder zu verbreiten, das Vorstandsmitglied habe in erheblichem Umfang Vermögen des Vereins veruntreut. Das Vereinsmitglied legte Berufung ein, aufgrund derer das Landgericht (LG) Köln das Urteil aufhob und die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abwies. Das betroffene Vorstandsmitglied legte daraufhin Revision zum BGH ein.
BGH: Kein Rechtsschutzbedürfnis bei Ehrverletzung im Ausschlussverfahren
Der BGH stellte klar, dass für Ehrschutzklagen gegen Äußerungen, die der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung in einem Gerichtsverfahren dienen oder die dort als Zeuge, gemacht werden, in aller Regel kein Rechtschutzbedürfnis bestehe. Grund dafür sei, dass nicht dadurch Einfluss auf den Ablauf eines Verfahrens genommen werden soll, dass ein Verfahrensbeteiligter durch eventuelle Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche in seiner Äußerungsfreiheit eingeengt wird. Die Parteien müssen in einem Gerichtsverfahren alles vortragen dürfen, was sie zur Wahrung ihrer Rechte für erforderlich halten, auch wenn hierdurch die Ehre eines anderen berührt wird. Inwieweit die Äußerungen wahr und erheblich sind, soll allein in dem jeweiligen Verfahren geprüft werden.
Nichts anderes soll nach der Entscheidung des BGH im Rahmen von vereinsinternen Verfahren wie Vereinsausschlüssen gelten. Auch für Klagen auf Rechtsschutz wegen Ehrverletzung im Vereinsausschlussverfahren bestehe demnach kein Rechtsschutzbedürfnis.
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Zwar gelten für das Ausschließungsverfahren nicht dieselben Anforderungen wie für gerichtliche Verfahren, jedoch müsse ein solches Verfahren den rechtsstaatlichen Grundsätzen genügen. Einleitung und Durchführung eines solchen Ausschließungsverfahrens wären nicht möglich, wenn die den Ausschluss beantragenden Vereinsmitglieder dran gehindert wären, ihre Vorwürfe vorzubringen. Das Ausschließungsverfahren habe als Ausfluss des Grundsatzes der Vereinsautonomie gem. Art. 9 Abs. 1 GG rechtsstaatlichen Anforderungen zu genügen. Diese Anforderungen könnten nicht erfüllt werden, wenn die Grundsätze der Ehrschutzklagen nicht auch auf das Ausschlussverfahren im Verein übertragen würden.
Aufgrund der gerichtlichen Nachprüfbarkeit von Ausschließungsverfahren stünden einem von ehrverletzenden Äußerungen Betroffenen, welcher ebenso von einem Antrag auf Vereinsausschuss betroffen ist, bereits im Ausschließungsverfahren ausreichende Rechtsgarantien zum Schutz seiner Interessen zur Verfügung.
Zwar müsse die gerichtliche Kontrolle die Vereinsautonomie achten und daher bestimmte Grenzen einhalten. Jedoch könnten staatliche Gerichte nachprüfen, ob der Ausschluss mit dem Gesetz oder der Satzung vereinbar ist. Nachgeprüft werden könne zudem, ob die Verfahrensvorschriften im Einklang mit dem Gesetz und der Vereinsordnung befolgt wurden und ob die Tatsachen, die der Ausschließungsentscheidung zugrunde gelegt worden sind, zutreffend festgestellt wurden. Ebenso könne überprüft werden, ob der Ausschluss als Maßnahme grob unbillig oder willkürlich ist.
Klare Regeln in Satzung festlegen
Der Fall macht deutlich, dass die formal korrekte Durchführung des Ausschlussverfahrens nicht nur eine Schutzfunktion für das Vereinsmitglied hat. Auch der Verein und die übrigen Verfahrensbeteiligten können sich dann auf rechtsstaatliche Grundsätze verlassen und ihre Entscheidung auf eine rechtssichere Grundlage stellen. Umso wichtiger ist es, klare Regeln in der Satzung festzulegen und den Ausschluss formal korrekt durchzuführen. Unsere Experten für Vereinsrecht sind Ihnen dabei gerne behilflich.
BGH, Urteil v. 20.6.2023, VI ZR 207/22
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