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Umsatzsteuerbefreiung für einen ärztlichen Notfalldienst

Unterstützt ein Notfalldienst einen Arzt mit einem ganzen Bündel von Leistungen, sind diese insgesamt von der Umsatzsteuer befreit. Das hat der Bundesfinanzhof (BFH) mit Urteil vom 08.08.2013 entschieden.

Der Fall drehte sich um einen eingetragenen Verein und Mitglied eines Verbands der freien Wohlfahrtspflege, der einen ärztlichen Notfalldienst betrieb. In einem Vertrag zwischen dem Verein und der Kassenärztlichen Vereinigung waren die Aufgaben des Vereins genauestens festgelegt: Der Verein sollte Anrufe von Notfallpatienten entgegen nehmen, den diensthabenden Arzt informieren und zum Patienten fahren, dem Arzt vor Ort assistieren etc. Diese Leistungen bezahlte die Kassenärztliche Vereinigung mit einem jährlichen Pauschalbetrag. Ein Leistungsaustausch, wie er im Buche steht, befand das Finanzamt. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) unterliegen solche Leistungen der Umsatzsteuer, die zwischen Unternehmern ausgetauscht und gegen Entgelt erbracht werden.

Der BFH befand allerdings, dass die ausgeführten Umsätze gemäß § 4 Nr. 18 UStG, der die Leistungen von Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und der ihnen angeschlossenen Mitglieder begünstigt, von der Umsatzsteuer befreit seien.

Der BFH hatte dabei zum einen die Frage zu klären, ob die Leistungen des Notfalldienstes – wie das Entgegennehmen der Notrufe – als einzelne Leistungen zu betrachten waren. Denn in der Regel ist jede einzelne Lieferung oder Dienstleistung eine eigene, selbständige Leistung. Der BFH berief sich insoweit auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), wonach eine „Gesamtbetrachtung aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers“ die Frage entscheidet, ob eine einheitliche Leistung vorliegt oder nicht. Sind aus der Sicht des Verbrauchers mehrere Handlungen „so eng miteinander verbunden, dass sie objektiv einen einzigen untrennbaren wirtschaftlichen Vorgang bilden“, wäre eine Aufspaltung wirklichkeitsfremd, so der EuGH. Für den BFH folgte daraus, dass auch die Leistungen des Notfalldienstes einen einheitlichen Umsatz darstellen. Denn aus der Sicht des Notfallpatienten prägen erst alle Leistungen zusammen – das Entgegennehmen der Anrufe, die Fahrt zum Patienten, die Unterstützung des Arztes vor Ort etc. – das Bild des Notfalldienstes. § 4 Nr. 18 UStG befreit nach Auffassung des BFH daher das gesamte Leistungsbündel von der Umsatzsteuer.

Zum anderen war die Frage zu prüfen, ob die Voraussetzung der Unmittelbarkeit erfüllt war. § 4 Nr. 18 Buchst. b UStG verlangt nämlich, dass die Leistungen unmittelbar dem nach der Satzung festgelegten begünstigten Personenkreis zugutekommen müssen. Wird der Steuerpflichtige nur mittelbar für den in der Satzung bestimmten Personenkreis tätig, genügt dies nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist dieses Merkmal leistungsbezogen auszulegen. Das heißt, dass genau zu prüfen ist, wer gegenüber wem eine Leistung erbringt. Nach Meinung des Finanzamtes bestand eine solche unmittelbare Leistungsbeziehung nur zwischen dem Notfalldienst und der Kassenärztlichen Vereinigung, denn schließlich hatten diese beiden Parteien einen Vertrag miteinander geschlossen. Der BFH urteilte aber auch insoweit mit Blick auf den Durchschnittsverbraucher: Wer war ihm gegenüber unmittelbar tätig? Aus der Sicht der Notfallpatienten war der ärztliche Notfalldienst die erste Ansprechstation, die erste Person, mit der sie in Kontakt traten, um Hilfe zu erhalten. Auch der Fahrdienst und die Unterstützung der Ärzte bei ihrer Arbeit halfen den Patienten unmittelbar. Auf die zivilrechtliche Vertragsbeziehung kommt es dem BFH zufolge daher nicht an.

BFH, Urteil v. 08.08.2013 – Az. V R 13/12

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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