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Keine persönliche Haftung für Unternehmenskartellgeldbußen

Keine persönliche Haftung für Unternehmenskartellgeldbußen

Grundsätzlich gilt: Geschäftsleiter haften im Rahmen des deutschen Organhaftungsregimes für – durch von ihnen begangene Pflichtverletzungen entstandene – Schäden des von ihnen geleiteten Unternehmens mit ihrem Privatvermögen nach den Regeln der Innenhaftung. Dabei können sie sich nach den Regeln der Business Judgement Rule „enthaften“ bzw. pflichtgemäßes Handeln darlegen.

Das OLG Düsseldorf (nicht rechtskräftiges Urteil vom 27.07.2023 – 6 U 1/22) hat zu der im Gegensatz zum zuvor dargestellten Grundsatz kontrovers diskutierten Frage der Regressfähigkeit von Unternehmenskartellgeldbußen mit seiner Entscheidung mehr Rechtssicherheit geschaffen:

Danach können Vorstände bzw. Geschäftsführer einer Aktiengesellschaft bzw. GmbH – im Innenverhältnis – NICHT für Kartellgeldbußen des Unternehmens in Regress genommen werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Handelndenhaftung für kartellrechtswidriges Verhalten grundsätzlich ausgeschlossen wäre.

Unternehmenskartellgeldbußen sind kein ersatzfähiger Schaden

Grundsätzlich stellt der durch den Geschäftsleiter verursachte Kartellrechtsverstoß eine Pflichtverletzung gegenüber der Gesellschaft im Innenverhältnis dar. Dies folgt aus der umfassenden Sorgfaltspflicht, die das Leitungsorgan dazu verpflichtet, alle für die Gesellschaft geltenden Rechtsvorschriften ordnungsgemäß einzuhalten (Legalitätspflichten im Gegensatz zu unternehmerischen Entscheidungen).

Das OLG Düsseldorf hat jedoch entschieden, dass die Haftung nicht insgesamt entfalle, sondern lediglich der Rückgriff der Gesellschaft bei ihren Geschäftsführungsorganen wegen einer Kartellgeldbuße ausgeschlossen sei. Obwohl der Geschäftsführer im zu entscheidenden Fall seine Pflichten verletzt hatte, stellt nach den Ausführungen des Gerichts das Unternehmenskartellbußgeld keinen ersatzfähigen Schaden dar. Die Geldbuße habe bereits abschließenden Charakter und schließe daher einen Regress im Innenverhältnis aus. Das kartellrechtliche Sanktionssystem sehe separate Bußgelder jeweils gegenüber den Unternehmen und den handelnden Personen vor. Damit wolle der Gesetzgeber sowohl die Gesellschaft als auch die Leitungsorgane mit abschreckenden Sanktionen zur Einhaltung ihrer Pflichten anhalten. Das OLG Düsseldorf sieht den Sinn und Zweck einer Unternehmensgeldbuße gefährdet, wenn die Gesellschaft insoweit Regress beim Geschäftsführer nehmen könne. Die Geldbuße solle nämlich auch das Vermögen der Gesellschaft treffen und nicht nur das des handelnden Leitungsorgans.

Die uneingeschränkte Legalitätspflicht des Leitungsorgans

Nach den gerichtlichen Feststellungen ist das Handeln des Geschäftsleiters nicht schon deshalb pflichtwidrig, weil es sich im Nachhinein als nachteilig für die Gesellschaft erweist. Vielmehr sei es dann pflichtwidrig, wenn der Eintritt des Schadens vermeidbar gewesen und die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewendet worden wäre (vgl. § 93 Abs. 1 AktG, § 43 Abs. 1 GmbHG). Verstöße gegen kartellrechtliche Vorschriften stellen gleichzeitig einen Verstoß gegen die bereits genannten Legalitätspflichten dar. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einen sog. nützlichen Gesetzesverstoß handelt, also einen Verstoß im vermeintlichen Interesse der Gesellschaft (oftmals als „Wohl des Unternehmens“ bezeichnet).

Ein unternehmerisches Ermessen zur Begehung solcher Verstöße wird sowohl von der Rechtsprechung als auch von der Literatur stets abgelehnt. Vielmehr unterliegt die Einhaltung der Kartellrechtsvorschriften immer den uneingeschränkten Legalitätspflichten und keiner unternehmerischen Entscheidung. Die Vorgaben hierzu sind schlicht einzuhalten, eine „Enthaftung“ ist nicht möglich. Im zu entscheidenden Fall hatte das OLG Düsseldorf auch das Verschulden des Geschäftsführers bejaht, wobei den entsprechenden Ausführungen dazu – gerade weil hier keine saubere Trennung zwischen dem Verschulden im Innen- und Außenverhältnis vorgenommen wird – mit gewissen Bedenken entgegengetreten werden muss.

Rechtsirrtümer schützen nicht – Rechtsrat ist erforderlich

Der Geschäftsführer konnte sich nach Ansicht des Gerichts nicht auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen. Insoweit werden hohe Anforderungen gestellt, da der beweisbelastete Geschäftsführer darlegen muss, dass er alles Zumutbare getan hat, um einen Verstoß gegen das Kartellrecht zu vermeiden.

Der Rechtsirrtum des Geschäftsleiters sei nur dann entschuldigt, wenn dieser die Rechtslage – falls erforderlich durch Einholung von externem Rechtsrat – samt höchstrichterlicher Rechtsprechung geprüft habe. Zudem hätte er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit keiner anderen Beurteilung seines Verhaltens durch die Gerichte rechnen dürfen.

Trotz Vorliegens der Voraussetzungen für Organhaftung kein Regressanspruch

Im Ergebnis bejahte das OLG Düsseldorf zwar einen Organhaftungsanspruch der Gesellschaft gegenüber dem Geschäftsführer dem Grunde nach, lehnte aber im Ergebnis einen Regressanspruch im Innenverhältnis mit einer teleologischen Reduktion des Anwendungsbereichs des § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 AktG aufgrund der Sanktionszwecke der §§ 81a bis 81d GWB ab.

Höchstrichterliche Entscheidung steht aus

Es bleibt abzuwarten, wie die höchstrichterliche Rechtsprechung zur vorstehenden Problematik der persönlichen Haftung von Vorständen und Geschäftsführern für Kartellgeldbußen im Innenverhältnis ausfallen wird. Zumindest reiht sich die Entscheidung in eine Serie bereits vergleichbar ergangener Urteile seitens anderer Gerichte (LAG Düsseldorf und LG Saarbrücken) ein. Unumstritten ist diese Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur jedoch keinesfalls.

WINHELLER berät Sie umfassend hinsichtlich sämtlicher Problem- und Fragestellungen in Fragen der Geschäftsleiter- und Organhaftung sowie des Kartellrechts.

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Philipp Barring

Rechtsanwalt Philipp J. Barring berät an den Standorten Frankfurt am Main und München und ist auf die Bereiche Gesellschaftsrecht, M&A/Unternehmenskauf, Handelsrecht und Compliance spezialisiert.

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