Ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb darf aus vereinsrechtlichen Gründen nicht Hauptzweck des Idealvereins sein. Als untergeordnete Tätigkeit ist eine wirtschaftliche Betätigung jedoch zulässig (sog. Nebenzweckprivileg). Ähnlich verfährt das Steuerrecht: Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist ausgeschlossen, wenn die steuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit einer Organisation das Gepräge gibt (sog. Geprägetheorie). Rechtsprechung und Finanzverwaltung liefern nun neue Hinweise zur Bestimmung des zulässigen Umfangs wirtschaftlicher Betätigungen.
Die Reichweite des vereinsrechtlichen Nebenzweckprivilegs behandelt ein Beschluss des OLG Frankfurt. Ein alpiner Wander- und Bergsteigerverein eröffnete neue Kletterhallen für die Nutzung durch die breite Öffentlichkeit und erzielte hierdurch erhebliche Einnahmen, die weit über den Beträgen lagen, die durch die Verwirklichung des Vereinszwecks eingenommen wurden. Das Gericht ließ sich davon aber nicht beirren. Weder absolute Umsatzgrenzen noch das Verhältnis der Einnahmen aus den verschiedenen Bereichen zueinander seien maßgebend für die Frage, ob es sich bei der wirtschaftlichen Tätigkeit noch um einen untergeordneten Nebenzweck handele. Vielmehr sei qualitativ nach Mittel und Zweck abzuwägen. Die erwerbswirtschaftliche Nebentätigkeit als Mittel zur Erfüllung des Hauptzwecks müsse sich dazu im Rahmen des Vereinszwecks halten und sich als ein die ideelle Betätigung ergänzendes, noch objektiv sinnvolles Mittel zur Förderung des Vereinszwecks darstellen. Ist eine solche Über- und Unterordnung erkennbar, ist die wirtschaftliche Betätigung unproblematisch.
Eine vergleichbare Hinwendung zu einem eher qualitativen Ansatz vollzieht auch das Steuerrecht im Rahmen der steuerrechtlichen Geprägetheorie. Die Finanzverwaltung hat in der Vergangenheit zwar häufig das Einnahmeverhältnis zwischen der ideellen und der wirtschaftlichen Sphäre in den Vordergrund gerückt. Äußerungen aus dem Hessischen Finanzministerium deuten aber darauf hin, dass im Rahmen der erwarteten Neufassung des AEAO künftig verstärkt auf den Arbeits- und Zeitaufwand abgestellt werden wird. Der BFH hat bereits seit längerem qualitativen Gesichtspunkten die entscheidende Bedeutung bei der Bestimmung des zulässigen Umfangs wirtschaftlicher Betätigungen zugemessen.
Hinweis: Da die Voraussetzungen sowohl des Nebenzweckprivilegs als auch der Geprägetheorie rechtlich unscharf, einzelfallbezogen und wertungsoffen bleiben, ist eine sorgfältige Planung unerlässlich und ggf. auch eine Ausgliederung wirtschaftlicher Betätigungen auf Tochter-Gesellschaften ratsam. Ein Verstoß gegen das Nebenzweckprivileg führt jedenfalls zur Löschung des Vereins aus dem Vereinsregister, eine wirtschaftliche Prägung des Vereins zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit.
OLG Frankfurt a.M., Beschluss v. 28.10.2010, Az. 20 W 254/10.