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Keine ermäßigte Umsatzsteuer bei Integrations-Bistro

Die Anerkennung der Gemeinnützigkeit ist nicht nur wegen der Körperschaftsteuerbefreiung und der Möglichkeit des Spendenempfangs günstig, sondern sorgt auch im Umsatzsteuerrecht für Erleichterungen. Damit diese greifen, muss es sich bei Umsätzen aus wirtschaftlicher Betätigung allerdings um Umsätze eines Zweckbetriebs handeln. Das Finanzgericht (FG) Berlin-Brandenburg musste nun entscheiden, ob auch das Bistro eines gemeinnützigen Vereins einen Zweckbe-trieb darstellt, wenn in diesem behinderte Menschen arbeiten und so in den Arbeitsmarkt integriert werden.

Bistro als Teil der Behindertenwerkstätte?

Der klagende Verein hatte sich der Unterstützung von Personen verschrieben, die aufgrund einer körperlichen, geistigen oder seelischen Erkrankung der Hilfe bedürfen. Dafür wurde ihm als Einrichtung des Wohlfahrtswesens und wegen der Verfolgung mildtätiger Zwecke die Gemeinnützigkeit zuerkannt. Lange betrieb der Verein eine Werkstätte für behinderte Menschen. Behindertenwerkstätten sind von Gesetzes wegen – trotz ihres wirtschaftlichen Charakters – als speziell privilegierte Zweckbetriebe anerkannt. Damit unterlagen die dort erzielten Umsätze lediglich dem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7%. Zusätzlich zur Werkstätte richtete der Verein jedoch später auch noch ein Bahnhofs-Bistro mit öffentlicher Toilette ein, das nicht zur Behindertenwerkstätte gehörte. Da auch dort Behinderte beschäftigt wurden, förderte das Sozialamt die Ausstattung der Arbeitsplätze als Integrationsmaßnahme. Der Verein versteuerte die dort erzielten Umsätze aus Verkäufen und Toilettengebühren ebenfalls mit 7%, behandelte das Bistro also als Zweckbetrieb.

Der Bistrobetrieb sei, so der Verein, als „verlängerter Teil“ der Behindertenwerkstätte zu sehen, indem auch dort arbeitswillige Behinderte an den Arbeitsmarkt herangeführt würden. Das Bistro diene letztlich der Fürsorge für körperbehinderte Menschen und sei entsprechend als Zweckbetrieb einzuordnen. Der Betrieb sei eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege, da die behinderten Arbeitnehmer trotz ihrer eingeschränkten Leistungen ein Gehalt bekämen und so gefördert würden. Das Bahnhofsbistro stelle außerdem ein Integrationsprojekt im Sinne des Sozialrechts dar (ab 2018: „Inklusionsbetrieb“), das umsatzsteuerlich ebenfalls als Zweckbetrieb einzuordnen sei.

Bistro als eigenständiger Betrieb kein Zweckbetrieb

Der Betriebsprüfer hingegen war anderer Ansicht. Auch das Finanzgericht blieb streng. Das Bistro sei nicht als Teil der Werkstätte zu sehen, sondern stelle einen eigenen Betrieb dar. Dieser diene jedoch nicht der Fürsorge der behinderten Arbeitnehmer im Sinne einer karitativen Einrichtung. Die Behinderten seien im Bistro vielmehr einer gewöhnlichen beruflichen Tätigkeit nachgegangen. Eine Einrichtung der Wohlfahrtspflege liege daher nicht vor.

Zwar erfülle das Bistro tatsächlich die Anforderungen an ein förderungsfähiges Integrationsprojekt, zur steuerlichen Anerkennung sei jedoch ein entsprechender Nachweis erforderlich. Hierfür eignen sich etwa Leistungsbescheide des zuständigen Integrationsamtes. Solche Leistungsbescheide über ein Integrationsprojekt konnte der Verein nicht vorlegen. Das Bistro konnte damit auch nicht als Integrations-Zweckbetrieb anerkannt werden.

Hohe Steuernachzahlungen durch falsche Betriebsabgrenzung vermeiden

Die Abgrenzung zwischen „normalem“ steuerpflichtigem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und steuerbegünstigtem Zweckbetrieb ist oft schwierig. Eine falsche Einordnung kann schnell zu hohen Steuernachzahlungen führen (in diesem Fall insgesamt 355.000 Euro) und sollte tunlichst vermieden werden.

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FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 07.11.2016, Az. 5 K 5372/14 (Revision unter Az. BFH XI R 2/17)

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Johannes Fein

Rechtsanwalt Johannes Fein ist im Steuerrecht, im Gemeinnützigkeitsrecht und im Sportrecht tätig. Er berät und vertritt gemeinnützige Vereine und Verbände, Wirtschafts- und Berufsverbände, gemeinnützige GmbHs und Genossenschaften sowie Stiftungen und sonstige Nonprofit-Organisationen.

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