In Verträgen, wie z.B. Unternehmenskaufverträgen oder Lieferverträgen, gibt es oft Klauseln, wonach eine Partei nicht absolut verpflichtet ist, eine Leistung zu erbringen (z.B. bestimmte Waren zu liefern) oder einen Erfolg herbeizuführen (z.B. beim Unternehmenskauf die Genehmigung der Kartellbehörden herbeizuführen), sondern sich „nur“ verpflichtet, dies mit „bestem Bemühen“ zu versuchen.
In englischsprachigen Verträgen verpflichtet sich die Partei dann „best efforts“ aufzuwenden.
Beispiel: Liefervertrag von AstraZeneca
Prominentes Beispiel ist der Liefervertrag zwischen der EU-Kommission und AstraZeneca über die Lieferung von COVID-19-Impfstoff durch AstraZeneca an die EU-Mitgliedstaaten. Bei diesem haben die Parteien kürzlich über die Medien ihre abweichenden Auffassungen über den Grad der vertraglichen Verpflichtungen AstraZenecas ausgetauscht.
AstraZenecas CEO Pascal Soriot ist laut einem Zeitungsinterview (Welt vom 26.01.2021) der Auffassung, es bestünden nur „Best Effort“-Verpflichtungen nach dem Vertrag, aber keine festen Lieferverpflichtungen. Laut Vertreter der EU-Kommission bestünden jedoch sehr wohl feste Lieferverpflichtungen aus dem Vertrag.
Die EU-Kommission hat den Vertrag mit AstraZeneca (mit Schwärzungen) veröffentlicht, was es uns ermöglicht, hier zur Veranschaulichung ins Detail zu gehen.
„Best Effort“-Verpflichtungen können die richtige Lösung sein
Es kann sinnvoll und angemessen sein, dass sich eine Partei in einem Vertrag nur zu „bestem Bemühen“ statt zu einer Leistung oder einem Erfolg verpflichtet. Das ist immer dann der Fall, wenn die Partei keine ausreichende Kontrolle darüber hat, ob die Leistung erbracht oder der Erfolg herbeigeführt werden kann, z.B. weil Dritte mitwirken müssen oder es auf andere Umstände ankommt, über die die verpflichtete Partei keine Kontrolle hat.
Das ist z.B. beim Unternehmenskauf der Fall, wenn es um die Kartellgenehmigung oder eine andere Genehmigung einer Behörde oder die Zustimmung Dritter zur Übertragung eines Vertrages, z.B. eines Immobilienmietvertrages, auf den Käufer geht. Die verpflichtete Partei kann hier den erwünschten Erfolg nicht mit Sicherheit herbeiführen und möchte daher auch nicht haftbar sein, wenn es ihr nicht gelingt. Folglich wäre sie auch gar nicht bereit, sich absolut zu verpflichten, diesen Erfolg herbeizuführen.
Der AstraZeneca-Vertrag der EU wurde im August 2020 abgeschlossen, also zu einem Zeitpunkt, als die klinischen Tests des Impfstoffs noch nicht abgeschlossen waren, eine Zulassung für die Europäische Union noch nicht erteilt war und es noch keine ausreichenden Produktionskapazitäten bei AstraZeneca gab.
Es ist verständlich, dass AstraZeneca nicht bereit war, verbindliche Liefermengen zu bestimmten Zeitpunkten zuzusagen. Jedenfalls nicht zu den von der EU angebotenen Konditionen.
Auch Verpflichtung zu „bestem Bemühen“ ist eine bindende Verpflichtung
Andererseits ist aber die Verpflichtung zu „bestem Bemühen“ auch eine bindende Verpflichtung. Es wird nur kein bestimmter Erfolg, sondern eben „bestes Bemühen“ geschuldet. Was genau zu tun ist, um den Erfolg herbeizuführen, ist eine Sache der Vertragsauslegung, oft mit unsicherem Ergebnis.
In der Praxis versucht man dies durch bestimmte Formulierungen und Definitionen genauer zu bestimmen. So hat sich AstraZeneca in dem genannten Vertrag zu „best reasonable effort“ verpflichtet (was wohl mit „bestes angemessenes Bemühen“ zu übersetzen ist). In dem Vertrag ist auch definiert, was darunter zu verstehen ist, nämlich „die Handlungen und das Ausmaß an Bemühungen, die ein Unternehmen ähnlicher Größe mit ähnlich großer Infrastruktur und ähnlichen Ressourcen wie AstraZeneca bei der Entwicklung und Herstellung eines Impfstoffs im relevanten Entwicklungs- oder Vermarktungsstadium unternehmen oder einsetzen würde“ (Vertragstext ist hier gekürzt)
Im englischen Vertrag heißt es wie folgt: „the activities and degree of effort that a company of similar size with a similarly-sized infrastructure and similar resources as AstraZeneca would undertake or use in the development and manufacture of a Vaccine at the relevant stage of development or commercialization “ (Contract text is shortened here)
Übrigens: Auch manche Verpflichtungen der EU und ihrer Mitgliedstaaten sind in dem Vertrag nur als „Best reasonable Effort“-Verpflichtungen formuliert.
Was ist der Unterschied zwischen best efforts, reasonable efforts und commercially reasonable efforts
In der Praxis werden oft Abstufungen wie z.B. „bestes Bemühen“ (best efforts), „angemessenes Bemühen“ (reasonable efforts) und „wirtschaftlich angemessenes Bemühen“ (commercially reasonable efforts) verwendet, wobei bei „bestem Bemühen“ mehr Bemühen geschuldet wird als bei „wirtschaftlich angemessenem Bemühen“.
„Bestes Bemühen“ wird oft so verstanden, dass auch wirtschaftlich unverhältnismäßige Maßnahmen – bis zu einer im Detail unklaren Opfergrenze – zu ergreifen sind, wenn diese notwendig sind, um den Erfolg herbeizuführen.
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