Nun hat auch das Finanzgericht (FG) Hessen dem Attac Trägerverein e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen. Nachdem die Richter in einem früheren Urteil noch die Gemeinnützigkeit bejaht hatten, mussten sie sich für ihr Urteil jetzt an den kürzlich vom Bundesfinanzhof (BFH) aufgestellten Kriterien orientieren.
FG prüft Attac erneut
2017 hatte das Frankfurter Finanzamt dem Attac Trägerverein die Gemeinnützigkeit für die Jahre 2010 bis 2012 entzogen. Dagegen hatte der Verein geklagt und vor dem FG zunächst auch Recht erhalten. Die Richter am FG sahen damals keinen Grund, Attac die Gemeinnützigkeit zu entziehen. In einem aufsehenerregenden Urteil widersprach jedoch der BFH dem FG, hob das Urteil auf und verwies das Verfahren zur neuen Entscheidung an das FG zurück. Nachdem sich das FG jetzt ein zweites Mal mit dem Attac Trägerverein auseinandersetzen musste, sah sich das Gericht durch die vom BFH vorgegebenen Kriterien gezwungen, die Gemeinnützigkeit zu versagen.
Politische Zwecke sind nicht gemeinnützig
Der BFH hatte die vorangegangene Entscheidung des FG deswegen aufgehoben, weil das FG die gemeinnützigen Zwecke „Volksbildung“ und „Förderung des demokratischen Staatswesens“ zu weit interpretiert habe. Gemeinnützige Organisationen dürfen sich im Rahmen der politischen Bildung und der Förderung des demokratischen Staatswesens zwar politisch äußern. Jedoch müssen sie dabei ihre geistige Offenheit bewahren: Sie dürfen auf politische Missstände hinweisen und Lösungsvorschläge unterbreiten. Ihre Arbeit darf jedoch nicht von politischem Aktivismus geprägt sein und von dem gezielten Versuch, die Öffentlichkeit von konkreten politischen Zielen zu überzeugen.
Video: Wie viel politische Betätigung ist erlaubt?
Attac werden politische Aktionen zugerechnet
Die geforderte geistige Offenheit fehlte Attac nach Ansicht des BFH. Und dem FG zufolge waren diese Aktivitäten auch dem Verein und nicht etwa einzelnen Mitgliedern zuzurechnen, weswegen sich das FG folgerichtig dazu gezwungen sah, Attac die Gemeinnützigkeit zu versagen.
Attac hat bereits angekündigt, erneut vor den BFH zu ziehen und zur Not auch das Bundesverfassungsgericht anzurufen.
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Die Finanzminister des Bundes und der Länder haben sich darauf verständigt, keinen weiteren Vereinen aufgrund des BFH-Urteils die Gemeinnützigkeit zu entziehen. Bis Ende 2021 soll eine politische Lösung gefunden werden. Zuletzt hatten nicht nur Vertreter der Zivilgesellschaft, sondern auch das FG den Gesetzgeber aufgefordert, tätig zu werden. Dies schafft zumindest bis Ende 2021 für alle Vereine Rechtssicherheit. Es bleibt allerdings abzuwarten, wie sich die Diskussion entwickelt und wie die gesetzgeberische Lösung letztlich ausfallen wird.
Pressemitteilung des FG Kassel v. 26.02.2020
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