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Private Musikschulen und Tanzschulen ab Januar 2013 in der Umsatzsteuerfalle? Erklärung des BMF räumt Bedenken nicht vollständig aus

Die aktuelle Fassung des Entwurfs des Jahressteuergesetzes 2013 sieht vor, dass Musik- und Tanzunterricht von privaten Musik- und Tanzschulen künftig nicht mehr von der Umsatzsteuer befreit wird. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Unterricht „auch der Freizeitgestaltung dient” und die Schule eine „systematische Gewinnerzielung anstrebt“.

Aktuelle Gesetzeslage

Nach aktueller Gesetzeslage haben private Musik- und Tanzschulen grundsätzlich die Möglichkeit, ihre Kurse umsatzsteuerfrei anzubieten. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der jeweilige Kurs auf einen Beruf oder eine vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (z.B. Universität) abzulegende Prüfung ordnungsgemäß vorbereitet (§ 4 Nr. 21 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb UStG). Eine solche „ordnungsgemäße Vorbereitung“ kann durch die hierfür zuständige Landesbehörde bescheinigt werden. Diese Bescheinigung dient zur Vorlage beim zuständigen Finanzamt, das dann über die Steuerbefreiung entscheidet.

Neuregelung

Der Gesetzgeber sieht sich aktuell veranlasst, im Rahmen des Jahressteuergesetzes 2013 die Steuerbefreiung für Bildungsleistungen im Sinne von § 4 Nr. 21 UStG neu zu regeln und dabei die Begrifflichkeiten der europäischen Mehrwertsteuersystemrichtlinie „weitgehend“ zu übernehmen und Urteile des EuGH zu berücksichtigen. Nach der geplanten Neufassung sollen nun steuerfrei sein:

„Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung (Bildungsleistungen) und damit eng verbundene Lieferungen und sonstige Leistungen durch Einrichtungen des öffentlichen Rechts, die mit solchen Aufgaben betraut sind, Ersatzschulen, die gemäß Artikel 7 Absatz 4 des Grundgesetzes staatlich genehmigt oder nach Landesrecht erlaubt sind, und andere Einrichtungen mit vergleichbarer Zielsetzung sowie Bildungsleistungen von Privatlehrern. Eine vergleichbare Zielsetzung ist gegeben, wenn die Leistungen der Einrichtung geeignet sind, dem Teilnehmer spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln. Nicht befreit sind Leistungen, die der reinen Freizeitgestaltung dienen. Erbringt eine andere Einrichtung mit vergleichbarer Zielsetzung Leistungen im Sinne des Satzes 1, die auch der Freizeitgestaltung dienen können, sind diese nur dann befreit, wenn die Einrichtung keine systematische Gewinnerzielung anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnommen, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet werden.

Folge für Musikschulen und Tanzschulen: im Zweifel Umsatzsteuerpflicht

Bietet also eine private Musikschule oder Tanzschule

  • Kurse an, die auch der Freizeitgestaltung dienen,
  • und strebt diese Schule ferner eine „systematische Gewinnerzielung“ an oder/und werden Gewinne entnommen,

so sind diese Kurse künftig nicht von der Umsatzsteuer befreit. Dies gilt insbesondere auch für solche Schulen, die für ihre Leistungen über eine Bescheinigung nach der alten Fassung des § 4 Nr. 21 UStG verfügen. Mit anderen Worten: Der Großteil der kommerziell arbeitenden Musik- und Tanzschulen, die bislang nach § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerbefreite Kurse anbieten, müsste zukünftig 19% USt auf diese Kursleistungen aufschlagen – die Vorsteuern können dann im Gegenzug natürlich gezogen werden. Unterrichtsstunden, die kommerziell tätige Privatlehrer anbieten, sind demgegenüber umsatzsteuerbefreit. Erbringt derselbe Lehrer als Selbständiger seine Leistung an einer privaten Musikschule mit Gewinnstreben oder/und Gewinnentnahme, wäre seine Leistung wiederum umsatzsteuerpflichtig.

Hinweis: Ob eine solche Neuregelung kulturpolitisch sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Darüber hinaus würde sie zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Aus diesem Grund wird bereits erhebliche Kritik – auch innerhalb der Regierungskoalition – laut. Und das BMF hat sich aktuell bemüßigt gefühlt, die Befürchtungen der Praxis als unbegründet zu zerstreuen: Eine Sprecherin des Ministeriums erklärte, dass Leistungen von privaten Bildungseinrichtungen, die auch im allgemeinen öffentlichen Schul- und Hochschulunterricht angeboten werden, weiterhin umsatzsteuerfrei seien. Dies gelte auch für Musikunterricht. Für Hobby-Kurse greife die Befreiung allerdings nicht. Bei Kursen, die auch der Freizeitgestaltung dienen, gelte: „professionelle Anbieter bedürfen keiner Steuersubvention.“ Inwieweit diese Erklärung die bestehenden Befürchtungen vollständig ausräumt, ist zweifelhaft. Denn: Wann dient ein Kurs auch der Freizeitgestaltung? Diese Frage wird aus unserer Sicht weder im Regierungsentwurf noch im Rahmen der aktuellen Erklärung abschließend beantwortet. Im Einzelfall wird es jedoch erforderlich sein, sich mit dieser Frage auseinanderzusetzen. In Fachkreisen wird zudem diskutiert, ob die Neuregelung überhaupt europa- und verfassungsrechtlichen Maßstäben genügt. Dies wird sich wohl erst im Rahmen gerichtlicher Verfahren klären lassen.

Sollte die Neuregelung in der aktuell vorliegenden Fassung verabschiedet werden, würde eine Umsatzsteuerpflicht jedenfalls dann nicht greifen, wenn die private Musikschule keine Gewinne anstrebt und etwaige Gewinne, die trotzdem anfallen, nicht entnimmt, sondern zur Erhaltung oder Verbesserung der erbrachten Leistungen verwendet. Diese
Voraussetzungen erfüllt beispielsweise eine gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung („gGmbH“) oder eine gemeinnützige Genossenschaft („geG“). Im jeweiligen Einzelfall wäre dann zu prüfen, welche Gestaltungsmaßnahmen möglich und sinnvoll sind. Die „Flucht“ in einen gemeinnützigen Verein (e.V.) dürfte hingegen in aller Regel keine geeignete Maßnahme darstellen (vgl. Winheller, DStR 2012, 1562).

Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2013, DrS 17/10000 v. 19.06.2012.

Stefan Winheller

Rechtsanwalt Stefan Winheller ist seit rund 20 Jahren auf steuerrechtliche Fragen spezialisiert, v.a. in den Bereichen Krypto, Stiftungen/NPO und Internationales.

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