Schüttet eine gemeinnützige GmbH (gGmbH) ihr überwiegendes Vermögen auf Umwegen wieder verdeckt an Gesellschafter aus, stellt dies einen derart gravierenden Verstoß gegen gemeinnützigkeitsrechtliche Vorschriften dar, dass von einem Wegfall des bisherigen Zwecks gesprochen werden kann. Die damit einhergehende Missachtung des Grundsatzes der Vermögensbindung berechtigt das Finanzamt, die Gemeinnützigkeit rückwirkend abzuerkennen und das Vermögen der GmbH für die letzten 10 Jahre nachzuversteuern. Der BFH verschärft damit die Konsequenzen für eine gemeinnützigkeitswidrige Geschäftsführung in gravierenden Fällen.
Ausgangspunkt: Selbstlosigkeit
Das Gebot der Selbstlosigkeit des § 55 AO verpflichtet eine gemeinnützige Organisation, ihre Mittel nur für satzungsmäßige Zwecke einzusetzen, Gesellschafter nicht in irgendeiner Weise finanziell zu begünstigen und diesen bei einem Ausscheiden auch nicht mehr als die geleisteten Einlagen zurückzugewähren. Verstößt die tatsächliche Geschäftsführung gegen eine dieser Auflagen, wird die Gemeinnützigkeit (nur) für den relevanten Veranlagungszeitraum aberkannt. Zur 10-jährigen Rückversteuerung kommt es hingegen, wenn bei Auflösung oder Wegfall des bisherigen Zwecks der Körperschaft das gemeinnützig gebundene Vermögen nicht weiter für einen begünstigten Zweck verwendet wird.
Nicht selbstlos: die verdeckte Gewinnausschüttung
Im entschiedenen Fall hatte sich der Gesellschafter einer gGmbH zunächst für die Geschäftsleitung ein überhöhtes Gehalt genehmigt und später die gGmbH veräußert. Hierbei ließ er sich vom Erwerber im Ergebnis das gesamte Kapital der gGmbH, einschließlich Teile des laufenden Gewinns, bezahlen. Der BFH stellte fest, dass beide Vorgänge eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellten. Damit werden Zahlungen einer Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter erfasst, zu denen es gerade aufgrund der Gesellschafterstellung kommt, da ein Betrag in entsprechender Höhe an einen neutralen Dritten nicht geleistet worden wäre.
In gravierenden Fällen: Verstoß gegen gemeinnützige Vermögensbindung und Nachversteuerung
Da der Gesellschafter auf diesem Wege das gesamte Kapital aus der gGmbH zog, sah das Gericht hierin nicht nur einen Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit, da sich der Gesellschafter selbst begünstigte. Vielmehr komme dies einem Wegfall des bisherigen Zweckes gleich, was zur Rückversteuerung für die letzten 10 Jahre berechtige. Das Gericht bestätigte damit die Verwaltungsauffassung im AEAO zu § 61 Nr. 8, wonach gravierende Verstöße gegen das Gebot der Selbstlosigkeit im Ergebnis einer Verwendung des gesamten Vermögens zu satzungsfremden Zwecken gleichkommen.
Der Wert einer gemeinnützigen Körperschaft
Auch gab das Gericht Hinweise für gesellschaftsrechtliche Strukturierungen im Bereich der Gemeinnützigkeit. Es stellte fest, dass der Verkauf einer gemeinnützigen Gesellschaft zu einem Preis oberhalb des Wertes der Anteile und der geleisteten Einlagen ebenfalls regelmäßig gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstößt. Der Nominalwert der Anteile und geleisteten Einlagen bilde den tatsächlichen Fortführungswert einer gemeinnützigen Einrichtung ab. Eine höhere Zahlung zeige, dass der bisherige Gesellschafter über den Umweg eines überhöhten Kaufpreises im Ergebnis Zugriff auf das bisher gemeinnützigkeitsrechtlich gebundene Vermögen suche.
Hinweis: Die Rückversteuerung löst zunächst ganz erhebliche Körperschaft- und Gewerbesteuernachforderungen für die gGmbH aus, welche allerdings in der Regel bereits weitgehend kapitallos dastehen dürfte. Der Geschäftsführer ist damit aber nicht aus dem Schneider, sondern wird im Zweifel für die Steuerschuld haften. Auch vor diesem Hintergrund sollte jede Transaktion zwischen einer gGmbH und ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person eingehend überprüft werden.
BFH, Beschluss v. 12.10.2010, Az. I R 59/09.