Gemeinnützige Organisationen treffen viele Pflichten, deren Einhaltung sich zumeist nur mithilfe professioneller Beratung bewerkstelligen lässt. Zu einem kaum beachteten Rechtsgebiet zählt das Vergaberecht. Es erlangt z.B. dann Bedeutung, wenn gemeinnützige Einrichtungen in größerem Umfang Dienstleistungen am Markt „einkaufen“.
Hohe Strafen für Verstöße
Das Vergaberecht ist für viele gemeinnützige Organisationen ein Buch mit sieben Siegeln. Dies kann sich rächen, da Verstöße Ordnungswidrigkeiten darstellen, die ein Bußgeld in Millionenhöhe zur Folge haben können. Darüber hinaus drohen Schadensersatzforderungen von übergangenen Bewerbern, die bei einem (zu Unrecht unterlassenen) Vergabeverfahren keine Berücksichtigung fanden.
gGmbH sucht neuen Vertragspartner
Noch einmal mit einem blauen Auge davon kam erst kürzlich eine gGmbH, die eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderung betreibt. Nachdem sie ihrem bisherigen Beförderungsdienstleister gekündigt hatte, war sie auf der Suche nach einem neuen Vertragspartner. Dazu forderte sie Interessenten auf, schriftliche Angebote einzureichen. Eine öffentliche förmliche Ausschreibung nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) führte sie allerdings nicht durch. Die gGmbH entschied sich schließlich für einen neuen Dienstleister. Der frühere Beförderungsdienstleister, der ebenfalls ein Angebot abgegeben hatte, fand hingegen keine Berücksichtigung.
Damit war dieser allerdings nicht einverstanden. Er hielt der gGmbH vor, sie hätte ein formelles Vergabeverfahren nach dem GWB durchführen müssen, da sie ein öffentlicher Auftraggeber sei. Schließlich hatte sie einen Vertrag mit dem Land Niedersachsen, der die Finanzierung der gGmbH zum Inhalt hatte.
Staatliche Zuschüsse können GWB-Pflichten auslösen
Die gGmbH sah es anders – und in zweiter Instanz erhielt sie vom Oberlandesgericht (OLG) Celle auch Recht. Das OLG Celle stellte fest, dass die gGmbH nicht überwiegend zuschussfinanziert sei, also nicht mehr als 50% ihrer Einkünfte durch staatliche Zuschüsse erhielt. Nach Auffassung des Gerichts war sie daher kein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des GWB. Ein formelles Vergabeverfahren hatte sie demnach nicht durchführen müssen.
gGmbH kein unbenannter öffentlicher Auftraggeber
Auch der Einwand des ehemaligen Beförderungsdienstleisters, die gGmbH hätte trotzdem ein Vergabeverfahren durchführen müssen, weil sie eine unbenannte öffentliche Einrichtung im Sinne des Gesetzes sei, überzeugte das Gericht nicht. Der ehemalige Beförderungsdienstleister hatte argumentiert, dass das Land Niedersachsen zweifelsohne ein Vergabeverfahren hätte durchführen müssen, wenn es die Leistungen, die die gGmbH durchführte, selbst erbracht hätte. Durch die Übertragung der dem Land obliegenden Aufgaben auf die gGmbH könne sich das Land nicht einfach seinen Vergabeverfahrensverpflichtungen entziehen. In der Tat lässt sich dieses Argument hören. Im Verwaltungsrecht ist anerkannt, dass sich die Verwaltung ihren öffentlich-rechtlichen Pflichten nicht durch eine „Flucht ins Privatrecht“ entziehen kann. Anders als in den klassischen Fällen war das Land im vorliegend zu entscheidenden Fall aber nicht an der gGmbH beteiligt.
Schwelle zum öffentlichen Auftraggeber schnell überschritten
Die Schwelle zum öffentlichen Auftraggeber aufgrund der Vereinnahmung staatlicher Zuschüsse und Zahlungen kann bei gemeinnützigen Organisationen schnell überschritten sein – jedenfalls dann, wenn die öffentliche Hand an der gemeinnützigen Körperschaft beteiligt ist. Um bei Auftragsvergaben auf der sicheren Seite zu stehen, sollten betroffene gemeinnützige Körperschaften daher im Vorfeld abklären lassen, ob sie in den Anwendungsbereich des Vergaberechts fallen oder nicht. Unsere erfahrenen Anwälte sind Ihnen dabei gerne behilflich.
OLG Celle, Beschluss vom 13.10.2016, Az. 13 Verg. 6/16
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