Meldepflicht gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium bei Erwerb von Beteiligungen an deutschen Unternehmen durch EU-Ausländer
In den letzten Jahren wurde die Prüfung des Erwerbs von Beteiligungen an deutschen Unternehmen außerhalb des Rüstungsbereichs durch Investoren von außerhalb der Europäischen Union und den EFTA-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) fortlaufend verstärkt. Dies geschah zuletzt auch, um den Vorgaben der EU-Screening-Verordnung aus dem Jahr 2020 zu entsprechen.
Bewerkstelligt wurde dies durch Erweiterung des Kreises der betroffenen deutschen Unternehmen, durch Einführung einer unter bestimmten Umständen bestehenden Meldepflicht gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium in Kombination mit einem Vollzugsverbot des Erwerbs. Gleichzeitig wurde der Prüfungsmaßstab für die Untersagung und für die Erteilung von Auflagen abgesenkt.
Meldepflicht gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium
Die Pflicht, den Erwerb einer Beteiligung zu melden, kann immer dann bestehen, wenn das betroffene deutsche Unternehmen eine Tätigkeit ausübt, die in § 55a der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) aufgelistet ist. Die Liste ist sehr vielfältig.
Dazu gehören zunächst Unternehmen, die sogenannte „kritische Infrastruktur“ betreiben, nämlich sehr bedeutende Einrichtungen der Bereiche
- Energie,
- Informationstechnik und Telekommunikation,
- Transport und Verkehr,
- Gesundheit,
- Wasser,
- Ernährung sowie
- Finanz- und Versicherungswesen,
deren Größe bestimmte gesetzliche Schwellenwerte überschreitet.
Das ist z.B. ein Kraftwerk mit mindestens 420 Megawatt Nennleistung oder ein Flughafen mit mindestens 20 Millionen Passagieren pro Jahr.
Auch Unternehmen der Medizin, Software und Rohstoffe betroffen
Dazu gehören aber unter Umständen auch augenscheinlich viel weniger bedeutende und möglicherweise viel kleinere Unternehmen, z.B. solche, die:
- Software, die branchenspezifisch zum Betrieb von „kritischer Infrastruktur“ dient, entwickeln oder herstellen,
- Medizinprodukte oder In-vitro-Diagnostika für lebensbedrohliche und hochansteckende Infektionskrankheiten entwickeln oder herstellen,
- wesentlichen Komponenten oder Software für das autonome Fahren von Kraftfahrzeugen entwickeln oder herstellen,
- Güter entwickeln oder herstellen, die spezifisch dem Betrieb drahtloser oder drahtgebundener Datennetze dienen,
- bestimmte sogenannte „kritischen Rohstoffe“ gewinnen, aufbereiten oder raffinieren oder
- landwirtschaftliche Fläche von mehr als 10.000 Hektar bewirtschaften.
Es sind aber auch noch viele andere Arten von Unternehmen auf der Liste, z.B. solche die in Schlüsseltechnologien tätig sind, wie der künstlichen Intelligenz, Robotik, Halbleiter-, Bio- und Quantentechnologie.
Meldepflicht kann schon bei mittelbarem Erwerb von 10 Prozent der Stimmrechte bestehen
Die Plicht zur Meldung gegenüber dem Bundeswirtschaftsministerium entsteht mit Abschluss des relevanten Vertrages, wenn der außereuropäische Investor unmittelbar oder mittelbar das ganze Unternehmen oder mehr als 10 oder 20 Prozent der Stimmrechte (abhängig von der Tätigkeit des Unternehmens) bei dem deutschen Unternehmen erwirbt.
Kaufvertrag ist während Prüfung unwirksam und darf nicht vollzogen werden
Das Bundeswirtschaftsministerium prüft dann nach dem nun abgesenkten Prüfungsmaßstab, ob der Erwerb voraussichtlich die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Deutschlands oder eines anderen Mitgliedstaates der EU beeinträchtigt.
Es kann den Erwerb innerhalb bestimmter Fristen ganz untersagen oder unter Auflagen erlauben. Während dieser Fristen gilt der Kaufvertrag als unwirksam und darf nicht vollzogen werden.
Prüfung auch in anderen Branchen möglich
Auch im Fall des Erwerbs einer Beteiligung durch EU-Ausländer an Unternehmen, die außerhalb des Rüstungsbereichs in anderen als den oben genannten Bereichen tätig sind, kann das Bundeswirtschaftsministerium unter bestimmten Umständen eine Prüfung des Erwerbs einleiten. Es besteht jedoch keine Pflicht zur Anmeldung.
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