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Fortbildungsveranstaltungen als Zweckbetrieb gemäß § 65 AO?

Bezweckt ein Verein die Förderung der Nutzung freier Software und bildet er deswegen Menschen auf Veranstaltungen weiter, stellen diese Veranstaltungen keinen Zweckbetrieb gemäß § 65 Abgabenordnung (AO) dar.

Weiterbildung über Computerprogramme kann gemeinnützig sein

Der als gemeinnützig anerkannte Verein „J and Beyond Verein zur Förderung freier Content Management Systeme e.V.“, der sich der Förderung der Nutzung freier Software, insbesondere des Open Source Content Management Systems „Joomla!“ verschrieben hat, hat nach eigener Aussage auf seiner Webseite Ärger mit dem Finanzamt Aachen-Stadt. Laut Satzung ist Zweck des Vereins die allgemeine und berufliche Bildung. Der Verein will die Kompetenz und Akzeptanz der Bevölkerung im Umgang mit dem Medium Internet und der Bereitstellung von Informationen erhöhen und selbstlos für die Allgemeinheit entsprechende Dienste, Informationen und Software zur Verfügung stellen. Zur Verwirklichung dieses Zwecks führt der Verein Veranstaltungen (Messen, Vortragsreihen, Workshops) durch und bildet Mitglieder und Dritte in Bezug auf das Open Source Content Management System „Joomla“ fort.

Veranstaltungen sind keine Zweckbetriebe nach § 65 AO

Das Finanzamt verweigerte dem Verein die Qualifikation dieser Veranstaltungen als Zweckbetrieb, weil die Veranstaltungen nicht der einzige Weg seien, Menschen über die freie Software zu bilden. Daher durfte, so das Finanzamt, der Verein auch den ermäßigten Umsatzsteuersatz nicht anwenden. Das Finanzgericht (FG) Köln schloss sich dem an und wies die Klage des Vereins ab. Die Veranstaltungen hätten nach Auffassung des Gerichts wegen der Regelung des § 65 Nr. 2 AO nur dann als Zweckbetrieb eingestuft werden können, wenn die gemeinnützigen Zwecke ohne sie nicht erreichbar wären, die Veranstaltungen also als das unentbehrliche und einzige Mittel zur Erreichung des steuerbegünstigten Zwecks anzusehen wären. Tatsächlich sei der Vereinszweck der Förderung der Open-Source-Software aber auch ohne derartige Veranstaltungen zu verwirklichen, nämlich insbesondere durch Verbreitung von Informationen über das Internet.

Crowdfunding-Aktion zur Finanzierung der Revision

Das FG Köln hat die Revision zum Bundesfinanzhof (BFH) wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Nach einer mittlerweile abgeschlossenen Crowdfunding-Aktion zur Finanzierung des Prozesses vor dem BFH hofft der Verein doch noch auf einen positiven Ausgang des Rechtsstreits.

Ausgang des Revisionsverfahrens ungewiss

Ob der BFH tatsächlich zu Gunsten des Vereins entscheiden wird, ist aber nicht sicher. Die Anforderungen an einen steuerbegünstigten Zweckbetrieb nach § 65 AO sind (sehr) hoch. Der Zweckbetrieb muss, so wie es das FG Köln richtig dargestellt hat, für die Verwirklichung der steuerbegünstigten Zwecke „unentbehrlich“ sein. Das ist nur ganz selten einmal der Fall, da es regelmäßig Alternativen gibt, die der Zweckverwirklichung ebenfalls dienen. Die (kostenlose) Ausgabe von Schriften, (kostenlose) Informationsveranstaltungen oder das Zurverfügungstellen von Informationen über die vereinseigene Webseite sind z.B. denkbare Alternativen.

Andererseits stellt sich die Frage, warum das Finanzgericht nicht näher auf die spezielle Regelung des § 68 Nr. 8 AO eingegangen ist, der „Vorträge, Kurse und andere Veranstaltungen wissenschaftlicher oder belehrender Art“ zu Zweckbetrieben erklärt. Auf den ersten Blick scheint es nämlich nicht ausgeschlossen zu sein, dass der Verein die Vorgaben dieser Regelung erfüllt. Dann wären die Veranstaltungen unzweifelhaft Zweckbetriebe und es käme auf die strenge Regelung des § 65 Nr. 2 AO überhaupt nicht mehr an.

Gemeinnützigkeit in Gefahr

Vom Regen in die Traufe käme der Verein hingegen dann, wenn der BFH die Gemeinnützigkeit des Vereins rundweg in Frage stellen würde: Dem Urteil des FG Köln ist nämlich zu entnehmen, dass Zweck des Vereins „die Förderung der Nutzung freier Software“ ist. Einen solchen gemeinnützigen Zweck sieht das Gesetz allerdings nicht vor. Für den Verein bleibt daher zu hoffen, dass der Vereinszweck im Urteil des FG Köln lediglich missverständlich wiedergegeben wurde und der Verein tatsächlich (nur) die Bildung fördert, was § 52 Abs. 2 Nr. 7 AO als gemeinnützig anerkennt. Sollte das nicht der Fall sein, könnte der Verein mangels Verfolgung ausschließlich gemeinnütziger Zwecke von vornherein nicht gemeinnützig sein. Dann wäre auch die Frage, ob es sich bei den Veranstaltungen um Zweckbetriebe oder steuerpflichtige wirtschaftliche Geschäftsbetriebe handelt, nicht mehr relevant.

Relevanz der steuerlichen Einordnung

Gemeinnützige Organisationen sollten vor Aufnahme von Projekten stets überprüfen (lassen), ob die geplante Tätigkeit einen Zweckbetrieb oder einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt. Die Einordnung ist von außerordentlicher Relevanz: Für den Zweckbetrieb gilt die Steuerfreiheit im Rahmen der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer. Wenn die Lieferungen und Leistungen eines Zweckbetriebs nicht sowieso gemäß § 4 UStG oder gemäß der Mehrwertsteuersystemrichtlinie von der Umsatzsteuer befreit sind, richtet sich der anzuwendende Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG. Häufig kommt hiernach der ermäßigte Steuersatz von 7% zur Anwendung, § 12 Abs. 2 Nr. 8 a Satz 1 UStG. Dies gilt hingegen nicht, wenn es sich um einen steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb handelt. Dann gilt der reguläre Umsatzsteuersatz. Sollte sich im Nachhinein die Einschätzung als Zweckbetrieb als falsch herausstellen und ist die gemeinnützige Organisation darauf nicht vorbereitet, kann dies zu hohen, ggf. existenzbedrohenden Steuernachzahlungen führen. Bei der Überprüfung Ihrer Projekte sind Ihnen unsere spezialisierten Anwälte gerne behilflich.

Beachten Sie bitte noch, dass auch andere Medien über dieses Urteil berichten. Sie verwenden jedoch durchweg die Bezeichnungen „CMS e.V.“, „E“-Day und „E“-Congress, was wohl auf eine etwas ungenaue Recherche bzw. eine unglückliche Anonymisierung zurückzuführen ist. Einen Verein „CMS e.V.“ gibt es, soweit ersichtlich, nicht.

FG Köln, Urteil vom 07.04.2016, Az. 10 K 2601/13

Weiterlesen:
Zuwendungen in den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb sind schenkungsteuerpflichtig
Rechtliche und steuerrechtliche Beratung für Ihren Verein

Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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