Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 23.02.2016 entschieden, dass die Stadt Künzelsau verpflichtet ist, Eltern auch für den Besuch von Kindergärten freier Träger Zuschüsse zu gewähren. Eine Beschränkung der Förderpraxis auf städtische Kindergärten sei rechtswidrig.
Gebührenermäßigung für den Besuch städtischer Kindergärten
Die Stadt Künzelsau gewährt seit 2007 Eltern, die ihre Kinder in städtischen Kindergärten unterbringen, eine deutliche Gebührenermäßigung, so dass für Kinder ab der Vollendung des 3. Lebensjahres keine Kindergartengebühren anfallen. Von der Förderung ausgenommen sind aber Kindergärten freier Träger.
Zwei Kinder eines Elternpaares besuchten seit 2008 den Waldorfkindergarten in Künzelsau und zahlten die Beiträge in voller Höhe selbst. Sie verlangten daraufhin von der Stadt Künzelsau die Erstattung der von Ihnen an den Kindergarten gezahlten Beiträge in Höhe von 11.621 Euro. Die Eltern unterlagen zwar mit ihrem Begehren auf Zahlung der 11.621 Euro, jedoch verpflichtete das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart die Stadt Künzelsau aus Gründen der Gleichbehandlung zu einer Neubescheidung des Begehrens der Eltern. Dagegen legte die Stadt Berufung ein.
Verstoß gegen das Gleichheitsgebot
Der VGH Baden-Württemberg hat die Entscheidung des VG Stuttgart allerdings bestätigt. Die Förderpraxis der Stadt unterstehe in rechtlicher Hinsicht zwar nicht unmittelbar den gesetzlichen Regelungen über die Kindergartenförderung. Die Gemeinde dürfe jedoch mit der direkten Förderung des Kindergartenbesuchs durch eine Zuwendung an die Eltern nicht das gesetzliche Wahlrecht der Eltern und deren Erziehungsbestimmungsrecht unterlaufen. Sie tue dies aber unter Verstoß gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), wenn sie Kinder, für die die Eltern den Besuch eines freien Kindergartens vorsehen, von vornherein von der einschlägigen freiwilligen kommunalen Fördermaßnahme ausschließe.
Auch das Argument der Stadt, dass sie regelmäßig dem Künzelsauer Waldorfkindergarten freiwillige Zuschüsse gewähre, verfange nicht, so der VGH. Denn die Zuschüsse hätten im Gegensatz zu der Bezuschussung des Besuchs der städtischen Kindergärten gerade nicht den Zweck, den Künzelsauer Vorschulkindern im Rahmen einer notwendigen Förderung ihrer Gesamtentwicklung einen kostenfreien regelmäßigen dreijährigen Kindergartenbesuch zu ermöglichen. Sie verfolgten vielmehr den weiteren und andersartigen Zweck einer allgemeinen Finanzierung der privaten Kindergärten, wie dies bereits seit Jahren auf Verbandsebene zwischen den Kommunalen Landesverbänden, den Kirchen und den Verbänden der sonstigen freien Träger der Jugendhilfe vereinbart sei.
Entscheidung betrifft auch andere Städte
Ein Wehrmutstropfen für die Eltern bleibt jedoch: Die Stadt darf bei der ihr nun auferlegten neuen Entscheidung über den Förderantrag und bei der Bestimmung der Höhe der Förderung Unterschiede in den Betreuungsangeboten der städtischen Kindergärten einerseits und des Waldorfkindergartens andererseits berücksichtigen.
Die Entscheidung dürfte über die Stadt Künzelsau hinaus Auswirkungen haben. Der VGH Baden-Württemberg hat den Anspruch der Eltern aus Art. 3 GG i.V.m. der Verwaltungspraxis abgeleitet. Auch andere Städte machen Unterschiede bei der Förderung von städtischen und in freier Trägerschaft befindlichen Kindergärten. Betroffene Kitas in freier Trägerschaft sollten daher überprüfen, ob nicht auch die Eltern der von ihnen betreuten Kinder einen Anspruch auf Zahlungen haben. Dies würde ihre Attraktivität erheblich steigern. Gerne helfen Ihnen unsere spezialisierten Anwälte dabei.
VGH Mannheim, Urteil vom 23.02.2016, Az. 12 S 638/15
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